Kritik zum „Tatort“Til Schweiger versucht es mal wieder auf die sanfte Tour

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Tatort Tschill Out (1)

Yalcin (Fahri Yardim) und Nick (Til Schweiger) müssen Patti (Laura Tonke) überzeugen, dass Tom (Ben Münchow) ein paar Tage auf Neuwerk bleiben darf.

Köln – Ich hatte mich auf meinen ersten Nick-Tschiller-„Tatort“ gefreut und mir das Ganze als eine absurd-amüsante Mischung aus James Bond und „Alarm für Cobra 11“ ausgemalt. Stattdessen verpasste Til Schweiger seinem LKA-Haudrauf einen traurigen Hundeblick mitsamt mittelschwerer Sinnkrise und versetzte ihn zur Strafe für zahllose Amtsvergehen auf eine Elbinsel.

Hier schlug Tschiller die Zeit als Aushilfe in einem Heim für Problemjugendliche tot und überließ seinem von Fahri Yardim gespieltem Sidekick Yalcin Gümer die Hamburger Unterwelt. Selbstredend kommt der nicht ohne die Hilfe seines großen Bruders klar und setzt auf der Flucht vor einem Auftragsmörder den Kronzeugen in einem Darknet-Drogenfall auf Tschillers einsamem Watteiland ab.

Til Schweiger und seine Seelenqualen

Zur Abwechslung und nach dramatisch gesunkenen „Tatort“-Quoten versuchte es Til Schweiger also mal wieder auf die sanfte Tour. Das funktioniert zu Beginn mehr schlecht als recht, weil auch Falten und zusammengekniffene Augen aus ihm keinen Charakterdarsteller machen und Tschillers Seelenqualen ungefähr so überzeugend wirken wie die Gewissensbisse von Arnold Schwarzeneggers Terminator.

Dafür ist die von Eoin Moore inszenierte Krimihandlung nicht nur solides Handwerk, sondern für „Tatort“-Verhältnisse geradezu clever eingefädelt. Am Ende stellt sich heraus, dass es statt um Drogenhandel um einen internationalen Pädophilenring geht, der von Hamburg aus Kinderpornos in alle Welt verschickt. Auf diese Wendung musste man erst mal kommen, Eoin Moore, Regisseur und Co-Drehbuchautor, hält sie jedenfalls geschickt zurück.

Tatort: Das bleibt von „Tschill Out“ hängen

Soll man deshalb sagen, dass dieser „Tatort“ ein gesellschaftliches heißes Eisen anfasst und souverän in eine Krimihandlung verpackt? Von „Tschill Out“ bleibt vor allem hängen, dass Pädophilie in allen Gesellschaftsschichten vorkommt und sich alle darauf einigen können, dass Kinderschänder das Letzte sind. Immerhin hält Tschiller den Darknet-Drogenhändler davon ab, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen und den Haupttäter einfach zu erschießen.

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An den Darstellern gab es wenig auszusetzen, wenn man keine übertriebenen Ansprüche an einen ARD-Sonntagabend hegt. Schweiger hat nie behauptet, ein guter Schauspieler zu sein, aber als Typ hat er Meriten. In seinen romantischen Komödien spielt er den Macho zum Knuddeln, harte Schale, weicher Kern und mit der Gabe gesegnet, über die eigene Dusseligkeit lachen zu können. Als „Tatort“-Actionfigur kam diese Seite stets zu kurz, weshalb man dieses Mal geradezu aufatmet, wenn Schweiger mit Laura Tonke in den linkischen Liebesnahkampf geht.

Regisseur Eoin Moore spannt seine Tochter ein

Über Fahri Yardim braucht man nicht mehr zu wissen, als dass er einer Witzfigur die nötige Würde verleiht und einen überzeugenden Hamburger Dösbaddel abgibt. Hübsch anzusehen ist vor allem sein Gekabbel mit LKA-Kollegin Robin Pien, gespielt von Zoe Moore, der Tochter des Regisseurs (seine Kinder einzuspannen war ja auch lange Schweigers Erfolgsrezept).

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Pien sieht aus, als würde sie beim LKA ein Schulpraktikum absolvieren, und wird von den Männern auch genau so behandelt („In Deckung, Mädchen“, ruft ein Streifenpolizist, bevor es ihn bei einer Schießerei dann selbst erwischt). Aber natürlich ist sie schlauer und effektiver als der ganze Männergesangsverein zusammen.

Am Ende habe ich nicht das bekommen, was ich mir erhoffte. Aber beschweren kann ich mich darüber eigentlich nicht.

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