Neuer Roman von Hanne HippeLiterarische Zeitreise ins Nachkriegs-Köln

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Hanne Hippe hat ihrer Mutter – und allen unkonventionellen Frauen der 50er und 60er Jahre – einen Roman gewidmet.

Köln – Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die kein Autor und keine Autorin sich jemals ausdenken würde – einfach, weil sie viel zu übertrieben klingen. Die Geschichte von Hanne Hippes Vater zum Beispiel, der aus einer assimilierten jüdischen Familie stammt.

Erst war er Offizier in Hitlers Armee, nach dem Krieg arbeitete er dann für die Amerikaner und floh später in die DDR, weil seine kriminellen Geschäfte aufgeflogen waren und er deswegen nicht ins Gefängnis wollte. In der DDR sollte er zum Spion ausgebildet werden, aber kurz vor dem Mauerbau setzte er sich wieder in den Westen ab.

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Kein Wunder, dass der Agent der Autorin begeistert war, als sie ihm davon zum ersten Mal  erzählte. Und kein Wunder, dass er hartnäckig nachbohrte, bis Hanne Hippe diese Geschichte schließlich aufschrieb. Doch trotz seines spektakulären Lebenslaufs ist ihr Vater gar nicht die Hauptperson des Romans geworden. Das verrät schon der Titel: „Die Geschichte einer unerhörten Frau“.

Denn das Leben von Hanne Hippes Mutter ist tatsächlich mindestens genauso spannend: Als die zweifelhaften Machenschaften ihres Mannes aufflogen, ließ sie sich scheiden und schlug sich  alleine mit ihren beiden Kindern durch. Was heute auch nicht leicht ist, aber längst nicht mehr gesellschaftlich so verpönt wie damals.

Viel Kölner Lokalkolorit

Der Roman spielt hauptsächlich in Köln, wo Hanne Hippe aufwuchs und heute auch wieder wohnt. Kölner Leserinnen und Leser werden sich in dieser Geschichte also gleich zu Hause fühlen – wenn auch mit einer Zeitmaschine ein paar Jahrzehnte zurückversetzt.

Vieles kann man sich inzwischen – zum Glück – kaum noch vorstellen: Zum Beispiel, dass evangelische Kinder in Köln damals „regelrechte Exoten“ waren, wie Hanne Hippe erzählt. Und auf  katholischen Volksschule nicht aufgenommen wurden – mit dieser Szene beginnt das Buch. Dass sie deswegen einen viel weiteren Schulweg hatte - daran erinnert sich die Autorin noch lebhaft. Auch sonst ähneln die Figuren der Geschichte ihrer eigenen Familie.

Trotzdem ist es ihr wichtig, dass sie nicht einfach eins zu eins ihre Familiengeschichte aufgeschrieben hat – nicht ohne Grund steht „Roman“ auf dem Cover.

Bei manchen Kapiteln wäre sie ganz ohne Fiktion auch nicht weit gekommen. Schließlich wurde sie erst 1951 geboren und hat die Flucht ihrer Mutter aus Breslau - über die sie im Roman auch schreibt -  gar nicht miterlebt.

Schweigsame Kriegsgeneration

Und besonders viel erzählt hat die Kriegsgeneration später auch nicht davon: „Da hieß es nur: »Das war nicht so schön, da wollen wir nicht drüber reden«“, sagt Hanne Hippe: „Dann habe ich mir eben selbst überlegt: Was kann da passiert , wie könnte das gewesen sein?“

Krieg, Flucht, gesellschaftliche Ausgrenzung: Das alles wäre auch düsterer, tragischer Stoff. Aber das ist nicht Hanne Hippes Stil, sie will ihre Leser und Leserinnen gut unterhalten und auch zum Lachen bringen.

Ihr Erzählstil, sagt sie, sei geprägt von der angelsächsischen Erzähltradition. Schließlich hat sie lange in England und Irland gelebt. Und von der angestrengten deutschen Trennung zwischen Populär- und Hochkultur hält sie als begeisterte Krimi-Autorin ohnehin nichts.

Geschichte einer Emanzipation

„Die Geschichte einer unerhörten Frau“ erzählt ein Stück Zeitgeschichte der 50er und 60er Jahre, aber vor allem auch die Geschichte einer Emanzipation. Das Thema liegt Hanne Hippe, die selber in den 70ern für Frauenrechte auf die Straße ging,  sehr am Herzen.

Zur Person und zum Buch

Hanne Hippe veröffentlichte bisher zehn Romane. Als freie Autorin und Journalistin arbeitete sie für die ARD, besonders im Bereich des Hörfunk Features.  Unter dem Pseudonym Hannah O'Brien  schreibt sie eine erfolgreiche Krimi-Reihe. „Die Geschichte einer unerhörten Frau“, Goldmann, 433 Seiten, 20 Euro, E-Book 15,99.

Vielleicht werden wir darüber bald noch mehr erfahren. Denn ein Nachfolge-Roman ist schon geplant und Eva – so etwas wie Hanne Hippes Roman-Alter-Ego - ist ein rebellisches Mädchen.

Ihre erste Jeans („Texashosen“) kauft sie schon in den letzten Kapiteln des Romans mit 14 Jahren bei „Link Berufskleidung“ am Alter Markt und erregt damit sofort Anstoß beim Schuldirektor. Es dürfte also  spannend werden, ihr weiter ins Köln der 60er und 70er Jahre zu folgen.

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