Vom 1. bis 15. MaiAcht Brücken-Festival im Livestream

Lesezeit 7 Minuten
Acht Brücken Festival

Das Festival mit 27 Konzerten und Musikfilmproduktionen wurde in diesem Jahr ins Internet verlegt.

In seiner elften Ausgabe widmet sich das Festival Acht Brücken | Musik für Köln unter dem Motto „Kosmos | Comic“ den Schnittstellen von zeitgenössischer Musik und sequenzieller Kunst, Comics, Graphic Novels, Illustrationen und Animationsfilmen. Pandemiebedingt wird die Veranstaltung mit 27 Konzertstreams und Musikfilmproduktionen weitgehend ins Internet verlegt.

Zwischen dem 1. und 15. Mai werden Konzert-Livestreams und Videopremieren mit insgesamt 17 Uraufführungen, Werken. Unter anderem von Richard Ayres, Gordon Kampe, Jennifer Walshe, Unsuk Chin, Frank Zappa, eine Comiclesung, Livemusik-Zeichnen sowie Stumm-, Animations- und Musikfilme mit neuer Musik kostenlos gesendet.

Die Filme und Konzertstreams sind nach der Erstausstrahlung noch 30 Tage in der Acht Brücken-Mediathek abrufbar. Die Sendetermine der Videostreams und Informationen zum Programm gibt es unter achtbruecken.de/Programm.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Richard Ayres: The Garden

The Garden

Illustration von Martha Colburn zu Richard Ayres: „The Garden“.

Dass Musik Bilder in uns wachrufen kann, ist jedem geläufig. In Richard Ayres‘ gut einstündigem „No. 50 (The Garden)“ ist es ein bisschen umgekehrt. „Der Garten der Lüste“, ein Gemälde von Hieronymus Bosch, ist der zentrale Bezugspunkt, daneben aber auch Dantes „Göttliche Komödie“. Bei der Suche nach dem tieferen Sinn gräbt sich ein Mann durch seinen Garten und kommt am Ende nur wieder bei sich selbst heraus. Ein groteskes Drama, tragikomisch und voll schwarzen Humors. Die ausgesprochen visuelle Musik wird ihrerseits von Bildsequenzen der Experimentalfilmerin Martha Colburn grafisch und szenisch untermalt. Das Ensemble Asko|Schönberg hat „The Garden“ für ACHT BRÜCKEN auf dem Gelände des niederländischen Blumenzwiebelproduzenten Molenaar BV inszeniert und um eine weitere Bildebene ergänzt: Drohnenaufnahmen von Tulpenfeldern und Musiker in riesigen Produktionshallen. „Kino zwischen den Ohren“ nennt es Richard Ayres.

Richard Ayres: No. 50 (The Garden) für Bass solo, Ensemble und Soundtrack. Text vom Komponisten, Worte von Dante, Leopardi, Shakespeare, Poe, Rossetti und anderen integrierend. Mit Visuals von Martha Colburn. Samstag, 1. Mai, 19 Uhr auf philharmonie.tv

Meanwhile, back at the Ranch...

Jennifer Walshie

Jennifer Walshe

Seinen Rhythmus finden, ihn behaupten und variieren und immer punktgenau auf die Mitspieler abstimmen. Dieses Vokabular lässt sich ohne weiteres von der Musik auf den Sport übertragen. Intuitiv war uns diese Beziehung immer bewusst, Annesley Black liefert nun den kompositorischen Beweis dazu. „Smooche de la Rooche II“ , ein Stück für drei sportive Schlagzeuger mit Springseil, Ausdauer, Elektronik und Wettkampfgeist. Zum Mannschaftsspiel tritt das Stuttgarter Ensemble Ascolta an. Martin Schüttlers „Boys Don‘t Cry“  ist namentlich auf die sieben Musiker zugeschnitten, „meanwhile, back at the ranch…“, haben sie 2005 ihrerseits bei der irischen Avantgarde-Komponistin, Multimedia- und Performance-Künstlerin Jennifer Walshe in Auftrag gegeben. Der Titel zitiert eine Standardphrase aus alten Stummfilmwestern und Comics, „mal eben sehen, was zu Hause noch so abgeht“. Aber eben nicht nur sehen, vor allem hören, was klanglich aus live projizierten Comiczeichnungen herauszulesen ist.

