Kölner Podcast „Busenfreundin“„Ich mag das Wort Lesbe nicht“

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Ricarda Hofmann in ihrem Lieblingscafé „Geschnitten Brot“ in der Südstadt.

Ricarda Hofmann in ihrem Lieblingscafé „Geschnitten Brot“ in der Südstadt.

Köln – Der perfekte Moment sieht anders aus: Anfang des vergangenen Jahres schmiss Ricarda Hofmann ihren sicheren Job hin – und machte sich als Comedy-Autorin und Podcasterin selbstständig. „Die ersten Monate waren gut“, sagt sie. „Und dann kam Corona“.

Doch während die Pandemie viele andere Solo-Selbstständige an den Rand des Ruins brachte, schaffte es die 33-Jährige, die in der Kölner Südstadt lebt, den Kopf über Wasser zu halten. Unter anderem weil die Sender mehr Content brauchten, weil die Menschen gerade viel zuhause rumsitzen und Fernsehen gucken.

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Außerdem gründete sie „aus der Not heraus“ eine Podcast-Agentur und berät Unternehmen. Mit dem boomenden Medium kennt sie sich bestens aus: ihren Podcast „Busenfreundin“ rufen inzwischen regelmäßig um die 140.000 Hörer im Monat ab. Dabei sind die Talk-Gäste sind so unterschiedlich wie die Themen – aber immer geht es auch um das Thema Homosexualität.

Ein Nischenthema, mit dem man nicht reich wird. Aber berühmt – zumindest ein bisschen. „Busenfreundin“ war 2020 für den „Deutschen Comedypreis“ nominiert. Und als sich eine befreundete Soap-Darstellerin im Podcast als bisexuell outete, ging der Name „Busenfreundin“ durch die Boulevardmedien von Gala und RTL bis Promiflash.

Das Wort „Lesbe“ mag Ricarda Hofmann nicht. Automatisch tauchen vor ihrem inneren Auge Klischee-Bilder von burschikosen Frauen mit raspelkurzen Haaren im Overall auf, erzählt sie. Man muss sie nur anschauen um zu wissen: In dieser Schublade hat sie nichts zu suchen. Ganz bewusst nicht. „Darum habe ich mir »Busenfreundin« ausgedacht – einfach symbolisch als neuen Begriff, den wir anders, frischer, neuer aufladen.“

Auch „Prince Charming“ Nicolas Puschmann war schon bei „Busenfreundin“ zu Gast. Die erste schwule Datingshow wurde mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet. „Wieso gibt es so etwas nicht für lesbische Frauen“, fragt sich Ricarda Hofmann.

„Lesbische Frauen gelten als nicht lustig“

Die Antwort kennt sie aus vielen Gesprächen mit Verantwortlichen aus dem TV-Geschäft: „Lesbische Frauen gelten als nicht lustig und unterhaltsam“. Schrill wie Hella von Sinnen sei meist die einzige Assoziation. „Deswegen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, dieses Bild zu ändern. Es muss mehr Diversität im deutschen Fernsehen geben.“ Auf dem Bildschirm genauso wie dahinter.

Als Comedy-Autorin ist Ricarda Hofmann auch eine Exotin. „Um da einen Fuß reinzukriegen, musst Du erst mal tausend Gags schreiben. Aber ich hatte so Lust dazu und ich habe superlange umsonst gearbeitet.“ Erst neben dem Studium und dann zusätzlich zu ihrem Job in der Kommunikationsabteilung eines großen Unternehmens. „Wenn auf einmal zehntausend Leute über Gags lachen, die ich geschrieben habe – das ist das schönste Gefühl, was man sich vorstellen kann.“

Treue Hörer und Hörerinnen

Deswegen ist ja auch ihr Podcast lustig – obwohl es immer wieder auch um ernste Themen wie Outing, Hate-Speech oder absurde Konversions-Therapien geht. Ihre treuen Hörer und Hörerinnen folgen ihr selbst bei den schrägsten Themen („Ist Bibi Blocksberg gay?“).

Die Menschen hinter den sozialen Medien

Wir sehen und hören sie jeden Tag: Auf Instagram, Twitter oder Youtube. Aber wer sind sind die Menschen hinter den Accounts, denen Zehntausende folgen? Warum posten sie Bikinifotos oder sprechen in Podcasts über intimste Details? Was treibt sie an, wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Das alles wollen wir in unserer Serie „Einflussreich“ herausfinden. Und dabei spannende Menschen, aber auch neue Medien-Inhalte kennen lernen.

Verbindlichkeit, sagt Ricarda Hofmann, sei ein wichtiger Grund für den Überraschungserfolg des Mediums: „Die Leute haben Lust, sich wieder auf etwas einzulassen. Sie mögen es, in einem Podcast jemanden über eine lange Zeit kennen zu lernen und bauen eine enge Bindung zu Dir auf.“

Seit mehr als zwei Jahren erlebt ihr Publikum sie in allen Lebenslagen „Die haben mich gehört, als ich kurz vorm Weinen war, als ich mich sehr gefreut habe, als ich mal wütend war.“

„Irgendwann hat niemand mehr abgesagt“

So wurden aus einer Hand voll Abrufe im Monat mit der Zeit 140 000. Und ob OB Henriette Reker, Luisa Neubauer (Fridays for Future-Aktivistin), Ruth Moschner (Moderatorin) oder Riccardo Simonetti (Entertainer) – „irgendwann hat niemand mehr abgesagt“, erzählt Ricarda Hofmann.

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Sie glaubt, dass die Auswahl der Talkgäste entscheidend für den Erfolg von „Busenfreundin“ ist. Aber sie sagt auch: „Ich möchte nicht so einen Promi-Interview-Podcast machen. Ab und zu ist Prominenz gut, auch für mehr Sichtbarkeit. Aber es ist mir wichtig, auch den Leuten eine Stimme zu geben, die sonst nicht die Möglichkeit haben, auf ihre Themen aufmerksam zu machen. Und da gibt es unfassbar viel Bedarf.“

Denn lesbisch oder schwul zu sein, das ist in einer Stadt wie Köln kein Aufreger mehr. Doch nur ein paar Kilometer weiter sieht die Lage schon ganz anders aus. „Ich kriege sehr viele Nachrichten von Frauen, die in ländlichen Gebieten leben oder in religiösen Kontexten. Die schreiben: »Ich kann mich nicht outen. Ich werde dann wahrscheinlich sterben müssen.« Und wenn ich sowas höre, dann sage ich mir immer: Du darfst mit dem Podcast nicht aufhören.“

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