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Romanischer Sommer in KölnFulminante Zeitreise zum Auftakt

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Singer pur in der Ursulakirche.  

Singer pur in der Ursulakirche.  

Köln – Der Geist weht, wo er will, und wenn er etwas kühler weht – wie an diesem Sonntag nach dem samstäglichen Tropentag geschehen –, dann ist dies hochwillkommen. Tatsächlich dürften es auch die gemäßigten Temperaturen gewesen sein, die ein zahlreiches Publikum ins Eröffnungskonzert des diesjährigen Kölner Romanischen Sommers mit dem Regensburger Vokalensemble Singer pur in der Ursulakirche gelockt hatten.

Es wurde auch nicht enttäuscht: In einer guten Stunde ließ die legendäre A-cappella-Formation aus unterschiedlichsten Epochen, Stilen, geografischen Räumen, Kulturen und Religionen in eindringlicher Performance den vokalen Geist wehen.

Wobei gleich beim ersten Stück – Hildegard von Bingens Hymnus „O pastor animarum“, den die Sopranistin Claudia Reinhard und ihre fünf männlichen Kollegen von verschiedenen Plätzen im Kirchenschiff aus intonierten – das spezifische Aufführungskonzept deutlich wurde: die Verschmelzung des Gesangs mit der romanischen Sakralarchitektur im Sinne eines integralen Raumklangs. Diese Intention wurde glänzend umgesetzt, war sogar in der Lage, beim Hörer eine Art psychedelischer Transformation in Gang zu setzen.

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Für Musik dieser Art und dieser Besetzung jedenfalls ist Sankt Ursula, wo sie weder strukturzerstörend hallt noch aurafeindlich verschluckt wird, hervorragend geeignet. Kann es sein, dass solche Qualitäten als Konzert-Location im kulturellen Breitenbewusstsein der Stadt noch gar nicht richtig angekommen sind?

Der schönste Raum und das schönste Konzept nutzen selbstredend wenig, wenn die Aufführung nicht überzeugt. Davon kann allerdings im Fall dieses Auftritts von Singer pur keine Rede sein. „Horizons“ heißt das Programm, mit dem die Gruppe tatsächlich weite Horizonte aufreißt – spirituell wie musikalisch.

Fremd und exotisch

Für mitteleuropäische Ohren im engeren Sinn vertraut klangen eigentlich nur die beiden Bach-Choräle und vielleicht noch ein Arvo Pärt, schon die Stücke des Frühneuzeitlers Ludwig Senfl kamen in Harmonik und Melodik fremd, ja exotisch herüber.

Eine hebräische Psalmmotette von Salomone Rossi aus der Zeit um 1600, eine islamische Gottesanrufung des Zeitgenossen Mohammed Fairouz, das Fischerlied „Senoya, Senoya“ des Koreaners Kwang-Hee Kim – fürwahr eine ausgedehnte Reise durch Erdteile und Zeiten, die an das stilistische Adaptionsvermögen von Singer pur größte – und glänzend bewältigte – Anforderungen richtet.

Diverse Klangskulpturen

Tatsächlich stellte die Gruppe angesichts sehr unterschiedlicher Partituranlagen, bei wechselnden Besetzungen und Aufteilungen zwischen Solo/Soli und „Chor“ äußerst diverse „Klangskulpturen“ hin. Da gab es dann sogar die Anmutung elektronischer Musik, und auch der Ausflug in die Popmusik mit Stings „A thousand Years“ gelang ohne peinlichen Bruch.

Dass die Zugabe „Richard Heymanns und Robert Gilberts „Wenn der Wind weht über das Meer“ die Comedian Harmonists in Erinnerung rief, lag mehr als nahe: Diese waren – im Jahre 1931 – die Erstproduzenten des Songs.

Sämtlichen Darbietungen aber eignete die satte Fülle des Sounds (eine wahre Sucht: die Bässe), das mühelos-störungsfreie „Einrasten“ der Stimmen in den Akkorden auch nach chromatischen Rückungen, überhaupt das starke Gefühl für das Spannungsgefälle von Dissonanz und Konsonanz.

Alles in allem: ein starker Beginn des Traditionsfestivals, das aus seinem zweijährigen Corona-Schlaf fulminant erwacht ist.

Der Romanische Sommer findet noch  bis zum 24. Juni unter dem Motto „Schwingen“ mit insgesamt  15 Live-Konzerten aus den Bereichen  World, Jazz, Avantgarde und Alte Musik statt. www.romanischer-sommer.de

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