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Kommentar zu Kollegah und AntisemitismusGeschäftstüchtige Gangsta passen gut zum Echo

Lesezeit 3 Minuten
Kollegah (inks) und Farid Bang

Kollegah (inks) und Farid Bang

  • Die Rapper Kollegah und Farid Bang sind beim Echo in zwei Kategorien nominiert.
  • Der Vorwurf des Antisemitismus bezieht sich auf die Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ aus dem Song „0815“.

Köln – Der Düsseldorfer Gangsta-Rapper Kollegah sieht sich als Opfer einer Hetzkampagne. Und wer hetzt gegen den "Boss der Bosse"? Die Mainstreammedien. Die, klagt Kollegah in einer achtminütigen Youtube-Schimpftirade, überzögen ihn und seinen Rap-Kollegen Farid Bang mit ungerechtfertigten Antisemitismus-Vorwürfen.

Anlass ist die Echo-Verleihung am kommenden Donnerstag. Kollegah und Farid Bang gehören in zwei Kategorien zu den Nominierten, unter anderem für das "Album des Jahres". Der Echo ist der Musikpreis der Deutschen Phono Akademie, der Interessengemeinschaft der deutschen Musikwirtschaft. Die Nominierten werden hier nicht, wie etwa bei den Grammy-Awards, von den Mitgliedern der Akademie ausgewählt. Sie reflektieren einfach die Verkaufszahlen des Vorjahres.

"Jung, brutal, gutaussehend 3", das, richtig geraten, dritte gemeinsame Album von Farid Band und Kollegah ist zwar erst im Dezember 2017 erschienen, belegt trotzdem den vierten Rang in den deutschen Verkaufscharts des Jahres. Zusammen mit dem Album erschien eine Bonus-CD namens "§ 185 EP", der entsprechende Paragraf behandelt im Deutschen Strafgesetzbuch den Tatbestand der Beleidigung.

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Im Track "0185" beschreibt Farid Bang seine durchtrainierte Erscheinung mit folgender Zeile "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen". Diese und auch andere Zeilen - zum Beispiel "Nach einem Schlag denkst du, dich hätt' ein Lkw überfahr'n/ Als wärst du auf'm Weihnachtsmarkt" - führten zu einem "Bild"-Artikel und in der Folge zu einer öffentlichen Diskussion. Die Phono-Akademie schaltete daraufhin den Echo-Beirat ein. Der war 2014 nach der umstrittenen Nominierung eines Albums der Band Frei.Wild ins Leben gerufen worden. Den Südtirolern wird Nähe zur rechten Szene nachgesagt.

Künstlerische Freiheit geht vor

Nun hat dieser Beirat im Fall Kollegah und Farid Bang entschieden: Im Song "0815" werde die künstlerische Freiheit nicht so wesentlich übertreten, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre. Auch, wenn es sich um einen Grenzfall handle. Nicht nur bleibt "Jung, brutal, gutaussehend 3" für den Echo nominiert, die "sehr erfolgreichen Künstler" werden auch auf der Verleihung auftreten, die live auf Vox übertragen wird, einem Mainstreammedium.

Zwar übernimmt der Beirat ausdrücklich nicht Kollegahs Argumentation, dass es sich bei Zeilen wie "Mit dem Sprengstoffgürtel auf das Splash-Gelände/ In die Menschenmenge und kill sechzig Menschen" um typische Übertreibungen des Battle-Raps handelt - beim Battle-Rap wird der Gegner mit möglichst krassen Beleidigungen überzogen.

Aber er weist doch darauf hin, "dass nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen Bereichen der Kultur, wie in Film, Theater und Malerei, eklatante Tabubrüche zunehmend zu den Merkmalen der Kunstfreiheit gehören". Was als besorgnisheischende Generalentschuldigung für alles - auch für die Auschwitz-Zeile - wohl ein noch viel tumberes Argument darstellt.

Bei Kollegah schon früher antisemitische Tendenzen

Tatsächlich gibt es antisemitische Tendenzen in der deutschen Rap-Szene. Bei Kollegah häuften sich über die Jahre die Indizien an, von der Verbreitung dumpfer Weltverschwörungstheorien mit jüdischen Hintermännern über die gedankliche Nähe zu Holocaust-Leugnern wie dem islamischen Kreationisten Harun Yahya.

Man könnte auch schlicht feststellen, dass es Kollegah und Farid Bang völlig egal ist, was sie so daherrappen, so lange es Aufmerksamkeit erregt, die sich in Plattenverkäufe übersetzt. Insofern passen die geschäftstüchtigen Gangsta bestens zum Echo, bei dem Verkaufszahlen noch stets ethische Bedenken geschlagen haben.

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