Abo

Kristin Scott-Thomas im Interview„Männer haben oft eine andere Herangehensweise“

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Kristin Scott Thomas (l) als Kate und Sharon Horgan als Lisa in einer Szene des Films "Mrs. Taylor's Singing Club"

  • Kristin Scott-Thomas wurde gleich für ihren ersten Kinofilm – das Musikdrama „Under the Cherry Moon“ – als schlechteste Nebendarstellerin des Jahres 1986 nominiert.
  • Doch seither hat sich die Karriere der Britin prächtig entwickelt. Mit Polanskis „Bitter Moon“ und neben Hugh Grant in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ wurde sie berühmt, für „Der englische Patient“ gab es eine Oscar-Nominierung.
  • Im Interview spricht sie über ihren aktuellen Film „Mrs. Taylor’s Singing Club“, Männer am Filmset und Feminismus.

Miss Scott-Thomas, singen Sie gerne? Oh ja, sehr gerne sogar. Was nicht unbedingt heißt, dass andere meinen Gesang genauso schätzen.

Tatsächlich? Was Sie in Ihrem neuen Film „Mrs. Taylor’s Singing Club“ zum Besten geben, klingt doch sehr gut!

Dafür habe ich natürlich geübt. Und ich kann nicht leugnen, dass das für mich der größte Reiz war bei diesem Film: mal wirklich mit Innbrunst vor der Kamera singen zu dürfen. Gerade der Chorgesang hat besonders viel Spaß gemacht. Wenn alles zusammenkam und bei allen gut lief, dann merkte man richtig, wie sich die Stimmung zwischen uns veränderte. Dann konnten wir uns alle während des Singens das Grinsen nicht mehr verkneifen, vor allem in der Royal Albert Hall.

Im Film lästern Sie über Karaoke. In echt auch?

Ja, das ist tatsächlich das einzige, was ich mit meiner Filmfigur gemeinsam habe. Karaoke finde ich entsetzlich und verstehe null, warum die Leute das lieben. Warum sich selbst freiwillig dieser Peinlichkeit aussetzen? Mich jedenfalls bringen keine zehn Pferde dazu, Karaoke zu singen. Nur für Pedro Almodóvar habe ich mal eine Ausnahme gemacht.

Wann war das denn?

Das war 2013, in Berlin, im Rahmen der Verleihung des Europäischen Filmpreises. Pedro war da mit dem Team seines Films „Fliegende Liebende“, alle waren gut drauf und sangen. Ich war ganz schön betrunken, und irgendwann habe ich tatsächlich mitgesungen. Das hat ausnahmsweise dann doch Spaß gemacht. Aber die Spanier wissen auch einfach, wie man tolle Partys feiert.

Im Film spielen Sie die Ehefrau eines Offiziers, kommen aber auch selbst aus einer Militärfamilie. Sowohl Ihr Vater, Ihr Stiefvater und Ihr Onkel etwa waren alle bei der Royal Navy. Haben Sie je den Alltag auf einem Militärstützpunkt erlebt?

Wir haben in der Tat mal anderthalb Jahre in einer solchen Basis gelebt. Das war natürlich anders als im Film, wo die Männer tatsächlich in den Krieg müssen. Ich habe damals nur Friedenszeiten miterlebt. Allzu viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an diese Zeit, denn ich war da fünf Jahre alt. Aber ich weiß noch, wie seltsam es war, dass alle Häuser exakt gleich aussahen. Zum Teil sogar von ihnen, weil alle aus dem gleichen Lager ihre Möbel mieteten. Im Rückblick würde ich aber übrigens sagen, dass es einen direkten Bezug zu meinem Army-Hintergrund und meinem heutigen Job gibt.

Wie meinen Sie das?

Mir ist das schon öfter aufgefallen, dass es erstaunlich viele Schauspielerinnen und Schauspieler gibt, die aus Militärfamilien kommen. Die Gemeinsamkeit ist das nomadenhafte Dasein, der Verzicht aufs Sesshaftsein. Dass ich das schon als Kind miterlebt habe, hat mich sicherlich darauf vorbereitet, dass ich heute in meinem Beruf eine Nomadin sein muss, auch im übertragenen Sinne, nämlich mit meinem Geist.

Mal muss diese Person sein, mal jene, muss mich immer wieder neuen Situationen anpassen und mich in bestehende Strukturen etwa eines Filmteams einpassen. Das ist dem militärischen Alltag wirklich gar nicht so unähnlich. Und kaum hat man sich irgendwo integriert und eingelebt, bricht man auch schon wieder die Zelte ab und es geht auf zum nächsten Einsatz.

Sie haben mal gesagt, ein so genannter Mädelsabend oder überhaupt eine rein weibliche Clique sei Ihre Version der Hölle...