Werke Jennifer Walshe: meanwhile, back at the ranch... für sieben Performer und Image-Controller Martin Schüttler: Boys Don't Cry für Erik, Andrew, Florian, Julian, Boris, Markus und Hubert Annesley Black: Smooche de la Rooche II – Variations on a Theme by Hazel Meyer für drei athletisch begabte Schlagzeuger und Elektronik Mittwoch, 5. Mai, 18 Uhr auf philharmonie.tv

Happiness Seriousness – A Counterpoint

Animationsfilme mit neuer Musik und Positionen zur gesunden Wirtschaft

Klangforum Wien

Filmstill aus „Lickalike“

„Ja, aber die anderen zahlen doch auch keine Steuern. Ja, aber nach Mallorca kann man doch nicht mit dem Fahrrad fahren. Ja, aber..“ Alltägliche Rechtfertigungen gegen das Gebotene, nämlich die Zumutung, sich solidarisch zu verhalten und nachhaltig zu wirtschaften. Unter dem Motto „Happiness Seriousness – A Counterpoint“ haben Klangforum Wien und Künstler verschiedener Sparten ein Programm in fünf Kapiteln und einem Epilog rund um den ewigen Kampf zwischen Gier und Mitgefühl, Profitstreben und Gemeinsinn konzipiert. Ein hochaktuelles und zugleich uraltes Problem – Stimmkünstler David Moss beleuchtet es mittels einschlägiger Texte von der Antike bis zur Gegenwart. Einen Kontrapunkt bilden kurze poetische Meditationen, die sich nicht einordnen lassen und an das Eigenleben der Dinge jenseits aller Zweckbindung erinnern. Dazu fünf vom Ensemble eigens in Auftrag gegebene Kurzfilme zum Thema, eine Seiltänzerin und natürlich neue Musik – ein Abend über nichts Geringeres als die Natur des Menschen und die Zukunft der Welt.

Werke von Björn Wilker, Carola Bauckholt, Katharina Rosenberger, Eva Reiter, Rebecca Saunders, Ying Wang, Charles Ives, Iris ter Schiphorst und Michael Pelzel Donnerstag, 6. Mai, 20 Uhr auf philharmonie.tv

Richard Ayres/Paul Barrit: Strand | Guy Maddin, Evan und Galen Johnson: Stump the Guesser

Stump-the-Guesser

Bild aus dem Stummfilm „Stump the Guesser!“.

Camille Saint-Saëns gilt als der erste Musiker, der eine Originalkomposition für einen Film verfasst hat. Das war 1908. Seither sind Film und Musik eine symbiotische, sich gegenseitig inspirierende Beziehung eingegangen. Eine sehr offene Beziehung, auch ergebnisoffen, wie die junge Slowenin Nina Šenk und ihr Kollege Anthony Cheung aus San Francisco zeigen werden. Beide haben einen Score zu dem Stummfilm „Stump the Guesser“ des kanadischen Avantgarde-Filmers Guy Maddin und der Brüder Evan und Galen Johnson komponiert. Eine krude Fantasy-Story im Retrolook um einen Schausteller, der Mendels Vererbungslehre widerlegen will, um seine Schwester zu heiraten. Geht’s noch grotesker? Noch komischer? Vielleicht in der Uraufführung von „Strand“ des britischen Komponisten Richard Ayres und des Animationsfilmers Paul Barritt. Mittwoch, 5. Mai, 20 Uhr auf philharmonie.tv

Ernst Busch – der letzte Prolet

Comiclesung mit Livemusik

Der letzte Prolet

Comiclesung in drei Akten. Mit Texten, Zeichnungen und Video von Jochen Voit und Sophia Hirsch sowie Livemusik von Gordon Kampe.

