Abo

lit.CologneCampino steckt in der Schreibblockade

Lesezeit 3 Minuten
Campino auf der lit.Cologne2

Campino führt seit 30 Jahren Tagebuch.

  • Der „Tote Hosen“-Sänger Campino gibt auf der lit.Cologne Einblick in sein Gefühlsleben.
  • Aufnahmen zum neuen Album haben begonnen.
  • Wie lange Die Toten Hosen noch weitermachen wollen, lässt Campino auf der lit.Cologne offen.

Köln – Kurz nach 21 Uhr steht der lit.Cologne-Abend mit Campino im Millowitsch-Theater mal kurz auf der Kippe. Das kleine Notebook, das die Veranstalter dem Sänger der Toten Hosen auf die Bühne gestellt haben, damit er mit einem Auge das Treiben seines FC Liverpool in der Europa League (Heimspiel gegen Manchester United) verfolgen kann, meldet „Wiedergabe nicht möglich“. Unmittelbar vor dem Anpfiff.

Ein Techniker kommt, verschwindet mit dem Klapperechner und macht ihn wieder flott. Dann fällt an der Anfield Road auch schon das 1:0. Glück gehabt.

Quälender Prozess

Im Zwiegespräch mit dem langjährigen Eins-Live-Wellenchef Jochen Rausch verrät Campino, wie seine Texte für die Hosen-Songs entstehen. Vor allem wichtig: Campino ist zu diesem Zweck „knallnüchtern“, weder Altbier noch eisgekühlter Bommerlunder. Er spiele sich die Demo-Aufnahmen, auf denen er zunächst einen Nonsens-Text in einer Fantasiesprache singt, wieder und wieder vor, bis es irgendwann „klick“ mache, erzählt der ewige Düsseldorfer.

Das sei ein eher quälender Prozess, verrät Campino den 400 Besuchern. Derzeit, Die Toten Hosen haben mit den Aufnahmen für ein neues Album begonnen, stecke er in einer „achtmonatigen Schreibblockade“.

Tagebuch seit mehr als 30 Jahren

Trost spendet in solchen Phasen sein liebes Tagebuch, das Campino seit mehr als 30 Jahren führt. Wenn er denkt, „so schlimm war es noch nie“, dann schlage er nach in alten Aufzeichnungen. Diese verraten ihm: Es war schon immer so schwierig.

Ausnahmen wie „Nur zu Besuch“ – der Text war in 15 Minuten fertig – bestätigen die Regel. Dieser Song, den Campino nach dem Tod seiner Mutter schrieb, bedeutet ihm von allen Stücken der Gruppe am meisten. Der Zahl der Fanzuschriften nach zu urteilen, sehen die Anhänger der Toten Hosen das genauso.

Im 34. Jahr der Bandgeschichte haben die Hosen, auch das erzählt Campino, Wege gefunden, Text- und Songideen der Kollegen geradezu diplomatisch zu versenken. Wenn die Anderen einen Vorschlag „interessant“ nennen oder stumm an die Decke schauen, dann bedeutet das: komplette Ablehnung.

Noch eine lustige Anekdote: In den frühen Jahren, als sie zumeist gemeinschaftlich texten,  hatten Die Toten Hosen, lange vor „Wer wird Millionär?“, einen Telefonjoker am Start. Wenn sie grammatikalisch nicht weiter wussten (heißt das Wir sind die Jungs „von der“ Opel-Gang oder „von die“ Opel-Gang?), dann wurde die Freundin ihres Managers hinzugezogen. Die konnte (das heißt: unterrichtete) Deutsch.     

Erst mit dem perfekten Liebeslied ist Schluss

Wie lange Die Toten Hosen noch weitermachen wollen, lässt Campino auf der lit.Cologne offen. Jenseits von körperlichen Gebrechen gibt es für ihn nur einen Grund aufzuhören: „Wenn ich es schaffe, das perfekte unpeinliche Liebeslied zu schreiben, so etwas wie Nothing Compares 2 U.“ Im Rückblick auf das Gesamtwerk der Band fügt er hinzu: „Dafür reicht es bei uns einfach nicht.“

KStA abonnieren