PorträtWarum David Helm den Jazzpreis der Stadt Köln erhält

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David Helm, Jahrgang 1990, Bassist und Gelegenheitssänger

Köln – Gleich zu Beginn hört man seinen Kontrabass: Lustvoll schlägt David Helm im Stück „Trial & Errol“ tiefe, körpervolle Töne an, lässt sie in Ruhe atmen, schafft die Grundlage für die Dinge, die das Zooom Trio auf ihrem Album „What’s for Dessert?“ herbeizaubert. Schlagzeuger Dominik Mahnig mischt sich mit subtilen sphärischen Klängen ein, dann tastet sich Christian Lorenzen auf dem Wurlitzer Electric Piano heran, und schon blitzen Erinnerungen an die „funky“ Höhenflüge dieses aus der Mode gekommenen elektromechanischen Tasteninstruments auf.

Doch dann gibt es gänzlich Ungehörtes: Drei spielfreudige, vollkommen gleichberechtigte Klang- und Improvisationskünstler beackern das Feld ihrer durch und durch gegenwärtigen Musik, erfinden ihr eigenes Gefüge aus Klang, Raum und Zeit.

Am Montag hat David Helm den „Jazzpreis der Stadt Köln“ erhalten, er ist der 21. Preisträger des „Horst und Gretl Will-Stipendiums Jazz/Improvisierte Musik“, das seit 1998 vergeben wird und mit 10 000 Euro dotiert ist. Trios sind eine von Helms liebsten Spielwiesen, wobei eines faszinierender als das andere ist. Ob das Zooom Trio, das Trio des Pianisten Philip Zoubek (ebenfalls mit Dominik Mahnig) oder Pollon der Saxofonistin Theresia Philipp (mit Thomas Sauerborn am Schlagzeug): Sie alle spielen sozusagen „dreidimensional“, jedem Instrument kann die Führungsrolle zufallen, sodass auch der Kontrabass rhythmisch wie melodisch völlig unabhängig agiert, phrasiert und gestaltet.

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„Das Trio“, so Helm, „ist im Idealfall ein dreibeiniger Tisch, da stehen immer alle Füße auf dem Boden, sodass er nicht wackeln kann. Beim vierbeinigen Tisch muss man schon mal etwas unterlegen, aber im Trio sind alle für Stabilität und Tragfähigkeit verantwortlich. So ist die Chance besonders hoch, dass viel Energie fließt.“ Auch das Shannon Barnett Quartett klingt häufig wie ein Trio: Barnetts Posaune und dem Saxofon von Karl Stefan Schmid gelingt mitunter ein magischer Gleichklang, dem Helms Kontrabass und Fabian Arends„ Schlagzeug quasi kontrapunktisch Flügel verleihen.

Nicht weniger innovativ, aber noch ein gutes Stück komplexer und wagnisreicher gestaltet sich die Musik der Großformation Fosterchild, die Helm und Fabian Arends ins Leben riefen. Hier erweist sich Helm vorrangig als versierter Komponist, bei dem Jazz und Neue Musik, Komposition und Improvisation untrennbar ineinanderfließen. Helm und Arends loten alle ästhetischen Möglichkeiten ihres Projekts aus, schlagen Haken und beeindrucken mit feinsten Nuancen, die sich aus dem steten Wechsel von Stimmungen und instrumentalen Zusammenstellungen ergeben.

Dabei hält sich Helm gar nicht für einen sonderlich „konzeptionellen Typ“. Auch die Musik von Fosterchild habe sich eher intuitiv entwickelt: „Fabian und ich verfolgen seit Jahren eine gemeinsame Ästhetik, die zu einem Konzept wurde, ohne dass wir das als solches bezeichnen. Vieles ist Intuition, viel hat mit dem Moment zu tun. Vor allem aber muss man darauf vertrauen, dass alle das Konzept mittragen. Bei Fosterchild hatten wir schon früh den konkreten Klang im Gehör, sodass wir genau wussten, welche Mitspieler wir dafür haben wollten.“

Nicht zuletzt Fosterchild mag dazu beigetragen haben, dass David Helm nun mit dem Kölner Jazzpreis ausgezeichnet wird. Die Jury lobt Helms breit angelegte Klangskala, das Universelle, die enorme Variabilität und den ausgeprägten Sinn für Klang und Nuancen. Was ihn freut: „Es zeigt mir, dass es bis zu einem gewissen Grad eine erkennbare Klarheit in dem gibt, was ich mache. Ich bin immer auf der Suche nach Klarheit, nicht weil in der Musik alles klar sein muss, sie kann durchaus auch geräuschhaft-diffus sein, aber sie muss klar in der Aussage sein.“ Es sei ihm wichtig, in einem Ensemble gemeinsam mit anderen etwas musikalisch zu gestalten, mit Menschen, die ihm nahe sind, ihm etwas bedeuten.

Helm, 1990 geboren im hessischen Weilburg, kam 2011 nach Köln, wo er an der Hochschule für Musik und Tanz Kontrabass bei Dieter Manderscheid studierte. Seitdem prägt er die hiesige Jazzszene entscheidend mit – und überraschte sie vielleicht auch, als er etwa zeitgleich zu Fosterchild eine weitere Band gründete: Marek Johnson bietet melancholisch-nachdenkliche Indie-Songs, die Helm selbst singt und zu denen er Klavier und Gitarre spielt.

An der Gitarre, sagt Helm, fühle er sich wie ein Kind, das ein neues Instrument geschenkt bekommen hat und jede Minute Klangforschung betreiben will: „Wie kann ich das alles auf eine Art verbinden, die ich so noch nicht gehört habe? Dabei halte ich mich daran, was der Bassist Ron Carter einmal sinngemäß gesagt hat, dass wenn man beim Üben nur eine neue Sache am Tag findet, dann kann man am Abend gut einschlafen.“

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