Pop-Art KünstlerClaes Oldenburg wird 90 – Köln ziert seine umgedrehte Eistüte

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Die umgedrehte Eistüte, ein Werk des Pop-Art-Künstlers Claes Oldenburg, auf der Neumarkt-Galerie in der Kölner Innenstadt

Köln – „Ich hätte Köln gerne mit Eistüten gepflastert“, so Claes Oldenburg bei einem seiner letzten Besuche in der Stadt. Aber im März 2001 fehlte dafür das Geld, weshalb es bei der einen, mit der Kugel voran im Hausdach der Neumarkt-Galerie steckenden Tüte blieb.

Dabei ist es gar nicht mal abwegig, sich Oldenburgs monumentale Werkphase als biblische Plage vorzustellen: Wenn gigantische Eistüten, Pommes frites und Cheeseburger vom Himmel fallen, schlägt das letzte Stündlein der Überflussgesellschaft.

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Claes Oldenburg wird am kommenden Montag 90 Jahre alt. 

Als Claes Thure Oldenburg in den 1950er Jahren mit der Kunst begann, stand ihm diese apokalyptische Vision sicher nicht vor Augen. Der Sohn eines schwedischen Diplomaten ließ sich vom New Yorker Alltagsleben inspirieren und bastelte nach, was er auf den Straßen und in den Geschäften sah.

Mischung aus Galerie und Krämerladen

Zunächst dienten ihm diese gipsernen Schnappschüsse von der Lower East Side als Bühnenbilder, in denen er im Kostüm Bücher seines Geburtslandes rezitierte. Dann kam „The Street“: 1961 eröffnete Oldenburg eine Mischung aus Galerie und Krämerladen, in der er rohe, aus Gips, Farbe und Draht gefertigte Alltagsgegenstände zum Kauf anbot. Es war ein erster Vorgeschmack auf die wegweisenden, weil übergroßen „Zwei Cheeseburger mit allem“ – und eine Geburtsstunde der Pop Art.

Oldenburgs Erfolgsgeschichte begann allerdings erst in den 70er Jahren, als er alltägliche Gegenstände auf monumentale Größe aufblasen und in Parks und Innenstädten aufstellen durfte. Es sind moderne Klassiker darunter, wie die vom Himmel gefallene Spitzhacke in Kassel und die Wäscheklammer in Philadelphia, mit der Oldenburg das Kunststück gelang, Constantin Brancusis kunsthistorischen Meilenstein „Der Kuss“ und zugleich die Jahreszahl des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs zu zitieren. Manche dieser Denkmale wirken allerdings auch wie leicht geschmacklose Siegessäulen der Populärkultur.

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Die Spitzhacke, ein frühes documenta-Kunstwerk des Künstlers Claes Oldenburg, aufgenommen im Nebel am Fuldaufer. 

Selbst die Kölner Eistüte, die Oldenburg mit seiner 2009 verstorbenen Ehefrau Coosje van Bruggen entwarf, ist nicht unumstritten – dabei variiert Oldenburg mit ihr eine architektonische Form, die rein zufällig mit den lokalen Domspitzen zusammenfällt. Und natürlich kann man die „Dropped Cone“ als zustimmendes Nicken von oben deuten: Auch der liebe Gott liebt Eiscreme und die verspielte Form der Pop Art sowieso.

Peter Ludwig liebte die Pop-Art

Die Eistüte ist der sichtbarste Ausdruck dafür, dass Köln eine Oldenburg-Stadt ist. Sie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen seiner Werke – der frühen Pop-Art-Liebe Peter Ludwigs sei Dank. Das Ehepaar Ludwig sorgte mit seinem Wagemut zudem maßgeblich dafür, dass Oldenburgs Straßenkunst in die Museen kam.

Für den Künstler war das durchaus pikant, denn er hatte sich früh auf eine Antihaltung festgelegt: „Ich mag keine Kunst, die im Museum auf ihrem Hintern sitzt.“

In den 60er Jahren hatte Oldenburg die Idee, einen riesigen Teddybären im New Yorker Central Park zu errichten. Sie wurde nicht verwirklicht, aber vom Marshmallow-Mann in der Hollywood-Komödie „Ghostbusters“ beerbt. So dankte die Populärkultur ihrem prominenten Verfechter, gerade weil sie die groteske Seite seiner spielerischen Kunst nicht übersah.

Oldenburg selbst sagte einmal, er habe sich alles schon in der Kindheit ausgedacht, als er sich mit seinem Bruder auf eine Fantasieinsel flüchtete. Hier saß er auch als Erwachsener und entdeckte überall riesige Spielzeuge und gut freudianisch die Sanftheit der mütterlichen Brust. Seine Kunst treibt uns an die Küste kindlicher Geborgenheit, in der aber auch der Schrecken über die vertrauten Alltagsdinge wohnt.

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Der Künstler Claes Oldenburg steht im Jahr 2012 in der Ausstellung „Claes Oldenburg: The Sixties“ im Museum Ludwig vor seinem Werk „Shoestring Potatoes, Spilling from a Bag, 1966“. 

Seine besten Momente (von denen es zahlreiche gibt) hatte Claes Oldenburg immer dann, wenn sich etwas Unheimliches in seine Feier des Gewöhnlichen schlich. Jetzt ist er, was er nie sein wollte: ein Klassiker.

Vermutlich wird er es am kommenden Montag, seinem 90. Geburtstag, mit Fassung tragen. Die Kunstwelt verdankt ihm vieles. Mindestens aber die besten pappigen Pommes der Welt.

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