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Spotify verzichtet auf Neil YoungGegen diesen rechten Moderator wettert der Rockstar

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Neil Young (l.) will sich keinen Streamingdienst mit Joe Rogan teilen. 

Los Angeles – Sechs Millionen Menschen monatlich hören auf Spotify die Musik von Neil Young. Der Podcast „The Joe Rogan Experience“ wurde zu seinen besten Zeiten nach eigenen Angaben 190 Millionen Mal im Monat heruntergeladen (es gibt mehr als 1500 Folgen). Seit Dezember 2020 läuft der Podcast exklusiv auf Spotify und musste dementsprechend an Reichweite einbüßen. Der Musikstreamingdienst hat dem Moderator Joe Rogan für dieses Vorrecht rund 100 Millionen Dollar gezahlt.

Nun hat Young verkündet, seinen Musikkatalog von der Plattform entfernen zu wollen, so lange Spotify weiterhin die „Joe Rogan Experience“ beherbergt. „Sie können Rogan oder Young haben. Nicht beide“, schrieb der 76-jährige Rockstar in einem Offenen Brief auf seiner Webseite.

Der Rest ist simple Mathematik: Das schwedische Unternehmen hat umgehend reagiert und Youngs Musik aus seinem Programm genommen. „Wir bedauern Neils Entscheidung, seine Musik von Spotify zu entfernen, hoffen aber, ihn bald wieder begrüßen zu können“, teilte der Streamingdienst in einer Erklärung mit, die eher nach einer kaum verhaltenen Drohung aus dem Kreml klang.

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Lügen, gegen Geld verkauft

Inhaltlich lässt sich Neil Youngs Standpunkt unschwer nachvollziehen: Er wolle seine Musik zurückziehen, „weil Spotify gefälschte Informationen über Impfstoffe verbreitet und damit möglicherweise den Tod derjenigen verursacht, die den von ihnen verbreiteten Desinformationen Glauben schenken“, schrieb der kanadische Musiker seinem Management-Team. Es geht also nicht ausschließlich um Joe Rogan, allerdings wird der Moderator als einziger namentlich erwähnt. Sein Podcast, das seien. so Young, nur „Lügen, die gegen Geld verkauft werden.“ 

Rogan ist von Haus aus Stand-up-Comedian und Martial-Arts-Kommentator. Sein Podcast sollte zuerst nur der Werbung für seine Live-Auftritte dienen. Doch nach und nach hat Rogan ihn zu einer Plattform für freimütige Äußerungen bar jeder politischen Korrektheit ausgebaut, die in anderen Medien jenseits bestimmter Fox-Talkshows nicht sagbar, beziehungsweise nicht erwünscht wären. Manches davon ist harmloser Unfug, wie die berühmte Episode, in der Rogan Tesla-CEO Elon Musk dazu überredete an einem Joint zu ziehen.

Treffpunkt der Rechten

Vieles aber ganz und gar nicht. Längst ist die „Joe Rogan Experience“ zum beliebten Treffpunkt rechter und rechtsextremer Prominenter geworden. Vom Gender-Kritiker Jordan Peterson über den Alt-Right-Troll Milo Yiannopoulos bis hin zum Verschwörungsideologen Alex Jones: Ihnen allen überließ Rogan Stunden seiner Sendezeit. Einige der umstrittensten Folgen hat Spotify freiwillig aus seinem Programm genommen.

Nicht jedoch eine Folge, in welcher der Virologe Robert W. Malone gegen Impfstoffe und die Corona-Politik der amerikanischen Regierung wetterte. Die hätte, sagte Malone in der „Joe Rogan Experience“ ihre Bürger buchstäblich hypnotisiert, in dem sie Angst vor der Pandemie schüre. Es handele sich um eine Form von „Massen-Formations-Psychose“ (der Ausdruck ist der Wissenschaft unbekannt), wie sie auch die Deutschen in den 1920er und 30er Jahren ergriffen und die schließlich das NS-Regime an die Macht gebracht habe. Youtube entfernte einen Clip mit den „Höhepunkten“ des Gesprächs. Spotify beließ es in voller Länge im Programm.

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In einer älteren Folge hatte der Moderator behauptet, dass sich „junge, gesunde Menschen“ nicht impfen lassen sollten.

Am 10. Januar forderten mehr als 200 Mediziner und andere Akademiker Spotify in einem Offenen Brief dazu auf, „sofort eine klare und öffentliche Politik zur Moderation von Fehlinformationen auf seiner Plattform einzuführen“. Joe Rogan verbreite Fehlinformationen im verheerenden Ausmaß, die Misstrauen in Wissenschaft und Medizin schüren.

Es ist dieser Brief, dem sich Neil Young mit seinem Protest nun angeschlossen hat. Dass Spotify auf diesen nun nach rein betriebswirtschaftlicher Logik reagiert hat, zeugt von einer gewissen Doppelmoral: Einerseits zieht sich der Konzern auf die Argumentation zurück, dass er nur eine Plattform für die Inhalte unabhängiger Künstler sei. Andererseits hat Spotify Joe Rogan eine dreistellige Summe bezahlt, um sich an die Spitze der Content-Provider für Podcasts zu setzen.

Wer schließt sich dem Spotify-Boykott an?

Für Neil Young geht es nun darum, noch andere, möglichst  namhafte Künstler zum Spotify-Boykott zu bewegen. Man sollte den alten Grantler nicht unterschätzen.

Schon als der Musikvideokanal MTV im Jahr 1988 den satirischen Clip zu seiner Musikindustrie-Schelte „This Note’s For You“ aus seinem Programm verbannen wollte, hatte Young mit einem Offenen Brief reagiert: „MTV, ihr rückgratlosen Idioten. Ihr weigert euch, »This Note’s For You« zu spielen, weil ihr Angst habt, eure Sponsoren zu beleidigen. Wofür steht das »M« in MTV: Musik oder Geld?“

MTV gab damals klein bei, nahm den Clip in die Rotation auf und zeichnete ihn schließlich sogar noch als „Video des Jahres“ aus.

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