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Kölner Philharmonie„Ich hätte auch vor weniger Leuten spielen lassen”

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Der Intendant allein zu Haus: Louwrens Langevoort vor leeren Rängen in „seiner“ Kölner Philharmonie

  • „Es trifft uns besonders hart”, sagt Intendant Louwrens Langevoort über die Schließung der Kölner Philharmonie.
  • Im Interview spricht er über die immensen Verluste, die jetzt auf sein Konzerthaus zukommen und die Pläne, einige Konzerte im Livestream zu übertragen.

Köln – Herr Langevoort, die Stadt Köln hat wegen Corona neben Oper und Schauspiel auch die Philharmonie bis zum 10. April geschlossen. Haben Sie in Ihrer Berufslaufbahn etwas Vergleichbares schon einmal erlebt?

Dass der Spielbetrieb über einen ganzen Monat hinweg eingestellt wird, ein Totalausfall – nein, das ist für mich völlig neu.

Haben Sie mit dieser Entwicklung gerechnet?

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Ja, die Ahnung, dass es darauf hinauslaufen würde, ist mir allmählich gekommen. Es war dann am Ende nur eine Frage von Tagen, dass Deutschland auf dieselbe Linie einschwenkte, die in Österreich und Frankreich etwa auch gefahren wird.

Wie empfinden Sie denn die Schließung: als kleineren Unfall, als metaphysisches Großereignis, als endzeitliche Katastrophe?

Für einen Betrieb wie den unsrigen ist es eine sportliche Herausforderung, die man jetzt meistern muss. Wir sind hier ja bis jetzt nicht infiziert, so dass wir nicht das Leiden von anderen durchmachen müssen. Davon abgesehen ist es natürlich eine Katastrophe, wenn die Bewegungsfreiheit – auch die kulturelle – einer ganzen Gesellschaft über Wochen hinweg eingedämmt wird. Theater und Konzert betrifft das Verbot natürlich besonders hart, weil da viele Menschen zusammenkommen. Ich hätte zum Beispiel nichts dagegen gehabt, auch vor weniger Leuten spielen zu lassen – denken Sie an die kurzfristig gültige 1000-Personen-Regelung.

Die bis Mittwoch noch galt.

Ja, da ist man dem Schweizer Beispiel gefolgt, und unsere Schweizer Kollegen sind ein paar Wochen damit ganz gut gefahren. Jetzt haben die allerdings ihre Aktivitäten auch flächendeckend eingestellt.

Sie haben Verständnis für die radikale Maßnahme?

Es ist nicht an mir, das zu bewerten. Ich denke aber, dass sie richtig ist.

Sie wollen, wie zu hören ist, einen Teil der Ausfälle auffangen, in dem Sie die Konzerte in leerer Philharmonie stattfinden lassen und per Livestream im Internet übertragen. Das ist sicher besser als nichts und trotzdem eine sehr spezifische Situation.

Ja, das ist was Besonderes. Eigentlich ist es eine Situation wie bei einer CD-Aufnahme.

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Welches wären mögliche Kandidaten für den Livestream?

Hinsichtlich der kommenden WDR- und Gürzenich-Konzerte steht die Entscheidung noch aus. Auch wir werden weitere Möglichkeiten prüfen. Es gilt aber, die Auswirkungen der weiteren Krisenentwicklung abzuwarten. Wenn Schulen geschlossen werden, wird es vermutlich bald auch keine spielfähigen Orchester mehr geben, da die Musikerinnen und Musiker ihre Kinder betreuen müssen.

Das Ganze hat ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt, einen Verlustaspekt.

Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Corona-Pandemie um höhere Gewalt handelt, dann bleibt ein jeder auf seinen eigenen Kosten sitzen – auch der Künstler und der Ticketkäufer. Dagegen steht, dass wir in solchen Situationen natürlich den Leuten, die Karten gekauft haben, die Kosten erstatten.

Sie nehmen nichts ein ...

Der Verlust ist bei der Kölner Philharmonie deswegen besonders hoch, weil wir ein Gastspielbetrieb sind. Wenn ich Einnahmen mache, habe ich auch Ausgaben. Ich bleibe vor allem auf den Kosten für die Vorarbeiten sitzen – in der Werbung und Kommunikation zum Beispiel. Ich bleibe auf den Mietausfällen der Fremdveranstalter sitzen, wir haben unverändert hohe Personalkosten …

In welchen Defizitdimensionen denken Sie?

Das kann ich jetzt noch nicht genau beziffern – es hängt davon ab, wie lange diese Pandemie anhält. Wenn es um drei Wochen geht, komme ich schnell auf ein paar hunderttausend Euro.

Zur Person

Louwrens Langevoort wurde 1957 in Groningen in den Niederlanden geboren. Er ist seit 2005 Intendant der Kölner Philharmonie und und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH und wurde 2015 mit dem Kölner Kulturpreis geehrt. (ksta)

Wer gleicht den Verlust aus – aus eigener Kraft können Sie es ja wohl nicht?

Die Stadt wird sich mit vielerlei Forderungen konfrontiert sehen. Sicherlich wird man – das liegt auf der Hand – Notpakete schnüren müssen. Wir werden über all dies miteinander sprechen, wenn es so weit ist. Es geht dabei auch um Machbarkeit und Zumutbarkeit.

Was ist mit den ausfallenden Konzerten – werden die nachgeholt, mit der Maßgabe, dass Sie den Leuten ihre Karten nicht erstatten müssen?

Zum Teil werden sie nachgeholt, zum Teil werden sie ausfallen.

Sehen Sie irgendetwas Positives, das der Krise abzugewinnen wäre?

In Krisen werden Menschen vor große Herausforderungen gestellt und sind gezwungen, kreative Lösungen zu finden. Wir alle werden hoffentlich gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.

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