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lit.Cologne 2019Kölns Literaturszene ist ein „wichtiger Gegenpol zu Berlin“

Lesezeit 6 Minuten
Köln von oben

Köln von oben

  • Die lit.Cologne holt viele berühmte Autoren nach Köln.
  • Doch auch in der übrigen Zeit hat die Stadt eine lebendige Literaturszene.

Köln – Julian Barnes, Annie Ernaux, Martin Suter und viele andere. Die Liste berühmter Schriftsteller, die ab Dienstag in Köln zu Gast sein werden, ist lang. Zum 19. Mal macht die lit.Cologne die Stadt zum Mekka für Literaturfans. Das Festival sorgt weit über die Grenzen der Stadt hinaus für Aufmerksamkeit. Doch auch im Rest des Jahres tut sich viel in der Szene, oft unbemerkt von einer großen Öffentlichkeit. „Die lit.Cologne ist ein fantastisches Lesefestival, aber dort geht es ja nicht in erster Linie um Kölner Literatur“, sagt Uwe Kalkowski, der den Blog Kaffeehaussitzer betreibt. Doch auch dort gebe es gerade viel zu entdecken. Eine Einschätzung, die Bettina Fischer, Leiterin des Kölner Literaturhauses, teilt. Nach einer Durststrecke zu Beginn des neuen Jahrtausends sei nun wieder viel Bewegung zu erkennen. „In den 90er Jahren gab es eine ganz rege Szene in Köln: Norbert Hummelt, Sabine Schiffner und einige andere, die damals um die 30 waren.“ Viele von denen seien jedoch aus der Stadt weggegangen, Berlin lockte als Zentrum des literarischen Lebens. Doch zuletzt habe sich etwas verändert. „Ich habe festgestellt, dass sich in den vergangenen Jahren eine Szene der um die 30-Jährigen in Köln gut zusammengefunden hat“, sagt Fischer. Zwei neue Studiengänge spielten dabei ein große Rolle. An der Kunsthochschule für Medien kann man seit dem Wintersemester 2017/2018 den Studienschwerpunkt „Literarisches Schreiben“ wählen. Zudem gibt es den Studiengang „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“ an der Universität zu Köln. „Jüngere sprechen sie als Studiengang an, aber auch für Ältere sind sie interessant, weil sie dort vielleicht unterrichten und so auch Geld verdienen können“, so Fischer. „Eine jüngere lebendige Generation, die sich in Köln wohlfühlt, belebt nun die Szene.“

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Der Autor und Literaturvermittler Dorian Steinhoff ist Teil dieser Szene. Er lebt seit drei Jahren in Köln. „Die neuen Studiengänge an der KHM und der Uni sind vielleicht die relevantesten Entwicklungen. Sie bringen junge Schreibende in die Stadt.“ Es sei wichtig, diesen Autorinnen und Autoren in Köln eine Umgebung zu bieten, in der sie gut arbeiten und leben können. „Damit sie auch hierbleiben, damit diese Entwicklung eine nachhaltige sein kann.“ Steinhoff hat vergangene Woche im Theater im Bauturm die Kölner Premiere seiner Veranstaltungsreihe „Books and Friends“ gefeiert. Zu Gast war Kathrin Weßling und das junge Publikum, das er mit dem schnell getakteten Format ansprechen will, kam tatsächlich. Das Interesse an Literatur ist groß, das zeigt sich auch bei Reihen wie „Land in Sicht“, bei der junge Autoren jeden Monat im Café Fleur ihre Texte vortragen. Der Schreibraum, ein städtisch geförderter Coworking-Space für Autoren und Übersetzer, ist seit 2017 ebenfalls für viele Schreibende eine wichtige Anlaufstelle. Zudem gibt es engagierte Buchhandlungen wie die Lengfeld'sche oder die Buchhandlung Klaus Bittner, die regelmäßig Lesungen veranstalten.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Für Yannic Han Biao Federer sind Orte des Dialogs, an denen er mit anderen Autoren zusammenkommt, enorm wichtig. Gerade ist bei Suhrkamp „Und alles wie aus Pappmaché“, der erste Roman des 32-Jährigen erschienen. „Man lernt hier schnell Leute kennen, kommt gut ins Gespräch. Literatur ist harte Arbeit. Es kommt immer etwas Besseres dabei heraus, wenn man sich austauscht. Das schärft das Handwerkszeug und befüllt den Koffer mit neuen Ideen“, sagt Federer, der seit 2018 in Köln wohnt und sich regelmäßig mit anderen jungen Autoren zum Austausch in WG-Küchen trifft.

