Kölner PhilharmonieGrigory Sokolov legte Beethoven goldene Handschellen an

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Grigory Sokolov

Köln – Da war der Wurm drin. Dreimal musste Grigory Sokolovs Kölner Klavierabend coronabedingt verschoben werden; im vierten Anlauf konnte er nun endlich stattfinden. Dass der Saal für diese Zeiten ungewöhnlich gut gefüllt war, mochte auch daran liegen, dass hier zum aktuellen Vorverkauf noch der Überhang aus den drei ausgefallenen Abenden kam.

Grigory Sokolov ließ dem Konzert sechs Zugaben folgen

Seine große Fangemeinde ist dem russischen Pianisten aber ohnehin unverbrüchlich treu; sie weiß, was sie von einem Sokolov-Abend erwartet und wurde auch diesmal nicht enttäuscht. Mit stoischer Miene kam der Meister aufs Podium; keine Regung, keine sichtbare Spur körperlicher Beteiligung begleitete den technisch perfekten, feinnervigen und klanglich vollendeten Vortrag - und mit gleicher Dulderhaltung ließ Sokolov noch sechs Zugaben folgen, von kernigem Brahms (Ballade op. 118/3) bis zu fragilem Skrjabin (Prélude op. 11/4).

Am Anfang des annoncierten Programms standen Beethoven Es-Dur-Variationen op. 35, die auf dem Finalthema der „Eroica“ basieren und zugleich von dessen markanter Struktur in Schach gehalten werden - andernfalls würde der bizarre Bagatellen-Reigen unter dem Überdruck seiner Einfälle auseinanderfliegen. Das Bedürfnis nach übergreifender Ordnung, nach kompromisslos klarer Artikulation, nach äußerster Plastizität im Kleinen und Kleinsten prägte Sokolovs Interpretation bis ins geradezu Pedantische hinein, dem hier allerdings eine eigene ästhetische Qualität zuwuchs: Sokolov führte den Rebellen Beethoven gleichsam in goldenen Handschellen vor - das musste man nicht mögen, aber es war so eigenwillig und konsequent durchgeführt, dass man sich der Faszination dieses Ansatzes kaum entziehen konnte.

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In den drei Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms kam dann auch der Klangmagier Sokolov zum Zuge. Er kann ja nun auch nichts anderes tun, als die Tasten des philharmonischen Steinway-Flügels in variabler Intensität niederdrücken - und doch gewann das Instrument unter seinen Fingern einen völlig eigenen, im Kern ganz puren und von einem leicht milchigen Strahlenkranz umgebenen Sound. Die ausgiebige Nutzung des linken Pedals (auch im Forte) trug zu diesem charakteristischen Silberton fraglos viel bei; mehr aber noch war es die Gewichtung der Linien und Stimmen untereinander, ein unendlich behutsames Finetuning, das Sokolov in jeder Note souverän kontrollierte.

Schumanns „Kreisleriana“ war wie mit der Radiernadel gezeichnet

Das machte er auch im Schlussstück, Schumanns „Kreisleriana“, die weniger durch generösen, saalfüllenden Schwung als durch den Reichtum der Farben und Schattierungen bezwangen. Der ungestüme Anfang, der so oft in wogendem Schwall versinkt, war hier in jeder Note durchhörbar; die gnomenhaften Scherzo-Passagen waren wie mit der feinsten Radiernadel gezeichnet. Besonders gebannt lauschte man indes da, wo Sokolov dieser skurril-phantastischen Romantik eine Seelenwelt von äußerster Innigkeit und Zartheit gegenüberstellte.

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