Künstler in der Corona-KriseSo erlebt die Kölner Malerien Julia Gruner die Pandemie

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Julia Gruner in ihrem Atelier

Julia Gruner in ihrem Atelier

Köln – Soll man Julia Gruner als Malerin bezeichnen? In ihrem Atelier gibt es jede Menge Farbdosen und Pinsel, aber was Gruner mit ihnen macht, geht über das, was man gemeinhin als Malerei bezeichnet, dann doch weit hinaus. Eines Tages stellte sie nämlich fest, dass moderne Acrylfaben nichts anderes als flüssiger Kunststoff sind und irgendwann zu Farbklötzen gerinnen. Keine neue Erkenntnis, aber Gruner entwickelte daraus eine eigene Kunstform. Sie legt so lange Farbschichten übereinander, bis sich die Farbe wie eine Plastikplane von der Wand abziehen lässt. Anschließend verarbeitet sie das fest gewordene Material, schneidert Mäntel, Tüten und Vorhänge oder stopft sie, wie jetzt gerade, zu Kissen aus.

Mit ihren Farbskulpturen will Gruner den Kreislauf des Malens schließen und zeigen, wie Farbe entsteht; etwas Festes wird flüssig und dann wieder fest. An ihren Planen arbeitet sie etwa eine Woche, mindestens acht Schichten braucht es für die notwendige Haltbarkeit. Bis Gruner diesen Dreh raus hatte, dauerte es einige Zeit. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Es gibt wenige Künstler, in deren Arbeiten die Materialität der Farbe auf ähnliche Weise greifbar wird. Und Gruner zeigt ganz nebenbei, dass Kunst in der modernen Malerei von Kunststoff kommt.

Wir treffen Julia Gruner im Deutzer Atelierhaus Quartier am Hafen, wo sie Wand an Wand mit anderen Künstlern arbeitet. Aus ihrem Fenster sieht man in der Ferne den Dom, die Südbrücke und reichlich Industriegebiets-Tristesse. Gruner gehört zu jenen Künstlern, die schon einen Namen am Kunstmarkt haben und regelmäßig ausstellen. Aber die in Gelddingen kein sorgenloses Leben führen. Wie also ist sie bislang durch die Pandemie gekommen?

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Im Grunde gut, sagt Julia Gruner, aber eben auch nur, weil es „viele tolle Corona-Förderprogramme sowohl vom Land NRW als auch vom Bund“ gegeben habe. „Ohne diese Programme“, sagt sie, „hätte ich die Pandemie finanziell schon deutlich gespürt. Das wäre problematisch geworden.“ Die Förderbürokratie habe sie ganz unterschiedlich erlebt, manchmal völlig unkompliziert, manchmal aber auch sehr schwierig. „In den FAQs eines Förderprogramms stand zum Beispiel, dass man ohne einen schnellen Internetzugang schlechtere Chancen auf ein Stipendium habe, weil die nach dem Prinzip ‚Wer zuerst kommt…‘ vergeben werden.“

Am deutlichsten habe die Pandemie Spuren bei den Ausstellungen hinterlassen. Am Anfang, so Gruner, „wurden viele Ausstellungen aufs nächste Jahr verschoben, weil damals alle dachten, Corona sei dann vorbei“. Die meisten wurden dann tatsächlich nachgeholt, sagt sie, „aber unter Auflagen und mit weniger Besuchern“. Vor Corona habe sie jährlich etwa zehn Mal ausgestellt. „Das hat sich durch Corona halbiert.“ Aktuell komme auch nicht viel an Ausstellungen nach. „Vielleicht, weil niemand planen mag, wenn man nicht weiß, wie es mit der Pandemie weitergeht.“

Mit den Ausstellungen haben sich sowohl die Verkaufsmöglichkeiten als auch die sozialen Kontakte in der Kunstszene halbiert. Beides schlägt aufs Konto durch, denn in der Kunst ist es nicht anders als in der Geschäftswelt. Man trifft sich, knüpft Kontakte, bahnt neue Dinge an. „Das passiert zurzeit viel weniger als früher“, so Gruner. Den Sprung zur digitalen Selbstvermarktung hat sie bislang nicht mitgemacht. „Ich bin zwar schon lange auf Instagram, aber meine Werke verkaufe ich über Galerien.“ Jetzt richte sich ihre persönliche Kunstwelt nach den Jahreszeiten aus: „Im Sommer finden die meisten Ausstellungen statt und man kann etwas verkaufen. Im Winter produziert man dann neue Arbeiten im Atelier.“

Etwas Positives findet Julia Gruner immerhin an der Corona-Pandemie: „Ich war viel länger am Stück im Atelier und konnte dadurch konzentrierter arbeiten. Ich habe auch mehr über meine Arbeitsweise und meine Materialien nachgedacht.“ Beispielsweise habe sie „schon ewig“ nach Möglichkeiten gesucht, die Reste und Abfälle ihrer Produktion, wie etwa Malwasser, in Kunstform zu recyceln. „Im Alltag kam ich aber einfach nicht dazu, mir gründliche Gedanken darüber zu machen. Ich habe vieles ausprobiert und gieße das Restwasser jetzt in Gips, um daraus neue Arbeiten zu entwickeln.“

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