„Ich brauche eine Stadt in der ich mich zuhause fühle“

Um den Wünschen der Szene mehr Gehör zu verschaffen, hat sich am 23. April 2018, am Welttag des Buches, der Verein Literaturszene Köln e.V. gegründet. „Es gab kaum Strukturen in der Literaturszene, keinen Austausch über gemeinsame Interessen. Wir wollten Forderungen stellen, denn das hatte lange Zeit niemand getan, was sich auch darin widerspiegelte, dass die Literatur im Förderportfolio der zweitkleinste Posten war“, sagt Bettina Fischer, stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Mittlerweile ist die Fördersumme gestiegen. Neu ist auch das Dieter-Wellershoff-Stipendium, das 2018 erstmals vom Literaturhaus ausgeschrieben wurde und durch das mit Mitteln der Stadt jährlich zwei Autoren mit je 12 000 Euro gefördert werden.

„Es geht etwa darum, im Dialog mit der Verwaltung zu entwickeln, welche Förderinstrumente wirklich hilfreich sind“, sagt auch Dorian Steinhoff. Wichtig sei eine kulturelle Infrastruktur, die es den Akteuren der Szene ermöglicht, Ideen und Projekte zu verwirklichen. „NRW ist im Vergleich zu anderen Bundesländern in diesem Bereich einigermaßen gesegnet“, so Steinhoff. „Das ist ein großer Vorteil zu anderen Regionen, wo viel weniger Geld für Kultur ausgegeben wird. Köln ist die einzige Stadt in NRW mit einem relevanten literarischen Leben.“ Auch Hannelore Vogt, Direktorin der Stadtbibliothek sieht Köln auf einem guten Weg. „Die Entwicklung ist positiv, es tut sich mehr. Noch ein paar neue Impulse wären schön, vielleicht ein Stadtschreiber oder ein Preis im Bereich Lyrik.“

Yannic Federer ist sich sicher, in Köln die besten Voraussetzungen für sein Schreiben gefunden zu haben. „Mir ist es wichtig, dass es nicht ganz so laut, hektisch und wild ist“, sagt er. Deshalb ziehe ihn auch nichts nach Berlin. „Ich muss mich auch aus dem Trubel rausziehen können. Ich brauche eine Stadt, in der ich mich zu Hause fühle und in der ich mich nicht verliere. Köln ist eine Literaturstadt, sie merkt es bloß manchmal nicht, weil vieles heller, greller und lauter ist“, sagt Federer. „Sie ist ein wichtiger Gegenpol zu Leipzig und Berlin.“ Es sei enorm wichtig, dass sich nicht alles an einem Ort konzentriere. „Ich habe Köln nicht aus der Ferne leuchten sehen. Es war ein Zufall, dass ich hergekommen bin. Aber es ist kein Zufall, dass ich hiergeblieben bin.“

1. Kölner Literaturnacht

Lit.Cologne, Das Buch für die Stadt und das Junge Buch für die Stadt, Crime Cologne, Poetica, Literatur in den Häusern der Stadt – in Köln gibt es viele große  Literaturevents. Am 4. Mai kommt ein weiteres hinzu. Der Verein  Literaturszene Köln e.V. hat die 1. Kölner Literaturnacht organisiert.  „Wir wollten ein Veranstaltungsformat finden, von dem möglichst viele in der Szene profitieren“, sagt Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses und Vorstandsmitglied des Vereins. „Für mich ist das ein großer Scheinwerfer, der einen Tag auf diese Szene gerichtet ist. Wer da mitmacht, muss eine starke Anbindung an Köln haben. Wir wollen die ganze Bandbreite der Literaturkreativität in Köln zeigen, denn das ist eine relevante Szene, die viel zu bieten hat.“ Am 4. Mai, wird es an 42 Orten in ganz Köln 137 Veranstaltungen geben.

Uwe Kalkowski, Buchblogger und Vorstandsvorsitzender des Vereins, freut sich besonders über die große Vielfalt. So werden  bekannte Autoren wie Frank Schätzing und Melanie Raabe zu sehen sein, aber es gibt auch einige Entdeckungen zu machen. „Viele wissen etwa gar nicht, dass sowohl der Übersetzer der Romane von George R.R. Martin, Andreas Helweg, als auch der Knausgard-Übersetzer Paul Berf in Köln leben“, so Kalkowski. Auch sie werden bei der Literaturnacht auftreten.

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