ProträtTimmothy Williamson - der geheime Star der Philosophen

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Symbolbild

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Köln – Was nach ihm kommt, hat es schwer. Timothy Williamson ist so etwas wie ein geheimer Star der Philosophen-Szene. Der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, ist der Philosophie-Professor aus Oxford eine Art neuer Immanuel Kant. Wie der Königsberger Philosoph innerhalb von nur zehn Jahren die Philosophie seiner Zeit auf den Kopf stellte, hat auch Williamson die Welt der Denker maßgeblich verändert.

Er gilt als der derzeit bedeutendste lebende theoretische Philosoph. Und das soll etwas heißen, gibt es Großkaliber wie den US-Philosophen Hilary Putnam, John McDowell oder den australischen Philosophen David Chalmers. Ab Montag wird Williamson in Köln zu Gast sein. In Köln konzentriert sich die 10. Cologne Summer School in Philosophy, die von dem Kölner Philosophie-Professor Thomas Grundmann initiiert und geleitet wird, allein auf das erkenntnistheoretische Werk des Denkers aus Oxford.

Über 50 Teilnehmer aus aller Welt diskutieren eine Woche mit ihm und absolvieren ein ziemlich anstrengendes Programm, das sich aus 6 Vorträgen von Williamson, 6 kritischen Kommentaren und jede Menge Diskussion zusammensezt. Inmitten der theoretischen Schlacht wollen die Philosophen gemeinsam mit Williamson zur philosophschen Wanderung auf den Drachenfels aufbrechen.

Philosophische Scharfsinnigkeit und Gründlichkeit

Williamson ist seit 2000 Wykeham Professor of Logik in Oxford. Er hat aber nicht nur in der Logik, sondern vor allem auch in der Erkenntnistheorie, der Sprachphilosophie und der Metaphysik die Philosophie so maßgeblich beeinflusst, dass sich in diesen Disziplinen regelrechte Paradigmenwechsel ereignet haben.

Er ist bekannt für seine philosophische Scharfsinnigkeit und Gründlichkeit, die er mit einer ungeheuren kreativen und produktiven Kraft verbindet. Sechs Monographien kann er sein Werk nennen, die jeweils als Meilensteine IM FACH bezeichnet werden können. Hinzu kommen weit mehr als 200 Artikel.

Anders als Kant ist Williamson nicht nur ein harter Realist, sondern als Kopf der sogenannten Analytischen Philosophie anzusehen. Diese philosophische Richtung hat ihren Ursprung zwar auch bei deutschsprachigen Denkern wie Gottlob Frege oder Ludwig Wittgenstein. Sie ist aber vor allem in den angelsächsischen Ländern zur dominanten Theorie avanciert.

In seinem Werk geht es dem Briten neben anderen Dingen um DAS Wissens. Was ist Wissen?, das wollte schon Kant wissen, nicht anders der griechische Philosoph Platon, der eine geniale Definition hierfür fand: Wissen ist begründete wahre Meinung.

Wir müssen über unser Erkennen nachdenken, wenn wir über die Verfassung der Welt nachdenken wollen, glaubte Kant. Er wollte so dem Wissen eine Grenze ziehen, nur die Gegenstände, die wir wahrnehmen können, können wir auch erkennen. Aber metaphysische Gegenstände wie Gott sind unerkennbar.

Begriff der Vagheit

Williamson denkt ebenfalls über das Wissen und seine Grenzen nach. Er hat hierzu einen bestimmten Begriff benutzt: den Begriff der Vagheit. Mit ihm hat er sich bereits in seinen frühen Jahren als Akademiker befasst. Normalerweise nimmt man an, dass Vagheit ein sprachliches Phänomen ist: unsere Begriffe sind unscharf, so dass unklar ist, was man noch „Ebene“ nennen soll und was schon Berg.

Williamson argumentiert aber sehr scharfsinnig dafür, dass Vagheit allein ein erkenntnistheoretisches Problem ist, wir erkennen die an sich scharfen Grenzen einfach nicht genau.

In der Erkenntnistheorie hat Williamson die "Knowledge First Epistemology" begründet. Normalerweise glaubt man, dass "Wissen" ein definierbarer Begriff in der Erkenntnistheorie ist, der auf guten Gründen, Meinung und Wahrheit aufbaut. Williamson argumentiert gegen die ganze Tradition, dass Wissen begrifflich nicht definierbar ist. Das ist auch ein Grund, weshalb bisher alle Definitionsversuche des Wissens durch Philosophen gescheitert sind.

Gängige Theorie des Wissens revolutioniert

In seinem Buch "Knowledge and its Limits", "Das Wissen und seine Grenzen" (Oxford 2000) stellt er die gängige Theorie des Wissens schließlich vom Kopf auf die Füße. Wissen ist das fundamentale Phänomen: ES ist ein eigener mentaler Zustand. UND rechtfertigende Gründe müssen selbst gewusst werden. Philosophen sagen in diesem Fall, dass das Wissen basal sei, um alle möglichen Dinge in der Erkenntnistheorie zu verstehen. Williamson hat jüngst ein wichtiges, bahnbrechendes Buch zur Logik geschrieben.

In diesem Jahr hat er mit seinem "Tetralogue" aber auch gezeigt, dass er populär schreiben und philosophieren kann. In der fiktiven Geschichte geht es um ein Streitgespräch im Zug zwischen einem Szientisten, einem Esoteriker, einem Relativisten und einer Frau, die kompromisslos DIE logische Strenge des Denkens hochhält. Themen wie Relativismus, Realismus, Dogmatismus werden hier gut verständlich und spannend in einen narrativen Zusammenhang eingewoben.

Die philosophischen Gedanken sind meistens fein gesponnen. Robert Musil hat einmal gesagt: Shakespeare sei es gelungen, eine Welt zu erschaffen aus nichts als Luft. Nicht anders ist es mit Timothy Williamson.

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