Kommentar zu Auftritt bei Corona-DemoFlorian Schroeder gelingt ein Kunststück

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Florian Schröder 100820

Florian Schroeder

  • Ein Auftritt des Kabarettisten Florian Schroeder auf der „Querdenken“-Demo am Samstag in Stuttgart sorgt für viel Diskussionsstoff.
  • Schroeder wollte nach eigenen Angaben „die Grenzen der Meinungsfreiheit“ austesten.
  • Das ist ihm auf geschickte Weise gelungen. Ein Kommentar.

Florian Schroeder ist am Samstag bei der Kundgebung von „Querdenken 711“ aufgetreten. Das Video seiner Rede ruft seitdem zahlreiche Reaktionen hervor, mehr als 360.000 Mal wurde es bis Montagmorgen bei Youtube aufgerufen. Das große Echo ist vollkommen gerechtfertigt, denn Schroeder gelingt ein Kunststück.

Das muss man erstmal hinbekommen: Menschen, die ein vollkommen anderes Weltbild als man selbst vertreten, ein Weltbild, das konträr jeder seriösen wissenschaftlichen Expertise ist, das vielen als indiskutabel gilt, zumindest für den Moment ernstzunehmen und nicht ins Lächerliche zu ziehen oder niederzumachen. Schroeder begibt sich auf eine Ebene mit seinem Gegenüber und gleitet dennoch nicht ins Triviale oder gar Platte ab. Im Gegenteil: Der Kabarettist schleudert seinen Zuhörern ein Feuerwerk der Argumente entgegen. Formvollendet im schwarzen Anzug bei Gluthitze, mit stets höflicher Ansprache.

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Zunächst bedankt er sich für die Einladung der Organisatoren und startet mit ein paar Kalauern. Dann spricht er von den „1,3 Millionen Kundgebungs-Teilnehmern“ kürzlich auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Das kommt natürlich gut an, allerdings hätte sein Publikum hier schon misstrauisch werden müssen. Anschließend wechselt Schroeder ziemlich schnell zu Stuttgart, Hegel und der Dialektik. Geschickt ködert der Kabarettist sein Publikum mit Fragen, wie: „Wollt Ihr die totale Meinungsfreiheit?“ Großer Jubel, aber dann die Ernüchterung, dass Schroeder das Masketragen als wichtigstes Instrument zur Wahrung der Freiheit sieht. So geht es weiter, und unter den Zuschauern herrscht merkbar Verwirrung, auf wessen Seite Schroeder denn nun eigentlich steht. Erst in der zweiten Hälfte seiner Rede findet Schroeder zu eindeutigen Worten, die vom Publikum mit Buhrufen quittiert werden – der Chor scheint aber weniger laut zu sein als am Anfang.

Florian Schroeder eckt an

Allen, die der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Corona-Leugnern und Aluhut-Trägern jegliches Recht absprechen, dürfte die Aktion nicht besonders gefallen haben. Schroeder eckt an, auch im linken Lager: Als sein Kollege Dieter Nuhr im vergangenen Jahr wegen seiner Greta-Thunberg-Witze den Zorn vieler Klima-Aktivisten und ihrer Anhänger auf sich zog, schrieb Schroeder eine lange Verteidigungsschrift im „Tagesspiegel“ gegen die „linksliberale, selbst erklärte weltoffene Seite der Macht “.

Ob ihm der Großteil seiner Stuttgarter Zuhörer intellektuell folgen kann, sei dahingestellt. Es lohnt sich im Übrigen, diesen Auftritt mehrmals zu schauen. Aber es ist eine ernsthafte Auseinandersetzung, ein Versuch, selbst wenn er damit sicherlich keine eingefleischten Anhänger von Verschwörungsmythen überzeugen kann. Wenn das Kabarett zu einer Veranstaltung verkommen ist, in der man nur noch zu den Bekehrten spreche, wie es Schroeder im „Tagesspiegel“ formuliert, dann hat er mit seinem Auftritt in Stuttgart das Gegenteil bewiesen. Chapeau!

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