Philippe Jaroussky in KölnMit der Attitüde eines verirrten Schlagersängers

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Philippe Jaroussky 

  • Lange hatte Echo-Preisträger Philippe Jaroussky gezögert, die Lieder Franz Schuberts zu singen.
  • Nun tourt der Countertenor mit seinem Schubert-Programm durch die großen Säle Europas – darunter auch in der Kölner Philharmonie.
  • Unser Kritiker fand viel auszusetzen. Aber er hörte auch heraus, warum Jaroussky vom Kölner Publikum gefeiert wurde.

Köln – Lange hatte Philippe Jaroussky mit seinem Eintritt in Franz Schuberts Liedkosmos gewartet. Vor fünf Jahren fand er es „noch zu früh, den Flavour und die Raffinesse dieser Texte zu treffen“. Nun aber ist es so weit: Mit 20 Schubert-Liedern und seinem langjährigen Klavierpartner Jérôme Ducros tourt Jaroussky gerade durch Europas größte Säle. Das Festspielhaus Baden-Baden ist dabei, die Berliner Staatsoper, auch die Kölner Philharmonie, die sich für den gefeierten Countertenor etwa doppelt so stark gefüllt hatte, wie das bei Liederabenden hier sonst der Fall ist.

Zu einem sehr individuell gestalteten Programm hat die bedachtsame Annäherung nicht geführt. Was Jaroussky bot, waren im wesentlichen die üblichen Bestseller von „An die Musik“ zum „Musensohn“, von „Nacht und Träume“ zu „Du bist die Ruh“. Zarte, stimmungsvolle Gesänge dominierten; hier wurde Jarousskys spezifischer Zugang zu Schuberts poetischer Welt besonders deutlich: Es ist ein helles, engelhaft reines Singen, das die Wörter und Töne sanft liebkost, statt sie formend und pointierend zu durchdringen. Jaroussky bemühte sich durchaus um die deutsche Sprache, wurde ihrer auch wortweise Herr, brachte sie aber kaum einmal in einen natürlichen Fluss, weshalb man am Ende doch nur wenig Text verstand.

Die Höhe drückte der Sänger unter Nöten heraus

Auf dem Körper zu singen, fiel Jaroussky offenkundig schwer. Beim Stützen mussten immer wieder die Arme helfen; trotzdem blieb vieles unsauber. Die Höhe drückte er unter Nöten heraus, die Tiefe versickerte in der Hemdbrust. Nur selten hörte man ein stabiles, die Phrase überspannendes Legato; stattdessen schob Jaroussky die Linie unter merkwürdigen Verschleifungen von Ton zu Ton. Manchmal (besonders bei „Du bist die Ruh“) erinnerte das an die Attitüde eines Schlagersängers, der sich in die Klassik verirrt hat.

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Das ist ohne jede Häme gesagt - denn vielleicht lag gerade darin der Grund für den Erfolg, der dem Sänger an diesem Abend so machtvoll zuströmte. Jaroussky kämpfte nicht mit den harten Bandagen einer hohen künstlerischen Autorität, bot keinen Liedgesang mit Doktortitel. Stattdessen zeigte er Mut zur Intimität und Verletzlichkeit, schuf damit eine Nähe, die offenkundig viele Menschen im Saal berührte, auch wenn sie dem kritischen Ohr letztlich unerreichbar bleibt. Einen ausgesprochen hilfreichen, aufmerksam stützenden Begleiter hatte er in Jérôme Ducros, der auch zwei pianistisch etwas unebene, aber mit Wärme und schönem Ton gespielte Intermezzi beisteuerte (Klavierstück D 946/2, Impromptu D 899/3). Die beiden verabschiedeten sich mit dem berühmten Ständchen (“Leise flehen meine Lieder“) aus dem „Schwanengesang“, auch dies hörbar ein sehr schweres Lied.

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