Kommentar zu Lindemanns Vergewaltigungs-LyrikDiese Kunst will abstoßend sein

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Rammstein_Konzert

Sänger Till Lindemann während eines Auftritts seiner Band Rammstein in Gelsenkirchen.

  • In dem Gedicht „Wenn du schläfst“ beschreibt der Sänger die Vergewaltigung einer betäubten Frau.
  • Besonders im Netz werden Lindemann und sein Verlag Kiepenheuer & Witsch für diese Lyrik scharf kritisiert.
  • Darf Kunst alles? Ein Kommentar.

Köln – Inzest, Pädophilie, Kannibalismus, Gewalt – die Liste der Tabu-Themen, an denen sich Till Lindemann als Rammstein-Frontmann und Solokünstler in seiner Karriere schon abgearbeitet hat, ist lang. Da verwundert es fast ein bisschen, dass sein jüngst bei Kiepenheuer & Witsch erschienener Gedichtband für so viele Schlagzeilen sorgt.

„Schlaf gerne mit dir wenn du träumst / Weil du alles hier versäumst / Und genau so soll das sein (so soll das sein so macht das Spaß) / Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas) / Kannst dich gar nicht mehr bewegen / Und du schläfst / Es ist ein Segen“, heißt es etwa im Gedicht „Wenn du schläfst“. Vergewaltigungen, noch so ein Thema aus Lindemanns Provokations-Bauchladen. 

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Eine weitere Kostprobe gefällig? „Am Strand am Strand / Auf einem Stein / Sitzt ein erregter Mann / Und zwar so / Dass man die Erregung sehen kann // Was macht er da, was macht er da / Er schaut die jungen Mädchen an / Sie sind nackt / Er ist alt / Ihm wird heiß / Den Mädchen kalt“ Und in dem Gedicht „Tiefer geht nicht" heißt es: „Und wegen dieser blöden Fotze / Erstick ich fast an meiner Kotze". Willige Männer, unwillige Frauen. Das scheint ein ewiger Inspirations-Quell für Lindemann zu sein. 

Heftiger Gegenwind

Der Gegenwind, den Autor und Verlag für diese „100 Gedichte" ernten, ist gewaltig. Helge Malchow weist im Namen von KiWi die Vorwürfe mit dem Argument zurück, die Kritiker verwechselten Lindemann und das lyrische Ich. Das ist vermutlich richtig, macht Lindemanns lyrische Ergüsse allerdings nicht besser. Kunst darf und muss manchmal wehtun. Aber diese Kunst kennt keine Brüche, regt nicht zur Auseinandersetzung an. Sie will einfach nur abstoßend sein. 

Ja, Till Lindemann darf sein lyrisches Ich diese Zeilen sagen lassen. Ja, KiWi darf das Buch drucken. Aber gute Lyrik wird aus diesen schmierigen, testosterongetränkten Altherren-Fantasien deshalb noch lange nicht. Nicht jeder Tabubruch ist Kunst. Und ein Künstler, dessen einziges künstlerisches Mittel die fortwährende platte Provokation ist, sollte vielleicht mal über seinen Kunstbegriff nachdenken.  

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