Neue Sex-Sendung im WDR„Ich habe erst jetzt erfahren, dass die Klitoris Arme hat“

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Annabell Neuhof und Yared Dibaba

Annabell Neuhof und Yared Dibaba

Köln – Die WDR-Journalistin Annabell Neuhof war Anfang 30, als sie Mutter von Zwillingen wurde. Das Leben veränderte sich, die Beziehung zu ihrem Mann auch, der Sex schlich sich so „langsam aus unserem Leben“. So sollte das nicht bleiben.

„Aber das zu ändern, war auch nicht richtig einfach. Ich habe angefangen zu lesen und ständig kamen Infos, bei denen ich dachte: Warum erfahre ich das erst jetzt?“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „Zum Beispiel, dass die Klitoris nicht nur diese Perle ist, dass Sie Arme hat, Schwellkörper, dass sie in den Körper hineingeht und man sich nicht nur auf die sichtbare Perle stürzen muss.“

Solches Unwissen halte uns davon ab, Sexualität zu genießen. Und weil sie merkte, dass sie in ihrem Umfeld nicht die einzige war, der es so ging, kam sie auf die Idee für „Ohjaaa – Sex lieben“, ein Magazin zu Liebe, Sexualität und Partnerschaft, das nun im WDR startet.

Ehrgeiz geweckt

An ihre Seite holte sie Yared Dibaba. Er sagt über sich, er sei der klassische Mann: „52 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Eigentlich dachte ich, ich weiß alles, was ich wissen muss zum Thema Sex. Als Annabell mich fragte, ob ich mitmachen will, war meine Reaktion: Klar, ist ja kein Problem, über Sexualität zu sprechen.“ Auf der Bühne Witze zum Thema zu machen falle ihm leicht. „Aber je näher das kam, desto mehr wusste ich, dass ich doch gar nicht so viel weiß und so richtig öffentlich darüber sprechen wollte ich auch nicht.“ Doch sein Ehrgeiz war geweckt.

Jetzt reden die beiden in „Ohjaaa!“ also über das Thema, das alle interessiert, über das die meisten aber höchstens im engsten Freundeskreis sprechen. Nun könnte ein öffentlich-rechtliches Magazin über Sex natürlich schnell entweder piefig oder wie Schulfernsehen wirken, aber die beiden treffen den richtigen Ton. Sie reden etwa über Solosex und den Orgasmus miteinander. Sie befragen Experten und Expertinnen.

Die eigenen Unsicherheiten spüren 

Und sie tun das so, dass ihre eigenen Unsicherheiten deutlich zu spüren sind. „Wir wollen nicht behaupten, dass es leicht ist. Und wir wollen niemandem das Gefühl geben, er oder sie sei verklemmt oder komisch. Das ist nicht so“, sagt Neuhof. In unseren Gedanken seien zu viele Regeln und überkommene Moralvorstellungen.

„Diese ganzen Mythen und Tabus müssen wir ablegen“, betont Dibaba. „Das ist auch das Gemeine. Weil wir uns vornehmen, unsere Sexualität zu genießen, es uns durch diese Dinge, die in unseren Köpfen sind, aber versaut wird“, pflichtet ihm Neuhof bei.

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Das wollen beide ändern. Mit Leichtigkeit und dem Mut, über sich selbst zu lachen. „Es ist ein öffentliches Lernen, damit machen wir uns auch angreifbar, aber wir laden die Leute ein, mitzukommen auf diese Reise. Würde uns das superleicht fallen, wäre das nicht so zugänglich“, sagt Neuhof.

Dibaba spricht mit einem Urologen über die Prostata, und Neuhof besucht einen Kurs zum Thema Zervix-Orgasmus, einen Höhepunkt also, der durch die Stimulation des Muttermunds entsteht.

Bei solchen Selbstversuchen muss die Kamera natürlich draußen bleiben, aber von den intensiven Momenten erzählt sie hinterher sehr offen. Die beiden Moderatoren gehen auch darauf ein, wie unterschiedlich die Erwartungen an Männer und Frauen sind, wenn es um Sex geht. „Wir Männer stehen unter einem wahnsinnigen Druck, immer liefern zu müssen und Frauen stehen zumindest historisch betrachtet unter dem Druck, den Mann glücklich machen zu müssen. Das ist ja auch ein falsches Bild von Sexualität“, sagt Dibaba. Dieser Performance-Gedanke bewirke das Gegenteil von dem, was wir wollen: „Druck hilft gar nicht.“

Die Orgasmuslücke

Neuhof verweist auf die Orgasmuslücke. Circa 95 Prozent der Männer in einer heterosexuellen Beziehung kommen beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus und nur 65 Prozent der Frauen. „Und das hat nichts damit zu tun, dass es so wahnsinnig viel schwieriger ist, Frauen zum Orgasmus zu bringen. Die Bedürfnisse sind einfach unterschiedlich. Frauen denken oft, sie seien unzulänglich, könnten irgendetwas nicht.“ Das sei falsch.

Die Erwartungshaltung der Gesellschaft sei vielmehr problematisch. „Wir sollen sexuell reizvoll sein, aber gleichzeitig auch Mutter und Heilige. Wie soll man das zusammen bringen? Das geht nicht und macht es für Frauen ganz schwer, ihre Sexualität zu erforschen und klar zu sagen: Das und das brauche ich, um meine Lust genießen! Ich finde, wenn man sich bei irgendwas Mühe geben sollte im Leben, herauszufinden, wie es funktioniert, dann doch beim Orgasmus.“

„Ohjaaa! – Sex lieben“ läuft ab 17. Juni immer donnerstags um 22.15 Uhr im WDR Fernsehen. Die drei ersten neuen Ausgaben stehen in der ARD-Mediathek. Im gleichnamigen Podcast werden viele weitere Themen aufgegriffen.

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