Podcast über Ken JebsenSo gefährlich ist der Verschwörungsideologe

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Ken Jebsen

Ken Jebsen

Hätte er der nächste Thomas Gottschalk werden können, der nächste Günther Jauch oder vielleicht Stefan Raab? Ken Jebsen würde diese Frage vermutlich mit Ja beantworten.

Mangelndes Selbstbewusstsein gehört nicht zu seinen herausstechendsten Eigenschaften. Vielmehr zeichnet ihn ein Hang zur Selbstüberschätzung aus, aber damit steht er in der Medienbranche ja wahrlich nicht allein da. Und in den 1990er Jahren galt der heute 54-Jährige tatsächlich als großes Nachwuchstalent.

Witzig und schlagfertig

Der innovative Radiomoderator hatte viele Fans. Er war witzig, schlagfertig, mutig und schnell – im Denken, Handeln und Sprechen.

Den Ruhm, nach dem er strebte, hat sich Ken Jebsen erarbeitet. Aber es ist ein höchst zweifelhafter Ruhm. Er ist kein beliebter TV-Star, er ist einer der bekanntesten Verschwörungsideologen Deutschlands. Seit März dieses Jahres wird er vom Verfassungsschutz beobachtet, er ist ein Liebling der Querdenken-Bewegung, einer der in seriösen Medien schon lange nicht mehr ernst genommen wird.

Aber wie konnte es so weit kommen? Wann wurde es einem, der gerne mal ein bisschen quer denkt und so interessante Denkanstöße liefert, zu einem Liebling der Querdenker? Wo ist Jebsen falsch abgebogen? Oder war er schon immer auf dem Irrweg?

Diesen und anderen Fragen geht der aufwendig produzierte Podcast „Cui Bono: WTF happend to Ken Jebsen?“ in sechs Teilen nach. Cui Bono – Wem zum Vorteil? Diese Fragen stellen Verschwörungstheoretiker gerne, raunen dann über Mächtige, die im Hintergrund die Fäden ziehen und die Politik beeinflussen.

Cui Bono? Diese Frage will der Podcast umkehren. Wer steht hinter Jebsen? Wer profitiert von seinen irren Botschaften? Und was sagt der Fall Jebsen über das Phänomen Verschwörungstheorien im Allgemeinen aus? „Wir drehen den Spieß um“, sagt Khesrau Behroz. Der Journalist hat den Podcast mit Hilfe vieler Kolleginnen und Kollegen produziert, er spricht ihn auch.

Autorin Katharina Nocun, die sich mit Verschwörungserzählungen beschäftigt, sagt in der letzten Folge, für Menschen, die beginnen, sich mit dieser Gedankenwelt zu beschäftigen, sei Jebsen wie eine Einstiegsdroge. Weil viele ihn eben noch aus früheren Zeiten kennen, ihn mochten, vielleicht sogar bewunderten.

"Klare, einfache Antworten"

Von jemandem wie ihm lässt man sich dann schnell in den Kaninchenbau ziehen. „Menschen, die sich komplexen Lebenssituationen ausgesetzt sehen oder die Welt nicht verstehen, kommen zu Ken Jebsen für ganz klare, einfache Antworten“, sagte Khesrau Behroz im Deutschlandfunk.

Alles begann jedoch ganz harmlos: Ken Jebsen, geboren 1966 in Krefeld als Kayvan Soufi-Siavash, macht um die Jahrtausendwende in Berlin im Radio auf sich aufmerksam. Sein Erkennungsmerkmal ist ein Mikrofon in Bananenoptik. Seine Sendung KenFM beim Jugendsender Fritz des rbb wird zur Kultsendung. Im Paodcast kommen viele zu Wort, die ihn damals feierten.

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Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zeigen sich erste Risse im Weltbild des Moderators. Dass der Terror von der US-Regierung selbst geplant worden sei, war eine krude Theorie, der Jebsen in seinem Programm viel Raum bot. Das blieb zunächst ohne Konsequenzen. Doch 2011 trennte sich der rbb von Jebsen, nachdem Henryk M. Broder Jebsen Antisemitismus vorwarf.

Der rbb hat Folge 2, in der es um diese Vorgänge geht, nicht wie die anderen Folgen mitproduziert. Jebsen stritt die Vorwürfe ab, aber seine öffentlich-rechtliche Karriere war beendet. Er, der sich zu Höherem berufen fühlte, war raus.

Karriere bei Youtube

Doch Jebsen machte weiter, baute KenFM nach und nach bei Youtube zu einer Plattform mit stetig steigender Anzahl von Abonnenten auf. 2020 wird er unter Corona-Leugnern und Verschwörungsanhängern zu einer Art Idol. Er spricht auf den einschlägigen Demos, radikalisiert sich zunehmend, unterhält dubiose Kontakte nach Russland. Mittlerweile hat Youtube seinen Kanal gesperrt.

„Cui Bono“ erzählt diese Geschichte chronologisch und sehr ausführlich. Es kommen ehemalige Weggefährten und Freunde zu Wort, Fans, Journalisten und Wissenschaftler.

Nur einer wollte nicht mit den Machern sprechen: Ken Jebsen selbst. Das ist die große Leerstelle des Podcasts. Und überhaupt drängt sich beim Hören häufig die Frage auf, ob es berechtigt ist, einem solchen Spinner so viel Raum zu geben. Fällt man damit nicht auf ihn herein? Lässt man sich von ihm in den Kaninchenbau ziehen?

Hinzu kommt, dass die aufwendige Produktion, der Einsatz der Musik und die Art der Montage eine enorme Wucht erzeugen, einen Sog nahezu. Das macht das Hörerlebnis zu einem Abenteuer, die Macher spielen dabei – sicherlich bewusst – mit eben jenen Mitteln, die auch Jebsen und Co. anwenden, aber ein ungutes Gefühl entsteht beim Hören beinahe zwangsläufig. Doch es sind genau diese Störgefühle, die zum Nachdenken anregen.

Eine unverdiente Bühne?

Die Macher von „Cui Bono“ haben sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, ob sie Jebsen mit dem Podcast eine Bühne bauen, die er nicht verdient hat. „Es geht uns nicht nur um Ken Jebsen. Wir erzählen seine Geschichte exemplarisch. Um daran größere Zusammenhänge zu verdeutlichen. Verschwörungstheorien sind gefährlich und ihre Anhänger:innen sind in Zeiten von Corona nicht mehr irgendwo unsichtbar im Internet unterwegs“, heißt es in einer Mitteilung zum Podcast. „Sie sind unter uns, in unseren Familien, in unseren Freundeskreisen, bei Menschen, die wir kennen.“

Das ist richtig. Und deshalb hilft es auch nicht, die Augen vor dem Phänomen zu verschließen. Die Ken Jebsens dieser Welt werde nicht einfach so verstummen, sie bleiben gefährlich. Wer sie entlarven will, muss sie verstehen. „Cui Bono“ leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

Der Podcast

„Cui Bono : WTF happened to Ken Jebsen?“ ist eine Original Podcast Series von Studio Bummens, NDR, rbb und K2H. Alle sechs Folgen sind jetzt in der ARD Audiothek und bei allen bekannten Podcast-Portalen zu hören. 

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