Kölner Museum LudwigNeue Ausstellung über Klischees und Landschaften im Ruhrgebiet

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Museum Ludwig

Das Museum Ludwig in Köln

  • Eine neue Ausstellung im Kölner Museum Ludwig zeigt Bilder von Joachim Brohm über das Ruhrgebiet.
  • Lohnt sich die Schau? Wir haben sie vorab besucht.

Köln – Man schaut auf dieses Bild wie auf eine berühmte Schneelandschaft von Pieter Bruegel, doch idyllisch mag man die Szene mit Schlittschuhläufern vor lichtem Gestrüpp und Autobahnbrücke nun auch wieder nicht nennen. Aufgenommen hat sie Joachim Brohm 1982 in Essen, aus jener klassischen, leicht erhöhten Perspektive, die eine müde hingestreckte Landschaft in Gänze einfängt, aber deswegen aus den Menschen noch keine Ameisen macht.

Auf dem eisigen Teich lassen sich Solisten und Paare unterscheiden, man ahnt angedeutete Geschichten, und im Vordergrund frisst sich die Gefahr beginnenden Tauwetters ins Bild. Über allem wölbt sich ein gelb-grauer Himmel, der vor allem davon erzählt, dass einem in dieser Gegend nichts einfach so geschenkt wird – auch ein heiteres Freizeitvergnügen muss man sich offenbar verdienen.

Als Brohm seine heute klassische Fotoserie über das Ruhrgebiet begann, war der verrußte „Kohlenpott“ schon nicht mehr der alte, aber auch noch nichts wirklich Neues. Am schmutzigen Horizont zeichnete sich ab, dass den Malochern allmählich die Arbeit auszugehen drohte, und so fing Brohm den Wandel in seinen „Ruhrlandschaften“ bewusst an den Rändern ein, dort, wo der Pott mit etwas Liebe als Naherholungsgebiet durchging. Auf seinen Bildern sieht man kaum Industrie, dafür Freibäder und Vergnügungsparks, voll besetzte Parkplätze, rollende Imbissbuden und zerfurchte Flusslandschaften, die mit Picknickkörben bewaffnete Familien der Natur abtrotzen. Auf einer schlicht „Bochum 1983“ betitelten Fotografie entspannen sie auf einer von schwerem Gerät durchpflügten Uferwiese, während sich zum Wasser hin Erdhaufen wie riesige Maulwurfshügel ausbreiten. So hauchte Brohm einem alten Ruhrgebietsklischee neues Leben ein: das geteilte Glück im Kleinen.

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Eine schöne Auswahl der „Ruhrlandschaften“ zeigt das Kölner Museum Ludwig jetzt in seinem Fotoraum, und wer will, kann in ihr bereits die Vorboten des heutigen, durch Jahre des Strukturwandels gegangenen Ruhrgebiets entdecken: halb schlafender Riese, halb Freizeitpark des Industriezeitalters. Zusätzliches Zeitkolorit bekommen die Bilder durch ihre an US-amerikanischen Vorbildern geschulte Farbgebung. Während die Farbfotografie Anfang der 80er Jahre im Privaten längst zu Hause war, gehörte sie in der Kunst noch den Pionieren – auch daher beziehen Brohms anonyme Massenszenen ihre erstaunlich intime Qualität.

Im Fotoraum zeigt das Museum Ludwig regelmäßig Schätze des eigenen Depots, durchaus mit dem Anspruch, aus diesen eine tendenziell vollwertige Ausstellung zusammenzustellen. Das gelingt nicht immer, weil selbst die riesige hauseigene Fotografische Sammlung nicht unerschöpflich ist und dann auch im kleinen Fotoraum frei bleibende Wände aufgefüllt werden müssen. In diesem Fall ist die Übung aber gut gelungen, zum einen, weil das Ludwig Auszüge einer weiteren Langzeitserie Joachim Brohms besitzt („Areal“ über den Wandel eines Münchner Industriegebiets), vor allem aber, weil es die „Ruhrlandschaften“ mit den rußgeschwängerten Bildern von Chargesheimer aus den 1950er Jahren abgleichen kann.

Auf den schwarz-weißen Aufnahmen des Kölner Fotografen ist das Ruhrgebiet noch das alte Kohlenrevier mit Fußballern vor Kühltürmen, Taubenschlag und von Gardinen verriegelten Fenstern. In den Kompositionen unterscheiden sich Brohm und Chargesheimer gar nicht so gravierend voneinander, denn auch der ältere Fotograf lichtet seine Stadtansichten oft wie Landschaften aus erhöhter Perspektive ab. Allerdings huschen die Menschen bei ihm durchs Bild wie Schatten durch eine Industriekulisse, und die Waschmittel -Werbung an einer Hauswand spricht ihrer öden Umgebung offen Hohn. Sieht man dann noch den kleinen Vorgarten, der eher einer Grabstätte gleicht, kann man verstehen, warum Chargesheimers Bilder im Ruhrgebiet als skandalös empfunden wurden.

Letztlich schrieb aber auch Chargesheimer am Mythos der Arbeitswelt mit; Joachim Brohm blickte auf diesen schon zurück.

„Joachim Brohm: Ruhrlandschaften 1981-83“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 27. September 2020

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