Der Titel wirft Fragen auf, und gleich in mehrfacher Hinsicht. Prolet gilt heute als Schimpfwort, steht eher für einen Mangel an Kultur als einen Mangel an Einkommen und Vermögen. Zur Zeit der Weimarer Republik, als der gelernte Werkzeugmacher, Schauspieler und Sänger Ernst Busch zur Ikone des Sozialismus und Antifaschismus aufstieg, galt es als Adelsprädikat einer zu politischem Selbstbewusstsein gelangten Arbeiterklasse und Unterschicht zu gehören. In diesem Sinn wiederum fragt sich, warum nun Busch der letzte seiner Art gewesen sein soll. Der Historiker und Busch-Biograf Jochen Voit gibt überzeugende Antworten darauf. Plakativ, direkt und streitbar. Dabei durchweg eingängig und von hohem Unterhaltungswert. Geschichtsbetrachtung im musikalischen Comic-Format. Für die Kölner Uraufführung des Projekts durch das Stuttgarter Ensemble Ascolta und den Sänger Justin Caulley dienen die Texte von Voit und die Bildsequenzen von Sophia Hirsch als Ausgangsmaterial, die Musik stammt von Gordon Kampe. Ein Porträt? Eine Hommage? Graphic Novel! Mit Musik. Donnerstag, 6. Mai, 18 Uhr auf wdr.de/k/kulturambulanz

Drzava

Experimentalfilm für 8 Stimmen mit | ohne Verstärkung, Elektronik, Klarinette und Posaune

Drzvava

Eine föderale Volksrepublik der Künste.

„Država“ – das Wort bedeutet in den südslawischen Sprachen so viel wie „Staat“. Man kann es mit dem gescheiterten jugoslawischen Gemeinwesen in Verbindung bringen oder, wie es das Berliner Vokalkollektiv PHONIX16 tut, eine „komponierte Klangaktion in staatsgründenden Dimensionen“ danach benennen. Eine föderale Volksrepublik der Künste, die temporär statt territorial existiert – nämlich sobald und solange ihre Mitglieder sie durch künstlerischen Ausdruck proklamieren. Innerhalb dieses utopisch-grenzenlosen Gebildes sind Arbeiten der Genres Industrial, Noise, Film und Comic Art unter anderem aus dem ehemaligen Jugoslawien zu erleben, Kompositionen für Instrumente und Elektronik, aber für menschliche Stimmen bearbeitet und mittels Klangfilterung, experimenteller Mikrofonierung und vielem mehr neu aufbereitet. Wie heißt es doch gleich im Manifest der Volksrepublik: „Alle Künste sind gleich. Ausdruck kann nicht realistisch sein, er ist real. Fehler gibt es nicht.“ Sonntag, 9. Mai, 18 Uhr auf achtbruecken.de/Mediathek

Living Cartoon

Kollektiv3:6Koeln | Living Cartoon Duet

Living Cartoon

Stummfilm-Pianistin Camille Phelep und Schauspielerin und Synchronsprecherin Sophie Lavallee sind Living Cartoon Duet.

3:6 – die beiden Zahlen im Namen stehen für die „Fraktionen“ innerhalb des ungewöhnlichen Kölner Neue-Musik-Kollektivs: Sechs Instrumentalistinnen und Instrumentalisten gehören ihm an, aber auch drei Komponisten, die das Repertoire bereitstellen. Im Fall des neuesten Ensemble-Projekts könnte man sogar noch eine „2“ hinzufügen – für das „Living Cartoon Duet“, das dieses Mal mit den neun festen Mitgliedern kooperiert. Es wird gebildet von der Stummfilm-Pianistin Camille Phelep sowie der Schauspielerin und Synchronsprecherin Sophie Lavallee – die beiden kreieren schon seit Jahren originale Tonspuren für Zeichentrickfilme. Der gemeinsame Abend hat die Form eines animierten Bilderbuchs: Zwei Arbeiten des „Living Cartoon Duet“ finden sich darin, zwei durch sie inspirierte Kompositionen der festen Kollektiv-Mitglieder Georgia Koumara und Vladimir Guicheff Bogacz – und zum Schluss ein von allen gemeinschaftlich gestaltetes Stück.

Werke von Vladimir Guicheff Bogacz, Georgia Koumará, Living Cartoon Duet und Kollektiv3:6Koeln Montag, 10. Mai, 20 Uhr auf philharmonie.tv

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