PassionsgeschichteDie letzten Stunden des Jesus von Nazareth

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Passion_Aufmacher

Die biblische Passionsgeschichte ist unzählige Male illustriert worden. Unser Autor Joachim Frank erklärt mit Hilfe der „Lyversberg-Passion“ aus dem Wallraf-Richartz-Museum, was von Gründonnerstag bis Ostern passiert ist.

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Das letzte Abendmahl

Als frommer Jude hielt Jesus mit seinem Jüngerkreis vor dem Paschah-Fest (auch Pessach-Fest) das vorgeschriebene Mahl zur Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Jesus war der Vorsteher der Feier und sprach so den rituellen Segen über Brot und Wein, gab ihnen danach aber einen neuen Sinn mit den Worten „Das ist mein Leib – für euch gegeben. Das ist mein Blut – für die Vielen vergossen.“ Schon die urchristliche Gemeinde entwickelte die Liturgie einer sonntäglichen Mahlfeier, die an den Tod und die Auferstehung Jesu erinnern sollte. In der Szene der Lyversberg-Passion sitzt Judas noch mit am Tisch. Zu erkennen ist der Kassenwart der Apostel am Geldbeutel an seinem Gürtel. Er wird kurze Zeit später die Runde verlassen, um Jesus an die jüdischen Autoritäten zu verraten.

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Die Gefangennahme

Von der Verhaftung Jesu am Stadtrand von Jerusalem, dem Leidensweg bis zum Tod am Kreuz und der Auferstehung bieten die vier Evangelien im Neuen Testament abweichende, zum Teil widersprüchliche Abläufe. Die in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts entstandenen Lebensberichte wollen keine Biografien im modernen Sinn sein, sondern religiös gedeutete Geschichte. In der Szene der Gefangennahme steht Judas neben Jesus. Sein Kuss ist das verabredete Zeichen, an dem die Tempelwache Jesus erkennen soll. Das Motiv für den Verrat des Judas ist umstritten. Die Nebenszene vorn links betont die Friedfertigkeit Jesu: Bei dem Versuch, Jesus zu verteidigen, schlägt der Apostel Petrus einem der Häscher das Ohr ab. Jesus aber heilt die Verwundung und verbietet den Einsatz von Waffengewalt. 

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Die Verspottung

Jesus hatte das „Reich Gottes“ angekündigt. Als politischer Anspruch missverstanden, machte seine Predigt ihn als Aufrührer und Hochverräter verdächtig. Dies führte zu seiner Verhaftung und dem anschließenden Prozess. Die Hauptszene zeigt Jesus mit der Dornenkrone und einem Umhang in der Königsfarbe Purpur. Beides sind Requisiten einer Huldigungsparodie durch die römischen Soldaten, die mit der Hinrichtung beauftragt sind. Der König der Juden soll in seiner Ohnmacht der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Der Maler gibt etliche mittelalterliche Spottgesten wieder: Einer der Schergen rechts reißt das Maul, der vorne zeigt die vulgäre Geste der Feigenhand (fica), vergleichbar dem Stinkefinger. Die Nebenszene hinten links zeigt die Geißelung als Folter des Delinquenten. 

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Jesus vor Pilatus

Das Recht zur Todesstrafe lag in der römischen Provinz Judäa beim kaiserlichen Statthalter. Unter der Regentschaft des Kaisers Tiberius versah der Adlige Pontius Pilatus von 26/27 bis 36/37 dieses Amt. Seinem Urteil gegen Jesu ging eine Art Voranklage durch das geistliche Establishment der Juden voraus. Es übersetzte die bedrohliche Kultkritik Jesu in das römische Rechtssystem, indem es Jesus des Majestätsverbrechens gegen den Kaiser beschuldigte.  Die Szene zeigt die Handwaschung, einen alttestamentlichen Unschuldsritus, den der Römer Pilatus historisch kaum vollzogen haben dürfte. Neben ihm steht seine Frau Procla, die ihn eindringlich vor einer Verurteilung Jesu warnt. Laut dem Evangelisten Matthäus geschah dies aber nicht – wie hier – persönlich, sondern durch einen Abgesandten.

