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Klaus Maria Brandauer„Diesmal will ich mehr sein als gut“

Lesezeit 6 Minuten
Klaus Maria Brandauer

Klaus Maria Brandauer

  • Klaus Maria Brandauer eröffnet die 18. lit.Cologne.
  • Die Domlesung ist eine Kooperation mit Stadt-Anzeiger und Domkapitel.

Herr Brandauer, was ist für Sie das Besondere an Ihrer Lesung im Dom?

Ich lese nicht das erste Mal in der Kirche, habe viel mit Bonhoeffer-Texten gemacht – im Hamburger Michel und anderswo. Und ich mache das gern. Auch jetzt im Dom. Nicht dass ich mir direkt heilig vorkäme, aber ich habe doch so das Gefühl, du bist an einer wichtigen Handlung beteiligt. Das gibt einem etwas – und außerdem ist es an diesem Ort eine echte Herausforderung. Ich habe mir eigens Aufnahmen von Messen im Dom kommen lassen, um zu hören, wie die Priester im Dom sprechen. Ich möchte einfach noch mehr als das, was ich immer möchte.

Nämlich?

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Erst einmal gut sein. Ich möchte gerne gut sein in meiner Rolle. Aber diesmal habe ich mich entschlossen: Ich will mehr als das, mehr als gut sein.

Und was?

Ich möchte Dostojewskis „Großinquisitor“ denken. Und die Leute dabei mitnehmen. Aber es wird sehr schwer sein. Meine schauspielerischen Möglichkeiten, meine Leidenschaft zu spielen – die kann ich hier nicht abrufen.

Warum nicht?

Weil ich Gedanken vor mir habe. Es sind Gedanken, die ich zu Gehör bringen muss. Und eigentlich sind es ja die Gedanken von zwei Personen, auch wenn nur eine von ihnen – der Großinquisitor – redet, während Christus beharrlich schweigt. Aber was er sagen würde, das wissen Sie ja. Und auch im Schweigen sagt er etwas Tolles, nämlich genau das: nichts!

Was spornt Sie eigentlich bei dieser Lesung mehr an als sonst schon?

Na, dass der liebe Gott ja vielleicht doch hinter mir steht und mir über die Schulter schaut. Sie merken, es kommt da bei mir eine mir sehr wohltuende Kindlichkeit auf. Von daher ist es gar nicht ganz so verkehrt, was der Großinquisitor in seinem Monolog über die Menschen sagt – und blöd waren diese Kirchenführer ja alle nicht: „Machen wir sie halt zu Kindern!“ So banal ist es nun einmal. Wir sehen es ja überall, auch heute: in den Konzernen, den großen Firmen, überall, es ist ganz wurscht. So weit haben wir uns nicht entfernt von den Tagen des Großinquisitors, auch wenn niemand mehr auf dem Scheiterhaufen landet.

Zur Person – Einführung mit Kölner Generalvikar

Klaus Maria Brandauer liest im Dom den „Großinquisitor“ aus Fjodor M. Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasow“. Brandauer, geb. 1943 in Bad Aussee (Steiermark), ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Theater- und Filmschauspieler. In der Oscar-prämierten Klaus-Mann-Verfilmung „Mephisto“ (1982) spielte er die Titelrolle. Weitere Filmerfolge feierte er mit „Oberst Redl“ oder „Jenseits von Afrika“ (mit Meryl Streep).

In einer Einführung mit Professor Bodo Zelinsky (Universität zu Köln) und dem Kölner Generalvikar Dominik Meiering unterstrich dieser die Vielschichtigkeit des Textes, der um die Themen Freiheit, Macht, Institution kreise. Als bloßes „Kirchenbashing“ wäre der „Großinquisitor“ sträflich missverstanden. Zur Lesung stellte Meiering die Frage: „Wen wird der Dom wohl unterstützen? Den sprechenden Großinquisitor oder den schweigenden Christus?“ (jf)

Reizt Sie das Zusammenspiel des Textes mit dem Ort des Vortrags?

