MuttertagWarum wir nur eine Madonna verehren sollten

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Madonna

Madonna

Detroit – Andere Religionen haben ihre Fruchtbarkeitsgöttinnen – Demeter, Ceres, Astarte – wir Christen dagegen müssen uns mit einer Mutter Gottes begnügen, die allem Fleischlichen derart abhold ist, dass ihr sogar nach dem blutigen Spektakel einer Geburt die Jungfräulichkeit attestiert wird.

Das hat mich schon immer am Marienkult gestört, dass die verehrte Madonna ob dieses Reinheitsgebotes nur eine halbe Frau ist. Was man schon daran erkennt, dass für die andere Hälfte Maria Magdalena herhalten musste. Heilige und Hure. Sexistischer Mist. 

Es brauchte erst eine zweite Madonna, um diese dumme Dichotomie aufzulösen. Ich spreche selbstredend von Unserer lieben Frau von Detroit, von derjenigen, die dem Jungfrauenkult ein konjunktionales „wie“ voranstellte: „like a virgin“.

Zuerst wirkte allein der Name anmaßend, zumindest war das in der katholischen Provinz, in der ich aufgewachsen bin, so.  Als könnte man sich einfach selbst einen Heiligenschein aufsetzen, bevor man mit gezückter Peitsche zur Orgie eilt. Dabei stand der so im Pass der Sängerin, genau wie im Fall von Prince.

Auch Madonnas Mutter hieß Madonna,  und es  soll deren früher Brustkrebs-Tod gewesen sein – sie war erst 30, die Tochter fünf –, der den späteren Weltstar auf seinen eigentümlichen Weg zwischen Rebellion und Hochleistung brachte. Schon in der Schule galt sie als sozial auffällig und war zugleich eine der Klassenbesten.

Junge Mädchen und schwule Männer begriffen sogleich, was sie an der kieksenden Frau hatten, die auf den MTV Awards im weißen Hochzeitskleid notgeil auf der Bühne herumrollte. Diese Madonna belohnte Anbetung mit Selbstermächtigung und setzte sexuelle Befreiung mit Erlösung gleich.

Camille Paglia, deren philosophische Theorien sich zu Madonnas  künstlerischem Output verhalten wie der Talmud zur Tora, rief sie schon 1990 in der „New York Times“ zur „Zukunft des Feminismus“ aus, unter Protestrufen der Zweite-Welle-Feministinnen. 

Dass sich schließlich selbst der Vatikan die Mühe machte, ihre  Videos zu verdammen – vor allem „Like a Prayer“, da war es wieder, das konjunktionale „like“ – dann doch wohl hauptsächlich aus dem Grund, dass man auch in Rom das skandalös erfolgreiche Konkurrenzmodell aus Übersee fürchtete.

All diese Kontroversen hoben Madonna nur höher in den Olymp des Pop, als große Mutterfigur all ihrer Nachfolgerinnen, die mühsam als Staffel den Weg  zurücklegten, den sie ganz allein beschritten hatte, von der fremdbestimmten Britney Spears über Lady Gaga bis hin zu Billie Eilish, die sich nun wirklich nicht mehr um die (männlichen) Erwartungen zu scheren scheint, die an weibliche Popstars gerichtet werden.

Außerdem ist da natürlich noch die ganz reale, sechsfache Mutter Madonna, die vor ein paar Jahren sogar ihrem damals 13-jährigen Adoptivsohn zuliebe nach Lissabon zog, damit der seinen Traum verwirklichen konnte, Fußballprofi bei Benfica zu werden. Die Göttin als stinknormale „soccer mom“ (okay, mit eigens erworbenen Palast aus dem 18. Jahrhundert), wer hätte das gedacht? 

Ergoogelt man sich dieser Tage den neuesten Madonna-Klatsch, erfährt man alles über ihren neuen, erst 28-jährigen Toy-Boy,   dass sie mit diesem viel zu viel kiffe, und es ihr leider nicht gelinge, in Würde zu altern. Das sei eben die Tragik von Diven jenseits ihres Verfallsdatums. „Mit Würde altern“ meint wahrscheinlich nur fernab der Augen der Öffentlichkeit, oder wenigstens zur Ikone gefroren, zum Marienbildnis, das man in aller Ruhe anbeten kann und das immer gleich selig und stumm zurücklächelt.

Als wäre Madonna nicht als das genaue Gegenmodell dieses Bildes angetreten: Als lebende, alternde, gelegentlich strauchelnde Mutter. 

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