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Der Kreuzweg

In der Antike galt die Kreuzigung  als schmählichste, „grausamste und fürchterlichste Todesart“ (Cicero). Für die Juden war sie zugleich Hinweis auf einen „von Gott Verfluchten“. Der Verurteilte musste nicht – wie hier gezeigt – das gesamte Kreuz, sondern nur das Querholz zum Richtplatz schleppen, im Fall Jesu zur Anhöhe Golgota vor den Toren Jerusalems. Die Szene zeigt links den in den Evangelien erwähnten Simon von Cyrene, einen Feldarbeiter, der dazu gezwungen wurde, dem entkräfteten Jesus beim Kreuztragen zu helfen. Die Frau dahinter ist Maria, die Mutter Jesu. Die Evangelien erwähnen zwar nur ganz allgemein, dass Frauen am Kreuzweg gestanden hätten und von Jesus angesprochen worden seien. Die Tradition aber stellt Maria in dieses Ensemble. 

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Die Kreuzigung

Die Kreuzigungsszene hat sich weit von der tatsächlichen historischen Praxis entfernt. Dabei wurden Nägel in den Zwischenraum von Speiche und Elle getrieben. Die Handballen wären wegen des Körpergewichts ausgerissen. Ein Sitzpflock in der Mitte des Längsbalkens sollte den Tod hinauszögern, der nach langer Qual durch Erstickung oder Kreislaufkollaps eintrat. Es bedurfte theologischer Anstrengung, dass das Kreuz vom Schandmal zum Glaubenssymbol mutieren konnte. So stammt die früheste bekannte Darstellung auch erst aus dem 5. Jahrhundert. Rechts und links von Jesus sind zwei Verbrecher zu sehen, die mit ihm verurteilt worden waren. Im Vordergrund links wiederum Maria mit dem Lieblingsjünger Johannes, dem Jesus vom Kreuz herab die Sorge für seine Mutter anvertraut.

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Die Kreuzabnahme

Dauerte den Henkersknechten der bisweilen mehrtägige Todeskampf zu lang, brachen sie den Hingerichteten die Schenkelknochen, so dass der Körper in sich zusammenfiel. Bei Jesus soll dies nicht geschehen sein. Stattdessen vergewisserten sich die Soldaten durch den Stich mit einer Lanze ins Herz seines Todes. Der Leichnam Jesu zeigt diese Verwundung. Sie ist historisch plausibel. Wie bei einem Drehbuch sind beide Motive aber auch literarisch vorgeprägt: Das Sterben Jesu erfüllt Weissagungen des Alten Testaments. Der Lanzenstich ist zudem als Abwehr einer zeitgenössischen antichristlichen Polemik durch die Evangelisten zu verstehen: Jesus war nicht etwa nur scheintot, als ihn seine Anhänger vom Kreuz abnahmen und nach jüdischer Sitte beisetzen durften.

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Die Auferstehung

Die Bibel schweigt zu der Frage, wie die Auferstehung vor sich gegangen sein soll. Eine bewusste „Leerstelle“ nennt das der Theologe und Philosoph Elmar Salmann. Wer „Auferstehung“ sagt,  spreche davon, „dass all das, was einen Menschen in seinem Wesen ausmacht, bewahrt und gerettet wird“. Auch der Maler zeigt nur die Folgen der Auferstehung: geblendete römische Wachen, einen Engel mit dem Leichentuch, in das der Tote gehüllt worden war. Die Erwähnung von Wachen am Grab ist wiederum Reflex eines zeitgenössischen Vorwurfs: Die Anhänger Jesu hätten geplant, den Leichnam beiseite zu schaffen, um dann frech von seiner Auferstehung reden zu können. Frauen aus dem Jünger-Kreis waren die ersten Besucher am Begräbnisplatz. Sie wurden so auch zu den ersten Boten der Auferstehung. 

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