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GeldstrafeMoskauer Gericht verurteilt TV-Demonstrantin mit Anti-Kriegs-Plakat

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Russin Fernsehprotest1

Mit einem Schild protestierte die Russin im Live TV.

Moskau – Die russische Demonstrantin Marina Owsjannikowa, die mit einem Anti-Kriegs-Plakat in einer Nachrichtensendung gegen die Militäroffensive in der Ukraine protestierte, hat sich am Dienstag vor einem Gericht in Moskau verantworten müssen.  Die Frau ist in Moskau zu einer Geldstrafe von 30 000 Rubel (226 Euro) verurteilt worden.

„Ich bin überzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht“

Die Angeklagte bekannte sich vor Gericht nicht schuldig. „Ich erkenne meine Schuld nicht an“, sagte Owsjannikowa im Gerichtssaal, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. „Ich bin überzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht“, sagte sie weiter. Russland sei „der Aggressor in der Ukraine“, fügte sie hinzu. Ihr Anwalt, Daniil Berman, beklagte vor dem Verfahren, dass er zu seiner Mandantin keinen Zugang habe und nicht wisse, wo genau sie festgehalten wurde.

Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bezeichnete die Aktion der Demonstrantin als „mutig“. Bei der Live-Ausstrahlung der wichtigsten Nachrichtensendung Russlands hatte es am Montag einen ungewöhnlichen Zwischenfall gegeben: Owsjannikowa, eine Mitarbeiterin des Senders, protestierte im Fernsehstudio mit einem Plakat und lauten Rufen gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine. Nach Angaben der Organisation OWD-Info wurde sie nach dem Vorfall festgenommen.

Russischer Sender: „Vorfall mit einer fremden Frau während der Aufnahme“

Der Sender sprach in einer von der Nachrichtenagentur Tass veröffentlichten Erklärung von einem „Vorfall mit einer fremden Frau während der Aufnahme“. Es werde eine interne Untersuchung geben. In einem zuvor aufgezeichneten Video, das von OWD-Info veröffentlicht wurde, erklärte Owsjannikowa, dass ihr Vater Ukrainer und ihre Mutter Russin sei. Deshalb ertrage sie es nicht, die beiden Länder verfeindet zu sehen.

„Leider habe ich in den vergangenen Jahren für Perwy Kanal gearbeitet und Propaganda für den Kreml gemacht. Dafür schäme ich mich heute sehr“, sagte sie. „Wir haben 2014 geschwiegen, als das alles erst begann“, sagte sie weiter und bezog sich damit offenbar auf die Übernahme der Krim durch Moskau und die Unterstützung der pro-russischen Separatisten in der Ukraine. „Wir sind nicht zu Protesten gegangen, als der Kreml (den mittlerweile inhaftierten Oppositionellen Alexej) Nawalny vergiftete. Wir haben dieses menschenfeindliche Regime einfach schweigend beobachtet. Und jetzt hat sich die ganze Welt von uns abgewandt.“

Oppositionsbewegung in Russland will Geldstrafe zahlen

Ein Video der Protestaktion während der Nachrichtensendung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Online-Netzwerken. Zahlreiche Internetnutzer lobten den „außergewöhnlichen Mut“ der Frau. Leonid Wolkow, der Nawalny nahe steht, kündigte auf Twitter an, die Oppositionsbewegung sei „bereit, jede Geldstrafe zu zahlen“, die gegen Owsjannikowa verhängt wird.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Owsjannikowa derweil konsularischen Schutz bieten. „Wir leiten diplomatische Maßnahmen ein, damit sie unter den Schutz der (französischen) Botschaft gestellt wird“, sagte Macron am Dienstag beim Besuch einer Aufnahmestelle für ukrainische Geflüchtete im Département Maine-et-Loire. Darüber wolle er auch „sehr direkt“ bei seinem nächsten Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprechen. „Frankreich verurteilt jede Inhaftierung von Journalisten“, sagte Macron.

Die Autorenvereinigung PEN forderte unterdessen die sofortige Freilassung der TV-Journalistin. „Berichte über Kriegsverbrechen dürfen nicht zensiert werden“, erklärte PEN-Vizepräsident Ralf Nestmeyer am Dienstag in Darmstadt. (das/afp/kna)

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