Abo

Kolumne „Alles was Recht ist“Verfassungsschutz-Chef Haldenwang stigmatisiert die AfD

Lesezeit 4 Minuten
kolumnen-bertrams

Michael Bertrams

  • Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungschutz, Thomas Haldenwang, stigmatisiert mit seiner öffentlichen Ankündigung zur AfD die Partei.
  • Die Erklärung der Partei zum Prüffall der Verfassungsschützer könnte Wähler der Rechtspopulisten abschrecken.
  • Haldenwang macht damit Politik und das ist nicht seine Aufgabe.

Wer angenommen hat, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werde nach der Posse um seinen entlassenen früheren Präsidenten Hans-Georg Maaßen endlich aus den Schlagzeilen kommen, ist spätestens in der vorigen Woche eines Besseren belehrt worden. Da nämlich katapultierte sich der neue BfV-Präsident Thomas Haldenwang mit einem spektakulären Auftritt gezielt in die Schlagzeilen.

Auf einer Pressekonferenz in Berlin teilte Haldenwang der Öffentlichkeit mit, seiner Behörde lägen erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik der „Alternative für Deutschland“ (AfD) vor. Diese seien aber nicht hinreichend verdichtet, um eine systematische Beobachtung, auch unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, einzuleiten. Deshalb werde die Gesamtpartei AfD lediglich als „Prüffall“ bearbeitet.

Hinsichtlich der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) lägen dem Verfassungsschutz hingegen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine extremistische Bestrebung handele. Es gebe insoweit klare Anhaltspunkte für eine migrations- und insbesondere muslimfeindliche Haltung der JA.

Auch „Der Flügel“ des thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke biete hinreichend gewichtige Anhaltspunkte, diese Teilorganisation der AfD als eine extremistische Bestrebung zu betrachten.

Ausgesprochen problematischer Vorgang

Was auf den ersten Blick als ein routinemäßiges Agieren des BfV und seines Präsidenten erscheinen könnte, erweist sich bei näherer Betrachtung als ausgesprochen problematischer Vorgang. Es kann aus meiner Sicht zwar kein Zweifel daran bestehen, dass sich das BfV – wie Haldenwang auf seiner Pressekonferenz erklärt hat – bei seiner Bewertung der AfD als „Prüffall“ „streng an seinem gesetzlichen Auftrag orientiert“ hat.

Erhebliche Zweifel habe ich jedoch, ob es mit dem gesetzlichen Auftrag des BfV vereinbar war, der Öffentlichkeit im Vorfeld eines offiziell noch nicht erhärteten Extremismusverdachts mitzuteilen, man werde die AfD in Zukunft näher unter die Lupe nehmen.

Diese Zweifel ergeben sich für mich aus der Stellung des Bundesamts für Verfassungsschutz: Es ist eine zur politischen Neutralität verpflichtete staatliche Behörde. Selbstverständlich kann das BfV tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen nachgehen und prüfen, ob sie einen Extremismusverdacht rechtfertigen.

Das ist dem Amt nicht nur erlaubt, es ist vielmehr geradezu Daseinsberechtigung. Das Sammeln und Auswerten solcher Informationen gehört – wie die Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten – zu den Aufgaben, die das Bundesverfassungsschutzgesetz in seinem Paragrafen 16 dem BfV zugewiesen hat.

Öffentliche Mitteilung stigmatisiert Partei

Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob der BfV-Präsident öffentlich kundtun durfte, dass seine Behörde die AfD als „Prüffall“ behandelt. Schon die bloße Mitteilung einer solchen amtsinternen Entscheidung hat stigmatisierende Wirkung. In der Öffentlichkeit bleibt nämlich vor allem eines hängen: Die AfD wird vom Verfassungsschutz geprüft.

Kaum wahrgenommen wird hingegen, dass diese Prüfung lediglich der ergebnisoffenen Klärung dient, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine intensive, auch nachrichtendienstliche Mittel umfassende Beobachtung gegeben sind oder nicht. Mit anderen Worten: Bereits die Mitteilung, die AfD werde „geprüft“, hängt der Partei den Ruch des Extremismusverdachts an.

Angesichts dessen sind negative Folgen für die AfD – etwa in Form einer abschreckenden Wirkung auf potenzielle AfD-Wähler – nicht auszuschließen. Schon von daher erweist sich Haldenwangs Mitteilung als schwerwiegender Eingriff in die Rechte der Partei. Das ist meines Erachtens umso problematischer, als das Bundesverfassungsschutzgesetz die Kategorie „Prüffall“ im Unterschied zum „Verdachtsfall“ gar nicht kennt und es deshalb – soweit ersichtlich – bislang auch nicht zur Praxis des BfV gehört hat, die Öffentlichkeit über amtsinterne Entscheidungen zur Prüfung einer politischen Partei zu unterrichten.

Ich bin also der Auffassung, dass es dem BfV-Präsidenten als staatlichem Amtsträger nicht zustand, die AfD öffentlich zum „Prüffall“ zu erklären. Und ich kann nachvollziehen, dass sich die AfD dagegen juristisch zur Wehr setzen will.

In Betracht kommt eine Anrufung des Verwaltungsgerichts mit dem Ziel, die öffentliche Mitteilung „Prüffall“ für rechtswidrig erklären zu lassen. Die diesbezüglichen Hürden sind jedoch hoch. Das gilt auch für einen Gang zum Bundesverfassungsgericht. Ob dieser Weg mit Blick auf eine Minderung der AfD-Wahlchancen erfolgreich sein könnte, wage ich nicht vorherzusagen.

Demokratiefeindliche, rassistische Partei

Deutlicher werden kann ich, was die AfD als Partei betrifft. Als pensionierter Richter unterliege ich hier im Unterschied zum BfV-Präsidenten keiner Beschränkung. Als Kolumnist habe ich im Rahmen der Meinungsfreiheit vielmehr das Recht, nicht nur eine Prüfung der AfD durch den Verfassungsschutz zu begrüßen, sondern darüber hinaus auch zu erklären, dass ich die AfD mit Blick auf zahllose Äußerungen führender Funktionäre für eine demokratiefeindliche, rassistische Partei halte.

Sollte der Verfassungsschutz am Ende seiner Prüfung zum selben Ergebnis kommen, wäre ich nicht nur nicht überrascht, sondern sogar zufrieden. Aber bis dahin erwarte ich, dass das Amt einfach nur seine Arbeit macht – und keine Politik.  

KStA abonnieren