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Kölner PopmusikpreisSchätzing gratuliert Arno Steffen, Engelke lobt AnnenMayKantereit

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Henning May (l.), Severin Kantereit und Anke Engelke

Köln – Bis vor kurzem, bekennt Anke Engelke, sei ihr der Holger-Czukay-Preis noch gar kein Begriff gewesen. „Ich bin wohl zu selten auf der funky Homepage der Stadt Köln unterwegs.“ Engelke hielt im Bürgerhaus Stollwerck die Laudatio auf die Hauptpreisträger des Popmusikpreises der Stadt Köln, AnnenMayKantereit. Einfach weil sie ein Fan des Trios aus Köln-Sülz sei: „Man glaubt alles, was man da hört. Alles ist persönlich.“

Es war das dritte Mal, dass der nach dem Can-Mitgründer Holger Czukay benannten und mit 15.000 Euro dotierten Preis vergeben wurde. Nach dem man mit Wolfgang Voigt und Mouse on Mars die beiden großen Antipoden des elektronischen Köln geehrt hatte, schien es der Pop-Jury nun an der Zeit, einen weniger avantgardistischen, dafür aber wahrhaft populären Act auszuzeichnen.

Zehn Jahre AnnenMayKantereit

Man mag es kaum glauben, doch es sind tatsächlich schon zehn Jahre vergangen, seit sich Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit, Klassenkameraden aus dem Schiller-Gymnasium, mit offenen Gitarrenkoffer auf die Kölner Straßen gestellt haben.

Ihr Weg führte steil bergauf, von der Ecke Ehrenstraße/Benesisstraße in die großen Hallen und Arenen. „Es ist AnnenMayKantereit gelungen“, begründet die Jury ihre Entscheidung, „Themen und Fragen der jüngeren Generation in ihren zumeist deutschsprachigen Liedern prägnant auf den Punkt zu bringen.“ Das konnte man zuletzt auf „12“, ihrem nachtschwarzen Corona-Album, nachhören. „Fühlt sich an, als wäre ich gestern 17 gewesen. Wie schnell kann man leben?“, singt Henning May dort in ungefilterter Lockdown-Depression. Man sei zu schnell seinem Traum nachgerannt. Doch „der Traum ist immer nur geliehen.“

Weshalb sich die Band — Christopher Annen fehlte am Sonntagabend wegen Krankheit — entschlossen hatte zurückzugeben: Ihr Preisgeld spendet sie an den neu gegründeten Förderverein Musikwirtschaft NRW, SOS Mediterranee und Arsch Huh.

Arno Steffen als missing link

Zu den Gründungsmitgliedern der Kölner Kampagne gegen rechte Gewalt gehört auch der diesjährige Ehrenpreisträger Arno Steffen. Ein mehr als würdiger Kandidat,  sozusagen das „missing link“ zwischen der Avantgarde und den Kölsch-Bands der Stadt. Er hob Ende der 1970er Jahre die Zeltinger Band („Müngersdorfer Stadion“) mit aus der Taufe, spielte in den 90ern mit Tommy Engel und Rolf Lammers als L.S.E. wunderbar verschmitzten Dialektrock („Die beste der kölschen Bands“, schätzt Steffens im Einspielfilm. Stinkt Eigenlob auch, wenn es ganz offensichtlich stimmt?).

Aber er performte auch mit Kunst-Provokateur Jürgen Klauke auf der Documenta und nahm zusammen mit Produzenten-Legende Conny Plank das Album „Schlager“ auf — eine der weltweit ersten Platten, die komplett aus gesampelten Klängen collagiert wurde.

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Von der stammt auch Steffens an diesem Abend häufig zitierter Zufallshit „Supergut“. Ebenso launig und herrlich flapsig fiel auch die Laudatio von Frank Schätzing aus. Der Bestsellerautor ließ vorm geistigen Auge des Publikums eine typische Südstadt-Szene entstehen: Schätzing beim späten Frühstück vorm Wippenbeck, Steffens, der auf einem winzigen Moped vorbeibraust: „Espresso, Arno? Geht nicht, muss arbigge!“ Ein Intellektueller der Herzen sei Arno Steffen, lobte Schätzing, ein melancholisch, frohsinniger Geist und unermüdlicher Kämpfer gegen das Mittelmaß.

Ob sein Preis eigentlich auch dotiert sei, scherzte der Ehrenpreisträger und brachte den gewohnt lässigen Moderator Carsten Schumacher an diesem Abend zum einzigen Mal in Verlegenheit. Wenn AnnenMayKantereit ihr Preisgeld spenden, hätte er auch gerne „ein bisschen Wurfmaterial“. Es blieb dann beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. 

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