Neue App zu jüdischen Frauenleben in KölnEntdeckungsreise am Smartphone

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Köln – Jüdische Frauen tauchen in der Kölner Stadtgeschichtsschreibung weitgehend nicht auf, es sei denn, es geht um prominente Biografien wie die von Edith Stein oder Luise Straus-Ernst. Wie aber verlief das Leben, wie gestaltete sich der Alltag „normaler“ Jüdinnen, die das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ schließlich auch umfasst und feiert? Zumindest für das Mittelalter ist die Präsenz der Gemeinde nicht allein schriftlich wie durch Kaiser Konstantins berühmtes Dekret von 321, sondern auch archäologisch belegt. 1953 etwa brachten Räumarbeiten in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs zwei Grabsteine von Kölnerinnen aus dem 13. Jahrhundert zum Vorschein – erste Belege jüdischer Frauengeschichte in der Stadt. Diese erzählt die Historikerin Irene Franken nun mit neuen technischen Hilfsmitteln weiter, nämlich mit einer App, die zum multimedialen Spaziergang durch Köln einlädt. Irene Franken ist eine der Mitbegründerinnen des Kölner Frauengeschichtsvereins, der bereits an der Entwicklung einer Vorgänger-App beteiligt war: „Orte der Demokratie“ heißt dieses Tool, ein demokratischer Stadtplan, mit dessen Hilfe man sich zu 33 "Points of Interest" bewegen kann - von der Hülchrather Straße im Agnesviertel, wo sich Heinrich Böll vom Geld für den Literaturnobelpreis eine Wohnung gekauft hat, bis zum Chlodwigplatz in der Südstadt, wo die Bühne der antirassistischen Kundgebung "Arsch huh - Zäng ussenander!" stand. Texte, Bilder und Töne vermitteln multimedial die Bedeutung des jeweiligen Orts für die demokratische Entwicklung der Stadt, oder, wie im Fall des NS-Dokumentationszentrums in der ehemaligen Gestapo-Zentrale, auch für deren Gegenteil. Die App „Orte Jüdischen Frauenlebens“ setzt sich auf ebenso vielfältige Weise zusammen wie das Vorgänger-Modell. Ausführliche Texte stellen die Protagonistinnen vor, deren Wohnorte auf einer virtuellen Stadtkarte eingetragen sind. Darüber hinaus aber eröffnen Fotos und Audiodateien weitere Zugänge, so wie überhaupt multiperspektivisch gedacht und konzipiert wurde: Natürlich hängt die jüdische Frauengeschichte mit der Emanzipation der Juden, aber auch der Frauen zusammen, und so spielt auch eine Persönlichkeit wie Alice Neven DuMont eine Rolle, eine politische Vorkämpferin und Mitbegründerin des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine. Mit dem Smartphone in der Hand geht es so auf eine facettenreiche Entdeckungsreise, die vom mittelalterlichen Köln in die Zeit des aufkommenden Zionismus führt, die ebenso Antisemitismus und Gleichgültigkeit gegenüber jüdischen Frauenschicksalen wie auch intensive Freundschaften zwischen Frauen verschiedenen Glaubens beleuchtet.

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