KunstvereinAuch mal spontane Dinge

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Nikola Dietrich am neuen Arbeitsplatz in Köln

Nikola Dietrich am neuen Arbeitsplatz in Köln

  • Mit der neuen Direktorin Nikola Dietrich soll vieles anders werden

Wenn Köln Zuwachs aus Berlin erhält, ist das immer noch Balsam auf die Wunden der einstigen Weltkunstmetropole. Und sicher kann es nicht schaden, wenn Nikola Dietrich, die neue Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, versichert, sie wäre „nicht für jeden Kunstverein“ aus Berlin fortgegangen. Aber der Kölnische hat nicht nur eine lange und mitunter ruhmreiche Geschichte (siehe „Keimzelle des Aufbegehrens“), sondern verspricht auch eine Zukunft. In der Amtszeit von Dietrichs Vorgänger Moritz Wesseler erlebte der Kunstverein einen ungeahnten Mitgliederzulauf – die kostenlosen Editionen von Kunststars wie Rosemarie Trockel, Kai Althoff und Isa Genzken machten’s möglich. Diese junge Tradition behält Dietrich bei und präsentiert zum Jahresende eine Vereinsgabe von Wolfgang Tillmans.

Ansonsten will Dietrich aber einiges anders machen als Wesseler – und dafür wurde sie offenbar auch geholt. Jedenfalls hob Thomas Waldschmidt, Vorstandsvorsitzender des Kölnischen Kunstvereins, Dietrichs langjährige Erfahrung etwa als Leiterin des Basler Museums für Gegenwartskunst hervor; sie habe den nötigen Abstand zum Kunstmarkt, der ständig neue aufstrebende Stars hervorbringe, von denen niemand wisse, ob sie einmal die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen. Genau auf diese Hoffnungen hatte Wesseler sein Ausstellungsprogramm vornehmlich gebaut.

Selbstredend will auch die 1972 geborene Dietrich dem Publikum unbekannte Künstler präsentieren; ihre erste Ausstellung im September widmet sie dem kanadischen Maler Julien Ceccaldi. Aber es wird auch wieder thematische Gruppenausstellungen geben und im nächsten Jahr die Überblicksschau einer lange etablierten Künstlerin, deren Namen Dietrich wegen der laufenden Gespräche noch nicht preisgeben mag. Eine feste Programmatik bringt sie hingegen nicht mit: „Ich möchte Fragen der Gegenwart sichtbar machen“, sagt sie, und dass der Kunstverein „für öffentliche Debatten relevant sein muss“. Allerdings dürfe das Politische weder Kunst noch Künstler „überrollen“.

Auch das lokale Standbein will Dietrich wieder etwas stärken, sie sucht bei allem internationalen Anspruch die Anbindung an Köln. Im Winter soll es deswegen sechs Wochen geben, in denen sie mit lokalen Partnern „spontanere Dinge“ erproben und den Kunstverein mit Performances, Konzerten oder Lesungen beleben will. In Basel, sagt Dietrich, habe sie etwa Studenten der örtlichen Kunsthochschulen ins Veranstaltungsprogramm geholt. So ganz spruchreif ist auch dieses Vorhaben noch nicht, sie müsse, so Dietrich, die Stadt und ihre Kunstszene erst besser kennen lernen.

Im Sommer wird Nikola Dietrich insbesondere die Bekanntschaft möglicher Sponsoren suchen, denn die qua Vereinsgabe gesteigerten Mitgliedsbeiträge allein sichern das Überleben des Kölnischen Kunstvereins noch lange nicht. Vier Ausstellungen jährlich soll es geben, große Sprünge sind auch für die neue Direktorin nicht drin. Große Kunst schließt das naturgemäß nicht aus.

Keimzelle des Aufbegehrens

Die ersten Kunstvereine wurden aus dem Geist des Widerstands geboren: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wollte sich das aufstrebende deutsche Bürgertum nicht länger mit der adligen Vorherrschaft in Fragen des Kunstgeschmacks abfinden. Es begann in den eigens zu diesem Zweck gegründeten Kunstvereinen, Ausstellungen zu organisieren und unter den Mitgliedern Kunstwerke zu verkaufen.

Der Kölnische Kunstverein wurde 1839 gegründet, zu den ersten Mitgliedern gehörten städtische Honoratioren wie Johann Maria Farina, Erfinder des Kölnisch Wassers, und Joseph Mathias de Noël, Reformer des Karnevals. Um das Jahr 1920 sorgte der Kunstverein mit Dada-Schauen für Skandale, in den 1970er Jahren erlebte er unter Wulf Herzogenrath und mit bahnbrechenden Ausstellungen zur Videokunst seine bedeutendste Zeit.

In den letzten Jahren litten sämtliche Kunstvereine unter Mitgliederschwund, ihre einstige Funktion haben längst Museen, Kunsthallen und Galerien übernommen. In Köln trotzt man der Entwicklung: Unter Moritz Wesseler stieg die Mitgliederzahl wieder von 1400 auf 2300. (KoM)

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