Stimmt, das habe ich gesagt. Nur unter Frauen zu sein, das war nicht zuletzt nach meiner Zeit an reinen Mädchenschulen für mich wirklich nichts, worauf ich besonders viel Lust hatte. Ich muss allerdings tatsächlich sagen, dass die Arbeit an „Mrs. Taylor’s Singing Club“ mich da wirklich etwas verändert hat. Wir hatten einfach sehr viel Spaß. Und tatsächlich musste ich feststellen, dass die Atmosphäre bei der Arbeit doch eine ganz andere ist, wenn man am Set von so vielen Frauen umgeben ist. Die Stimmung war viel weniger kompetitiv.

Mit männlichen Kollegen ist das anders?

Glauben Sie mir: ich hatte keine Ahnung von männlichem Konkurrenzgebaren bis ich mal einen Film mit drei Männern als Ko-Stars gedreht habe. Wir hatten praktisch alle Szenen zusammen, aber es war wirklich fast ein Ding der Unmöglichkeit, sich da irgendwie durchzusetzen. Sie versperrten mir teilweise buchstäblich den Weg vor die Kamera, wenn ich eigentlich auf meine Markierung treten sollte.

Von solchem Verhalten konnte jetzt bei meinen Kolleginnen kein bisschen die Rede sein. Wir wollen es hier ja mal nicht übertreiben mit den weitreichenden Verallgemeinerungen. Aber alles in allem haben Männer doch oft eine andere Herangehensweise und Mentalität. Sie wollen Dinge erobern, was uns Frauen oft eher fremd ist, denke ich.

Wo wir gerade beim Thema Männer und Frauen sind: vergangenes Jahr fungierten Sie als Präsidentin beim Women’s Forum For The Economy & Society, dem Treffen der weltweit führenden Plattform für die Ansichten von Frauen zu sozialen und wirtschaftlichen Aspekten. Wie kam es dazu?

Ich wurde ganz einfach gefragt. Wobei ich beim ersten Anruf noch sicher war, dass sich da jemand verwählt hat. Ich hielt die Anfrage für einen Fehler, schließlich sah ich mich nicht als Feministin. Doch dann nahm ich an einem ersten Treffen teil und merkte schnell, dass ich all die Anliegen, um die es den Frauen ging, doch nur allzu gut nachvollziehen konnte und sehr vertraut war mit den Herausforderungen, von denen dort berichtet wurde.

Sie waren eben doch eine Feministin?

Genau das stellte ich fest. Nicht umsonst hatte ich oft genug laut geflucht, wenn ich im Autoradio wieder davon hörte, wie junge Mütter im Job benachteiligt werden. Oder mich tierisch aufgeregt, wenn mir zu Ohren kam, dass männliche Kollegen für den gleichen Job besser wurden als ich. Ich hatte mir nur nicht genug Gedanken darüber gemacht.

Mein Feminismus-Begriff war noch sehr verbunden mit dem Verbrennen von BHs und der Frauenbewegung der Sechziger Jahre. Und deren Ziele, so dachte ich zumindest, waren doch erreicht. Ich ging naiverweise davon aus, dass die Glasdecken durchbrochen worden seien und Gleichberechtigung, auch in Sachen Bezahlung, eigentlich erreicht war. Doch ich hatte mir nie die Mühe gemacht, genau hinzusehen, auch über den westlichen Tellerrand hinaus.

Das könnte Sie auch interessieren:

Welche Erkenntnis hat Sie am meisten erschüttert?

Es gab so viele Fälle von Ungerechtigkeit und Diskriminierung, bei denen ich nicht wahrhaben wollte, dass allein das Frausein die Ursache dafür war. Heute weiß ich es besser. Und allein was die Verwendung von Sprache angeht, habe ich dank des Forums wirklich enorm dazugelernt. Wenn zum Beispiel je ein Mann und eine Frau ein Unternehmen gründen und dafür ein Bankdarlehen bekommen wollen, kann man davon ausgehen, dass ihnen ganz unterschiedliche Fragen gestellt werden. Während der Mann in der Regel darlegen soll, was das Erfolgsversprechende an seinem Projekt ist, muss die Frau beweisen, warum ihres nicht scheitern wird.

Da steht von vornherein das Negative im Vordergrund. Was natürlich einhergeht damit, wie wir schon als kleine Mädchen erzogen werden: bloß nicht zu selbstbewusst auftreten, immer bescheiden sein, sich selbst stets hinterfragen. Daran wird zum Glück allmählich gerüttelt. Aber ich fürchte, es wird noch mindestens eine Generation dauern bis wir von echter Veränderung sprechen können.

KStA abonnieren