Oliver Polaks Roman über Online-Dating„Jemanden abzugreifen, ohne greifbar zu sein“

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Oliver von Polak.

  • Oliver Polak ist Comedian, Autor und Moderator.
  • Sein neues Buch „L’amour numerique“ handelt von der Liebe im digitalen Zeitalter.
  • Der Autor wird den Roman am 25. Oktober im Rahmen einer Lesung in Köln vorstellen.

Köln – Oliver Polak liest keine Bücher – zumindest behauptet er das über sich. Aber er schreibt welche, sehr erfolgreich sogar. In seinem Debüt „Ich darf das, ich bin Jude“ erzählte er unter anderem davon, wie es ist, in der einzigen jüdischen Familie im emsländischen Papenburg aufzuwachsen. Nach diesem Bestseller und einer dreijährigen Tour als StandUp-Comedian musste er wegen schwerer Depressionen in die Psychiatrie. Stoff für sein zweites Buch: „Der jüdische Patient“ (2014).

Es ging in seinen Büchern schon immer um viel mehr als das Jüdisch-Sein. Darauf will der 46-Jährige nicht reduziert werden: „Die Leute sind zu faul und wollen hier immer alles gerne in Schubladen stecken.“ Und sein neues Buch „L’amour numerique“ passt beim besten Willen nicht mehr in die Schublade „Judentum/lustig“. Es geht um die Liebe. „Um die Höhen, aber auch die Tiefen des Online-Datings. Um menschliche Schwächen, um Brüche, um Sehnsüchte, um Abgründe auf der Suche nach Liebe - vor allem aber nach sich selbst“, sagt der Autor.

„L’amour numerique“ hat autobiographische Züge

Ob es auch um Oliver Polak geht? Wer weiß. Es ist das erste Mal, dass bei ihm „Roman“ auf dem Cover steht. Die Hauptfigur ist namenlos, ähnelt dem Autor aber in vielem frappierend. Die einzelnen Episoden springen durch die Lebensgeschichte des Erzählers und tragen Orte als Überschrift: New York, zum Beispiel, Budapest, Berlin, Emsland. Aber vor allem und immer wieder: Paris. Hier steht er zu Beginn vor dem „Café de Flore“, um endlich die Frau zu treffen, mit der er sich schon seit einem Jahr schreibt. Er ist zu spät, sie ist nicht (mehr) da, ihr Profil in der Dating-App wurde gelöscht. Stattdessen taucht eine andere Frau auf. Und dann noch eine, noch eine... Dates sind nicht das Problem, Tinder sei Dank. Aber die Liebe?

Zur Person und zur Lesung

Oliver Polak ist Comedian, Moderator und Autor. Außerdem macht er mit Micky Beisenherz den wöchentlichen Podcast „Friendly Fire“.

Am Dienstag, 25. Oktober, liest Oliver Polak um 20 Uhr im Kölner Gebäude 9 aus „L’Amour Numérique“, Karten kosten 22 Euro.

„L’amour numérique“, Suhrkamp, 109 Seiten, 15 Euro. Bei Suhrkamp sind von ihm außer „Der jüdische Patient“ und „Ich darf das, ich bin Jude“ noch das Sachbuch „Gegen Judenhass“ (2018) erschienen.

„Gerade während Corona sind diese ganzen Dating-Apps ja explodiert. Als man alleine zu Hause saß, diese Sehnsucht nach Zweisamkeit. Die versuche ich zu greifen“, sagt Oliver Polak. Und so ist es eigentlich eher ein Buch über Einsamkeit geworden, als über Liebe. Ein zutiefst melancholisches Buch, bei aller Situationskomik.

Oliver Polak machte schon bei Netflix „Your life is a joke“ Comedy aus dem Leben

Oliver Polak schont nichts und niemanden. Sich zuallerletzt. Depressionen, Ängste, seine Hodenkrebs-Erkrankung, Übergewicht – er stellt sich bloß. In seinen Büchern, aber auch auf Bühnen, vor Kameras und Mikros. Gerade am Anfang seiner StandUp-Karriere erarbeitete er sich einen Ruf als komplett tabulos. Machte nicht nur Witze über Juden, sondern auch Gags über Pädophilie oder Vergewaltigung. Je krasser, desto besser.

Viele waren deswegen überrascht von seinem Fingerspitzengefühl, das er seit 2015 in der TV-Reihe „Das Lachen der anderen“ bewies, die mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Zusammen mit Micky Beisenherz traf er unter anderem Menschen mit Down-Syndrom und Kleinwüchsige – um aus diesen Treffen ein Stand-up-Comedy-Programm zu destillieren. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert sein Format „Your Life is a Joke“, das im vergangenen Jahr auf Netflix startete. Auch hier trifft er Menschen, um danach eine Comedy-Einlage aus deren Leben zu machen. Nur dass es dieses Mal um Medienprofis wie den Schauspieler Christian Ulmen geht.

Mit Toto-Zitaten durch den Dating-Dschungel

Routine, Gewohnheit – das ist nichts für ihn. Er sucht Herausforderungen, immer wieder: „Ich habe eine ängstliche Seite, gleichzeitig gepaart mit Neugier und Mut. Das treibt mich dann oft nach vorne. Das ist nur manchmal sehr anstrengend mit der Angst. Aber ich begreife mich immer mehr. Dass es das permanente Glück nicht gibt, dass alles andere auch dazu gehört. Und dass man Geduld mitbringen muss. Die ich manchmal überhaupt nicht habe.“ Doch ohne geht es nicht – auch nicht in der Liebe.

„Hold the line, love isn’t always on time“ („Bleib’ dran, Liebe ist nicht immer pünktlich“) dieses Zitat aus dem Hit der Band Toto hat Oliver Polak seinem Buch vorangestellt. Geduld – schwer zu akzeptieren in einer Zeit, in der so vieles mit nur einem Klick oder Wisch verfügbar ist. „Ich öffne meine Dating-App. Keine neuen Matches. Dating-Apps, die Bequemlichkeit, jemanden abzugreifen, ohne greifbar zu sein. Der, die Nächste, mit dem, mit der ich mich nicht auseinandersetzen muss“, heißt es im Roman.

Melancholie und Witz gehen gut zusammen

Maja, Rozi, Fabiana, Eduarda, Clara, Noemi, Amanda und all die anderen sind irgendwann wieder weg. Der einzige treue Gefährte für den Erzähler bleibt sein alter, kranker Hund, auch er heißt Toto:. „Du bist der perfekte Hund, du riechst wie ein Hund, du bist weich, hast einen wunderbaren Charakter, bist sanft und verspielt, gütig, treu. All das, was ich in meinem Leben bis heute nie bedingungslos mit jemandem teilen konnte. Bitte geh noch nicht. Bleib. “ Oliver Polak ist selbst leidenschaftliches Hunde-Herrchen: „Als ich diesen Abschiedsbrief geschrieben habe, habe ich Rotz und Wasser geheult“, gibt er zu.

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Ob er denkt, dass das Buch für einen Comedian ziemlich traurig geraten ist? „Ich finde auch, dass es eine Melancholie hat“, sagt er. Aber bei einer ersten Lesung hätten die Leute sich zwischenzeitlich „Schrott gelacht“. Tragik und Komik, sagt er, liegen eben oft sehr nah beieinander. Und Oliver Polak ist der letzte, der jemandem das Lachen übel nehmen würde: „Das ist ja grundsätzlich ein Problem, dass manche Leute Angst haben zu lachen, weil das dann auch wieder falsch ist, wenn man mal Humor hat. Aber ich hinterfrage das Lachen nicht.“

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