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Neuer Film über Bastian SchweinsteigerWas hat Til Schweiger in der Doku zu suchen?

Lesezeit 5 Minuten
Bastian Schweinsteiger im Bauch des Stadions von Chicago Fire

Bastian Schweinsteiger im Bauch des Stadions von Chicago Fire

Dokumentationen über Fußballspieler scheinen ein einträgliches Geschäft zu sein. Nach Toni Kroos und Mario Götze hat sich nun ein Team um Regisseur Robert Bohrer den fußballerischen Raumleser Bastian Schweinsteiger als Beschreibungsobjekt vorgenommen, und damit den dritten Weltmeister von 2014. Lebensbeschreibungen von Diego Maradona gibt es überdies gleich mehrere, einen Spielfilm gar über Pelés frühe Schaffenszeit, während gerade auf Netflix mit großem Erfolg das Leben eines weiteren Sportstars, des unglaublichen Basketball-Helden Michael Jordan, in gleich zehn Serienteilen zu verfolgen ist. Es scheint, als gingen Produzenten mit der Zeit, denn der Sport hat sich längst als gigantischer Wirtschaftsfaktor einer zunehmend wachsenden Unterhaltungsbranche etabliert.

Charismatischer Spieler

Und so kann es nicht verwundern, dass nun auch Bastian Schweinsteigers Leben ausgeleuchtet wird, eines Spielers mithin, der ähnlich wie Kroos fußballerisches Genie mit einer großen Portion Charisma mischt – womit die beiden sich, das nur nebenbei, deutlich von Mario Götze abheben.

Was zunächst in dem Film mit dem Titel: „Memories – Von Anfang bis Legende“ auffällt, ist Schweinsteigers staatsmännische optische Veränderung. Auftritt im dunklen Shirt mit Sakko, die mittlerweile grauen Haare fein zu einem Scheitel frisiert. Kein Vergleich mehr zu dem jungen Welteroberungskopf, auf dessen Plateau sich in Anfangstagen Frisurunfälle en masse häuften. Nun aber ähnelt Schweinsteiger im Profil einem edlen Schauspieler, der sich selbst spielt.

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Erinnerungen, englisch memories, sind der rote Faden des Films, den Til Schweiger, ein Freund der Familie Schweinsteiger, produziert hat. Schweinsteiger sagt zu Beginn: „Für mich das Wichtigste sind Erinnerungen. Das ist das Schönste, was man haben kann. Irgendwann zu Hause sitzen mit meiner Familie und über Erinnerungen sprechen. Memories.“ Damit ist der Plot geschrieben. Denn es geht weit zurück, hin zu den Anfängen nach Oberaudorf im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. Private Filmaufnahmen zeigen den Jung-Fußballer Bastian Schweinsteiger, umsichtig und passsicher damals schon, der auch als Skifahrer reüssiert, und in der Welt des Schnees und der Pisten Freundschaft schließt mit Felix Neureuther, dem später so erfolgreichen deutschen Alpin-Star. Schweinsteiger schlägt Neureuther gar in einem wichtigen Duell in Südtirol.

Heimlicher Star des Films ist aber Ana Ivanovic, die zauberhafte Ehefrau des Dokumentierten. Die beiden unterhalten sich untereinander auf Englisch. Ana Ivanovic ist Serbin und war in ihrem Sportlerleben einst für zwölf Wochen die Nummer eins der Tennis-Welt und 2008 Siegerin des Pariser Grand-Slam-Turniers. Die beiden flachsen viel, sie verstehen sich blendend, ihr Glück ist nach der Geburt ihrer Zwillings-Jungs gerade perfekt.

Schweinsteiger, ein sehr guter Tennisspieler auch er, verabredet sich in einer Passage des Films mit seiner Frau zu einem Match. Sie fragt ihn: „So wie immer? 30:0 für dich? Oder willst du mehr?“ Will er nicht. Aber natürlich reicht auch dieser Vorsprung dem Ex-Fußballer nicht, um der Ex-Profispielerin einen Satz abzunehmen.

Erinnerungen. Im Film thematisieren sie sehr wohl auch die dunklen Momente von Schweinsteigers Karriere. Die Rote Karte bei der EM 2008, seine schwere Zeit bei Manchester United und, natürlich, die seelisch immer noch nicht verdaute Niederlage im „Finale dahoam“, als in München der Champions-League-Titel 2012 zwischen Schweinsteigers FC Bayern und dem FC Chelsea ausgespielt wurde. Im Elfmeterschießen vergab Schweinsteiger, der Bayer im Bayern-Dress, den letzten Elfmeter. Chelsea gewann. Ein Jahr zudem, in dem Schweinsteiger mit seinem Klub auch noch das Pokal-Finale gegen Dortmund verlor, aus Bayern-Sicht „nur“ Vizemeister wurde und mit der DFB-Elf bei der EM im Halbfinale an Italien scheiterte. Eine grauenhafte Saison für einen Bayern-Star also.

Zwei Jahre später jedoch ist alles vergessen – auch dank Schweinsteiger. Der spielt inzwischen grandios in der Rolle des Quarterbacks, des Raumlesers im Mittelfeld, der in der Lage ist, Situationen zu antizipieren, Spielzüge vorauszudenken und Pässe zu spielen, scharf und passend. Schweinsteigers persönlicher Aufstieg in die absolute Weltklasse mischt sich mit persönlichem Erfolg – dem Sieg in der Champions League 2013 gegen Dortmund und dem Gewinn des WM-Titels 2014. Held im Finale gegen Argentinien war nicht nur der Torschütze Mario Götze, sondern vor allem er, Bastian Schweinsteiger, an diesem Tag genialer Spieler und brachialer Kämpfer.

Das Team um Regisseur Bohrer hat ganz wundervolle Gesprächspartner gefunden. Warmherzig erzählen Bayerns Ex-Präsident Uli Hoeneß und Ex-Trainer Jupp Heynckes von und über Schweinsteiger, seinem liebevollen Wesen, seiner dominanten sozialen Rolle in der Gruppe und seiner fußballerischen Brillanz. Spannend auch der Vortrag, den Münchens ehemaliger Trainer Louis van Gaal hält, der die für Schweinsteiger karriereprägende Idee hatte, den Spieler von außen ins Zentrum des Spiels zu postieren.

Warum spricht Til Schweiger?

Warum aber Til Schweiger, dessen Gerede über Fußball unerheblich ist, als Gesprächspartner in dem ansonsten ja sehr sehenswerten Film unbedingt auftreten musste, erklärt sich nur mit dem Narzissmus des Produzenten. Dieses durchsichtige, egozentrische Manöver wirft einen Schatten auf den Film. Da hätte sich Schweiger schlicht zurücknehmen müssen.

Der Film

Der Dokumantarfilm „Schw31ns7eiger: Memories – Von Anfang bis Legende“ ist ab sofort beim Video-Streamingdienst Amazon Prime Video verfügbar.

Die Doku beginnt und endet in den USA, Schweinsteigers letzter Station. Bewegende Bilder sind zu sehen, als Schweinsteiger in der Kabine des Stadions von Orlando seinem Team, den Chicago Fire und den Trainern seinen Rücktritt verkündet. Tränen fließen, untermalt von hymnischer Musik. Die Kollegen umarmen den Weltmeister, dessen Ehrentitel Legende aus dem Film-Titel nicht übertrieben ist. Sondern passend.

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