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Nichts geht über das Original - Was Prince verschenkte

Lesezeit 5 Minuten

Berlin – Was schlummert da noch im Nachlass von Prince, dem 2016 mit gerade mal 57 Jahren gestorbenen Megastar der 80er und 90er? Es dürfte noch eine gewaltige Menge toller Musik sein.

Das jetzt erschienene Album „Originals” wirft ein Licht auf die schier unerschöpfliche Songwriter-Kreativität des kleinen, großen Prinzen aus Minneapolis in seinen besten Jahren.

„Originals” (Prince Estate/Warner) umfasst 15 Songs, die Prince für andere Künstler komponierte oder beiläufig an befreundete Musiker verschenkte - ein Luxus, den sich kaum ein anderer Star dieser Zeit leisten konnte, wie man jetzt erst recht weiß. Denn dies sind zwar offiziell überwiegend „nur” Demo-Versionen von später noch weiter ausgearbeiteten Liedern, aber was heißt das schon bei Prince. Der Multi-Instrumentalist konnte in seinem Heimstudio auch diese Vorstudien solo so aufnehmen, dass sie bereits wie vollwertige Tracks klangen. Auch die Soundqualität ist hervorragend.

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Viele Tracks - etwa die knackigen Funkrocker „Sex Shooter” und „Jungle Love”, die fantastische Ballade „Baby, You're A Trip”, das Groove-Monster „100 MPH” - nahmen später Bands und Sänger aus dem unmittelbaren Umfeld des Crossover-Genies auf: Apollonia 6 und Vanity 6 etwa, die Sexy-Girl-Bands der mittleren 80er; seine Kumpels von The Time, Mazarati und The Family; weniger bekannte Prince-Gespielinnen wie Jill Jones oder Taja Sevelle, aber auch seine großartige langjährige Schlagzeugerin Sheila E. für ihre Solo-Platten.

Fast all diese Tracks waren schon damals gut, in den nun veröffentlichten „Originals”-Versionen des Meisters selbst sind sie noch besser. Die bekanntesten Stücke dieser Kompilation sind vier kleinere oder große Hits aus der Prince-Feder - für Country-Star Kenny Rogers („You're My Love”), die Popsängerin Martika („Love...Thy Will Be Done”), die wunderbare Frauenband The Bangles („Manic Monday”) und natürlich Sinead O'Connor („Nothing Compares 2 U”).

Vor allem die beiden letztgenannten wurden Welterfolge. Und sie klingen in der „Demo-Version” des Pop-Mozarts mindestens genauso stark. Was dieser Mann auch als Sänger draufhatte, vom höchsten Falsett bis zum Crooner-Bariton in „You're My Love” - unfassbar!

Nach „Piano And A Microphone 1983” und „Rave Un2 The Joy Fantastic” werfen die Prince-Nachlassverwalter mit „Originals” nun also bereits das dritte Qualitätsalbum innerhalb knapp eines Jahres auf den Markt. Und ein Ende der nach und nach geborgenen Fundstücke aus der jetzt schon legendären „Prince Vault” - dem Tresor mit seinen zahllosen Aufnahmen - ist nicht in Sicht.

In einem sehr aufschlussreichen Interview von „Spiegel Online” sagte Prince-Nachlasskurator Michael Howe: „Die Menge an Musik, die Prince produziert und dann verworfen hat, ist gewaltig, es ist nicht einfach, da Ordnung reinzubringen. Wir sind zu zweit: Ein Prince-Fachmann, der mich unterstützt, und ich. Wir verbringen jeden Tag in diesem Archiv. Hier lagert noch Arbeit für viele Jahre.” Er habe das Material „komplett nach Los Angeles bringen lassen, wo es an einem geheimen und sicheren Ort in Hollywood sehr gut bewacht wird. Man könnte es eine Festung nennen.”

Das letzte Wort zur Veröffentlichungspolitik habe die Prince-Erbengemeinschaft. „Ich unterbreite Vorschläge, und die Erben entscheiden, ob es umgesetzt werden soll”, sagt Howe. „Dann wird darüber debattiert, ob Prince glücklich mit dem Projekt wäre. Beteiligt sind daran nur Leute, die Prince gut kannten und eng mit ihm zusammengearbeitet haben.”

Howe betont, dass es hier nicht um schnöde Geldmacherei gehe, sondern um sorgfältige Aufarbeitung eines enormen, bisher unbekannten künstlerischen Werks: „Alles muss vorsichtig restauriert werden, was sehr aufwendig ist. Wir müssen ständig abwägen, ob wir erst alles retten wollen oder gezielt nach kommerziell lukrativen Aufnahmen suchen. Schwierig.” Und er fügt hinzu: „Nicht alles, was in diesem Archiv lagert, sollte auch zwangsläufig veröffentlicht werden, wenn es nach mir ginge. Manche Aufnahmen werden nur gesichtet und erst mal nicht weiter eingeplant.”

Auch im Fall von „Originals” war die Sache nicht ganz unkompliziert, sagt Howe: „Wir haben die Versionen, die Prince auf Tonband eingelagert hat, genutzt und klanglich aufpoliert. Schwierig waren Songs, die nur auf Kassetten zu finden waren, weil die so schlecht klangen, dass wir viel nachbessern mussten, natürlich exakt getreu der Vorlage. Viele dieser Songs sind selbst illegal noch nie zu hören gewesen. Da sind auch für Prince-Sammler mit umfangreichen Sammlungen noch Überraschungen dabei.”

Und warum brachte Prince Songjuwelen wie die von „Originals” am Ende nicht selbst heraus? Der geniale Musiker hat sich dazu nicht geäußert, sein Nachlassverwalter rätselt selbst ein wenig: „Wenn ich darüber Spekulationen anstellen würde, wäre das unseriös. Nur so viel: Man kann Prince zwar als wankelmütig bezeichnen, aber er hatte eine extrem klare künstlerische Vision. Und wenn man das in Betracht zieht, dann passten die jeweils versenkten Songs wohl gerade nicht zu seinen derzeitigen Plänen.”

Doch immerhin habe Prince „einige Male gesagt, ihm sei bewusst, dass der Inhalt seines Archivs posthum veröffentlicht würde”. Nach Howes Einschätzung „wäre genug Material da, um viele, viele, viele Jahre lang Prince-Alben veröffentlichen zu können, ja. Die Entscheidung darüber fällen aber andere. Es ist auch rechtlich nicht so einfach, weil verschiedene Plattenfirmen und Musiker beteiligt sind. Für die nächsten 18 Monate haben wir immerhin konkrete Pläne, was kommen wird.”

Es geht also wohl rasch weiter mit Veröffentlichungen aus der Prince-Schatzkiste. (dpa)

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