Natürlich, das ist doch herrlich! „That’s an offer, you can’t refuse.“

… Ein Angebot, das Sie nicht ablehnen konnten.

Dieser Dostojewski ist einfach genial. In aller Schroffheit haben seine Texte etwas, was mir etwas gibt, was mich aufbaut, auch warnt. Auch im „Großinquisitor“: Wie er hier zwei Gestalten zusammenbringt, die beide im selben Auftrag unterwegs, aber doch so gegensätzlich sind. Und die beide noch eine höhere Instanz über sich wissen: der eine, Christus, seinen Papa im Himmel (zeigt nach oben), der andere… tja, das lässt Dostojewski offen. „Ich bin längst nicht mehr mit dir, ich bin mit ihm“, sagt der Großinquisitor. Aber mit wem? Dem Teufel? Mir kommt vor, das wäre viel zu einfach. Wir wissen es einfach nicht. So spinnt Dostojewski ein fantastisches Netz an Assoziationen und Gedanken rund um den Glauben. Und ich bin froh, dass mich dieses Thema immer wieder anweht.

Spricht der Großinquisitor auch zu Ihnen?

Und wie! Weil er ja so recht hat! Und deshalb ärgere ich mich, wenn ich ihm zuhöre! Über uns! (Schlägt sich auf den Schenkel) Andererseits: Er ist doch auch ein armes Schwein. War in der Wüste – wie Christus. Hat auch die Heuschrecken gefressen. Und sich doch von ihm entfernt. „Ich bin längst nicht mehr mit dir …“

Welche Rolle spielen Glaube und Religion in Ihrem Leben?

Eine sehr wichtige – seit meiner Kindheit, durch Tradition und Frömmigkeit in meinem Heimatdorf, mit Kirchgang, viel Musik natürlich, Gesang – und mit tadellosen Vertretern der Kirche, die uns Kinder sehr – wie soll ich sagen – angenehm begleitet haben. Nicht so doktrinär, sondern mit Wohltätigkeit und allerlei Aufgaben, die sie uns anvertraut haben. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich verteufelt werde: Ich habe etwas übrig für die Ketzer. Ich habe etwas übrig für einen wie Dostojewski mit seinem Ringen um den Glauben.

Vielleicht sind die Ketzer ja die eigentlich Gläubigen.

Ich kenne keinen großen Kritiker der Religion, der nicht doch auch einen Glauben hätte. Und sei es in der Leugnung und der Verweigerung. Die großen Religionskritiker sind alle gläubig. Mir geht es im Hadern mit Gott und der Religion ja auch so – mit meiner ganzen katholischen Erziehung und alledem. Ich nehme für mich eine Kapitelüberschrift in dem Buch „Irdische Vergnügen“ von Luis Buñuel in Anspruch, das ich sehr, sehr liebe: „Ein Atheist von Gottes Gnaden“. Ein wunderbarer Satz! Meine Frau und ich haben so darüber gelacht, dass an unserem Haus in Altaussee die Regenrinnen geklappert haben. Atheist zu sein von Gottes Gnaden – das ist doch die Lösung für den Glauben. Dann können wir alle dabei bleiben. Nicht von ungefähr bekommt der Glaube gerade bei großen Naturwissenschaftlern, denen man ganz und gar „vernünftige“ Erklärungen für alles in der Welt zutraut, plötzlich wieder eine Bedeutung. Offensichtlich kommt keiner, der seine fünf Sinne noch beisammen hat, an diesem Thema vorbei.

Haben Sie eigentlich ein neues Filmprojekt in petto?

Angebote gibt es zuhauf. Aber ich habe in meinem Leben nur Filme gemacht, bei denen ich dachte, ich hätte darin etwas zu sagen, was mir wichtig ist. Wenn es irgendwie geht, möchte ich schon noch einmal ein größeres Ei ausbrüten. Und vielleicht sogar selber Regie führen. Nicht aus Eitelkeit, sondern damit es ganz von mir kommt.

Ist das Ei schon gelegt?

Noch nicht. Warten Sie es ab!

Das Gespräch führten Joachim Frank und Frank Olbert

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