Mädchen missbrauchtNetflix-Film „Epstein” beleuchtet Verbrechen des Multimillonärs

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Chauntae Davies und Jeffrey Epstein

Chauntae Davies und Jeffrey Epstein

In Palm Beach an der Küste Floridas zeigt sich die soziale Kluft der amerikanischen Gesellschaft besonders plakativ. Die vorgelagerte Insel gehört zu den teuersten Lagen des US-Immobilienmarktes. Über eine vierspurige Brücke ist das Millionärs-Ghetto mit dem Festland verbunden, wo sich in West Palm Beach die unteren Einkommensschichten angesiedelt haben. Für die Machenschaften des Multimillionärs Jeffrey Epstein ein idealer Standort. Das abgeschirmte Anwesen auf der Insel bot die notwendige Diskretion und die ärmlichen Gegenden auf der anderen Seite ein weitläufiges Jagdrevier, in dem Epstein gezielt minderjährige Mädchen für sexuelle Dienstleistungen rekrutierte.

Über viele Jahre hinweg, so berichten die Betroffenen in der Netflix Doku-Serie „Epstein – Stinkreich“, habe der Investmentbanker ein Netzwerk aufgebaut, in dem er Teenager und junge Frauen sexuell missbraucht und in die Prostitution hineingezwungen habe. Die erste einschlägige Anzeige gegen Epstein gab es 1996. Sie wurde vom FBI nicht verfolgt.

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Erst im Juli 2019 wurde Epstein verhaftet und sollte von der New Yorker Staatsanwaltschaft vor Gericht gestellt werden. Fünf Wochen später lag er tot in seiner Zelle. Auch wenn die Gerichtsmediziner Suizid attestierten, ranken sich um die Todesursache Verschwörungstheorien. Schließlich hatte Epstein, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin einen Prostitutionsring mit Minderjährigen betrieben haben soll, prominente Freunde, zu denen neben Prinz Andrew zeitweilig auch Donald Trump und Bill Clinton gehörten.

Aber Regisseurin Lisa Bryant tut gut daran, sich in ihrer Dokumentation nicht an weiteren Spekulationen zu beteiligen. Nicht nur aus juristischen Gründen, sondern auch weil sich ihr Film nicht an der Mythenbildung um den Fall Epstein beteiligen will. Stattdessen gibt Bryant denjenigen Gehör, deren Ruf nach Gerechtigkeit über Jahrzehnte ignoriert wurde: den Frauen, die als Mädchen von Epstein missbraucht und zur Prostitution gezwungen wurden. Erschreckend sind neben den verstörenden Einzelschicksalen vor allem das Ausmaß und die Systematik, mit der dieser Missbrauch organisiert wurde.

Daran schließt sich in der zweiten Folge die entscheidende Frage an, wie Epstein über eine solch lange Zeit ungestraft davonkommen konnte. Bereits 2005 ermittelte die Polizei von Palm Beach über 13 Monate lang und verband die Aussagen von 50 mutmaßlichen Opfern zu einem vermeintlich wasserdichten Fall. Aber der Staatsanwalt Alexander Acosta einigte sich mit Epsteins Strafverteidigern auf einen Deal: Der Angeklagte wurde zu einer milden Strafe von 18 Monaten verurteilt, von denen er nur 13 Monate bei zwölf Stunden Freigang am Tag abbüßen musste. Zudem sicherte die Vereinbarung möglichen Mittätern Immunität zu.

Die umfangreichen Untersuchungsunterlagen verschwanden versiegelt im Gerichtskeller. Ein ungeheuerlicher Vorgang, der die Korruptionsanfälligkeit der US-Justiz auf drastische Weise belegt. Aus dem Gefängnis entlassen, lud Epstein erst einmal zu einer Party in sein New Yorker Haus ein. Fortan veranstaltete er seine pädophilen Orgien auf der eigenen Privatinsel Little Saint James in der Karibik – für die Mädchen und Frauen ein Gefängnis, in dem sie Epstein wehrlos ausgesetzt waren. Die traumatischen Erlebnisse haben sie stark geprägt.

Mit ihren Aussagen vor Gericht an die Öffentlichkeit zu gehen, ist für sie ein wichtiger Schritt, auch wenn ihnen die Genugtuung einer Verurteilung Epsteins durch dessen Tod verwehrt bleibt. In der letzten Folge feiert die Dokumentation den Mut dieser Frauen. Zu Recht. Denn ohne sie und den Druck, den die #MeToo-Bewegung aufgebaut hat, wäre es wahrscheinlich nie zu dem Prozess gegen Epstein gekommen.

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