Beunruhigende Worte bei „Lanz“Bundeswehr wäre im Ernstfall eine Woche kampffähig

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Lanz Neitzel

Sönke Neitzel bei Markus Lanz 

Am Mittwochabend hat Markus Lanz mit dem Militärhistoriker Sönke Neitzel und der SPD-Wehrbeauftragten Eva Högel über die Situation in der Ukraine und den Zustand der Bundeswehr gesprochen. Lanz zitiert Neitzel zunächst mit dem Satz „Wir haben die Bundeswehr zu einer Art bewaffneten THW gemacht“.

Auch im Talk spricht Neitzel Klartext, als es um die Verteidigungsministerin geht. „Die Ernennung von Frau Lambrecht ist Teil einer deutschen Tradition, zumindest der letzten 20 Jahre. Es ging nie um fachliche Qualifikation beim Verteidigungsministerium“, so Neitzel. Das betreffe beide große Parteien. Dennoch könne man sich gut einarbeiten, selbst wenn man „kenntnisfrei “ in dieses komplexe Amt gekommen sei.

Die verantwortlichen Militärs wollten im wesentlichen Führung haben, erklärt Neitzel, und dies sei besonders bei der derzeitigen Fülle von Entscheidungen wichtig. Ein Spiel auf Zeit verbiete sich. Der Krieg sei eigentlich eine Chance für die Verteidigungsministerin, international die Bedeutung Deutschlands herauszustreichen. Das gelinge Christine Lambrecht aber weitaus weniger als beispielsweise Außenministerin Annalena Baerbock.

Experte Neitzel: „Die Bundeswehr ist dysfunktional strukturiert“

Mit Blick auf das Beschaffungsamt sagt Neitzel: „Die Bundeswehr ist dysfunktional strukturiert, und wenn man da nicht herangeht, wird es nichts mit der Zeitenwende“, spielt der Experte auf die Scholz-Rede von Ende Februar an. Lanz will wissen, was mit dem größten Verteidigungshaushalt Europas von 50,3 Milliarden plus möglichem Sondervermögen denn eigentlich geschehe. Högel nennt unterschiedliche Gründe für die Misere, beispielsweise das Vergaberecht. Und dann spricht sie von der „Goldrandlösung“: Für die Bundeswehr müsse es offenbar immer das Schönste und das Beste sein. Das dauere dann oft sehr lange. Inzwischen habe man sich davon glücklicherweise gelöst.

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„Die Bundeswehr pfiff schon 2001 auf dem letzten Loch“ schildert Neitzel die traurige Erkenntnis. Jahrzehntelang sei es im Grunde genommen nicht um Rüstungsbeschaffung für die Bundeswehr gegangen. „Wenn Sie eine Bundeswehr haben, die nicht kämpfen muss, kann sie Mali, in Afghanistan auch in Friedensmissionen eingesetzt werden. Richtig kämpfen mit Panzern und Flugzeugen musste sie nicht“, erklärt Neitzel die Lage. Erst mit der Annexion der Krim durch Russland 2014 sei man aufgewacht und habe wieder die Bündnis- und Landesverteidigung in den Fokus gestellt. Wirklich passiert sei danach aber auch nichts, so Högel ernüchtert. Angela Merkel habe das immer wegmoderiert, meint Neitzel, zudem habe die SPD alles blockiert.

Es mangelt an allem: Fallschirmjäger haben keine Fallschirme

Das jetzt beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr wird von Högel und Neitzel ausdrücklich begrüßt. Es werde alles benötigt, von der persönlichen Ausstattung wie Helme bis in zu Waffen. Es fehlten beispielsweise Fallschirme für die Fallschirmjäger, mit denen man springen könne. Es scheitere teilweise an den simpelsten Dingen.

Lanz ist sprachlos. „Die Kampfschwimmer der Marine, unsere Eliteeinheit in Eckernförde, haben seit zehn Jahren keine Schwimmhalle“, erzählt Högel weiter. Die Funkgeräte der Truppe seien 30 Jahre alt, mit ihnen könnte man nicht mit den Bündnispartnern kommunizieren. Es fehle außerdem Munition für 20 Milliarden Euro. Deutschland könne also auch keine Munition an die Ukraine für den Gepard-Panzer liefern.

Klare Worte bei Markus Lanz: Bundeswehr steht blank da

Auch Neitzel berichtet von unglaublichen Zuständen. Man habe einfach zu lange nicht damit gerechnet, in den Krieg ziehen zu müssen. Wann man denn nun wieder verteidigungsfähig sei, will Lanz wissen. In drei Jahren sehe es wohl schon besser aus, glaubt Neitzel. Högel geht eher von einem Zeitraum von zehn Jahren aus.

Angenommen, der Krieg würde sich aktuell ausweiten, was würde die Bundeswehr denn dann machen, bohrt Lanz weiter. Eine Brigade könne vielleicht eine Woche kämpfen, sagt Neitzel. „Militärisch stehen wir mit heruntergelassenen Hosen da“, fasst Neitzel es zusammen. Generalleutnant Alfons Mais habe mit seinen Worten vom „blank“ sein im Februar absolut recht gehabt. (cme) 

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