Eine theatrale Musik-Skulptur in sechs Miniaturen bringt das Kölner Ensemble des theater-51grad an drei Abenden in der Orangerie zur Aufführung. "Deltax Physik" und "Paralyzed Psychologie" heißen die ersten Themenschwerpunkte, die Regisseurin Andrea Bleikamp und die Dramaturgin Rosi Ulrich dem Publikum vorstellen. Es sind knapp halbstündige Miniaturen aus Musik, Theater-Texten und Videokunst, die sich auf unterschiedliche Weise dem allgemein verbreiteten Gefühl der Verunsicherung nähern.

Die Zuschauer liegen auf Sitzsäcken und richten den Blick gegen die Decke des Saales, wo der Videokünstler Jens Standke in Live-Videoregie einen Bildteppich aus vorproduzierten, animierten, aber auch Livebildern auf die über den gesamten Zuschauerraum gespannte Leinwand projiziert. Die ungewöhnliche Lage soll den Orientierungssinn des Zuschauers aus dem Gleichgewicht bringen. Dazu wummern schwere Bässe durch den Raum. Die Untersuchungen des deutschen Physikers Werner Heisenberg zur Unschärferelation werden von Schauspieler Fabian Ringel und den beiden aus dem Off zu hörenden Sprechern Karin Kettling und Oliver Schnelker zur Sprache gebracht. Was da auf den Betrachter einprasselt ist eher ein Sprachgewitter an Schlagworten, die zudem verfremdet und in Loops sich wiederholend, eher für Ratlosigkeit, denn Erkenntnisgewinn sorgen. Viel anders verläuft auch die zweite Hälfte des Abends nicht. Diesmal wird das Phänomen der "Pluralistischen Ignoranz" an einem Beispiel behandelt. Im April 2017 ging der Fall eines Fluggastes der United Airlines durch die Medien, der gewaltsam aus dem Flugzeug entfernt wurde, weil die Airline den Flieger aus Gründen der Gewinnmaximierung überbucht hatte. Die Diplompsychologen Karin Duda-Kirchhof und Oliver Kirchhof hatten dieses Fallbeispiel zum Anlass genommen, das Verhalten von Menschen in schwer einschätzbaren Situationen zu untersuchen. Bilder des Vorfalls und Reaktionen aus der Netzgemeinde flimmern verfremdet auf der Leinwand, bis der Musiker Paulo Àlvares am Flügel mit einem Stück experimenteller Musik einen Kontrapunkt zum Vorhergezeigten setzt. Warum bleibt rätselhaft. Dann erzählt Fabian Ringel kurz von der psychologischen Unschärfesituation, die sich aus einer mangelnden moralischen Bewertung von Augenzeugen in Ausnahmesituationen ergibt - da ist der Abend schon abrupt beendet. Er hinterlässt mehr Fragen als Antworten und die leise Hoffnung, dass die Skulptur mit ihrer letzten Aufführung für Erhellung sorgt.

Termine: 1.- 4.3. "Souveräne Unschärfe Politik + Smart Factory Wirtschaft", Orangerie-Theater