Kunsthochschule für MedienEin Rundgang als erster Markttest

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Minjung Cho mit ihrem rollenden Souvenirstand

Minjung Cho mit ihrem rollenden Souvenirstand

„Ich bin ein Gesellschaftsphänomen“, steht auf dem Handkarren von Minjung Cho. Die Studentin der Kölner Hochschule für Medien (KHM) ist mit ihrem fahrbaren Souvenirladen am Rhein entlangspaziert, um Tassen, Regenschirme und Postkarten mit dem nämlichen Aufdruck zu verkaufen. Ein gewieftes Geschäftsmodell, denn gesellschaftliche Phänomene sind wir alle irgendwie. Und auch als Einstieg in den Kunstmarkt ist die Performance eine gute Übung: Schließlich trägt man als Künstler nicht nur das eigene Werk dorthin, sondern auch die eigene Haut.

Teddy im Teich

Für die meisten Studenten der KHM ist der alljährliche Rundgang der Kölner Hochschule ein erster Markttest – auch wenn die Besucher eher nicht das Scheckbuch zücken werden. Hier ist die Währung der bewundernde Blick, das ehrliche Interesse und vielleicht die kollegiale Kritik. All das und reichlich davon sollten Alisa Berger und Lena Ditte Nissen aka Bergernissen für ihre archäologischen Studien einheimsen. Sie haben im Teich vor der Düsseldorfer Kunstsammlung K21 nach Treibgut und Müll gefischt und stellen die Fundstücke jetzt in Glasvitrinen aus. Da findet sich das Übliche: Bierdosen, Äste, Sand und ein Teddybär. Aber dermaßen aufbereit und begleitet von einer Weißkittel-Doku über die archäologischen Forschungsarbeiten wirkt es wie verzaubert. Vielleicht auch, weil man weiß, dass in der Nähe eines Museums aus Abfall im Handumdrehen Kunst werden kann.

Meer über Kopf

Auch sehr schön: Johanna Fabers Video „Was ist Schönheit?“, das vieles zeigt, was man für gewöhnlich eher nicht schön finden würde: Ein Krebskranker im Endstadium, das über Kopf hängende Meer, eine plattgefahrene Ratte. Während das Schöne in der modernen Kunst keine Rolle mehr zu spielen scheint, glaubt Faber einfach trotzig daran, dass es viele Gesichter und Gestalten annehmen kann. Irgendwie schön ist auch der Halsschmuck, den sich Vera Drebusch mit einem Stift über das eigene Dekolleté gezogen hat. Allerdings bildet sie mit der dünnen Linie den Fluchtweg ab, den ihre Großmutter im Zweiten Weltkrieg gehen musste. Auch so kann ein Familienerbe weitergegeben und gepflegt werden.

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Balanceakt mit Klassikern

Um das Thema Flucht geht es auch bei Milosz Zmiejewski – mit deutlich mehr Widerhaken. Er hat ein Stück EU-Außengrenze im Verhältnis 1:1 aus Nato-Stacheldraht nachgebaut und ein zerfetztes Stück Kleidung hineingehängt. Da muss man nicht viel erklären, was auch für Anna Weylers textilen Balanceakt gilt: Sie hat dutzende Hosen und Hemden so über einer Stuhllehne drapiert, dass der Stuhl lässig auf den Hinterbeinen steht. Nicht ganz frisch kam uns dagegen Julia Krauses 3-Kanal-Videoarbeit „Body of Work“ vor, eine Künstlertypologie, in der Krause die Interviews berühmter Künstler nachspielt. Andrea Fraser hat das legendärerweise mal mit Martin Kippenberger so gemacht – Krause geht es aber vor allem darum, in welchen Posen sich Kunst am besten verkaufen lässt. Gleich gegenüber verlängert Gerald Schauder mit Hans Richters „Rhythmus 21“ einen Klassiker des abstrakten Films in die Gegenwart: Schauder übersetzt die Szenenfolge in eine meterlange Skulptur. Andy Kassier zitiert in seiner Rauminstallation dagegen einen Klassiker der Literatur: „American Psycho“. Auf einem 80er Jahre-Luxusfernseher inszeniert sich Kassier als Kunstschönling, und auch die anderen Requisiten, etwa ein durchsichtiger Schreibtisch, verströmen unheimliches Zeitkolorit.

Rundgang 2015 – Kunsthochschule für Medien Köln, Filzgraben 2 und Umgebung, 17.-19. Juli, täglich 14-20 Uhr, Filmprogramm 14-22 Uhr.

Eröffnung: 16. Juli, 18 Uhr, Aula, Filzengraben 2.

Der Eintritt ist frei. Kinderbetreuung 15-19 Uhr, Lageplan, Film- und Tagesprogramm auf www.rundgang.khm.de

Herman, the German

Immer mittwochs gibt es Schnitzeltorte. Der Mittwoch ist deshalb ein Festtag für Hermann, der bei der Polizei als Bombenentschärfer arbeitet. Andere freuen sich aufs Wochenende, Hermann auf den Mittwoch mit seinen übereinandergelegten Schnitzel, zwischen den Schichten aus Sauerkraut und Gurken liegen: Schnitzeltorte eben. Mit seinem Kurzfilm „Herman the German“ gewann Michael Binz beim Max-Ophüls-Festival den Publikumspreis – seine Professorin an der KHM, Anke Engelke, spielt selbst mit, als Therapeutin, die Hermann bei einem besonders seltenen Leiden hilft: Er hat die Angst vorm Bombenentschärfen verloren. Binz macht daraus einen witzigen, pointierten, mit Gustav Peter Wöhler perfekt besetzten Clip über einen Mann, der in seiner Lebensroutine erschüttert wird, auch beim Schnitzelessen in der Kantine.

Am Kölnberg

Der Dokumentarfilm „Am Kölnberg“ von Laurentia Genske und Robin Humboldt ist eine der erfolgreichsten Produktionen der Kunsthochschule für Medien der vergangenen Jahre. Er wurde mit Preisen bedacht, auf zahlreichen Festivals gezeigt und ist in Köln in der „Filmpalette“ nach zahlreichen Wochen noch immer im Kino zu sehen. Genske und Humboldt zeichnen darin das sensible und über einen langen Zeitraum hinweg entstandene Porträt von Bewohner der Satellitensiedlung im Kölner Süden, die fast wie ein eigener Planet erscheint.

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