Schönheit und Abgründe

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Hannelore Elsner

Hannelore Elsner

Vor einem Jahr, am 21. April 2019, starb die Schauspielerin Hannelore Elsner. Auf dem Bildschirm aber lebt sie auf eine fast geisterhafte Weise weiter: Am kommenden Sonntag ist sie als „Tatort“-Kommissarin in einer ihrer letzten Rollen vor ihrem Tod zu sehen, bevor es dann am Mittwoch mit der Tragikomödie „Lang lebe die Königin“ (um 20.15 Uhr in der ARD) endgültig Abschied zu nehmen gilt. Es kommt nicht häufig vor, dass deutschen Schauspielerinnen in den USA Aufmerksamkeit geschenkt wird, geschweige denn in Los Angeles. Hannelore Elsner aber hat man in der Stadt der Engel vor zehn Jahren sogar eine kleine Retrospektive gewidmet, mit Filmen wie „Alles auf Zucker“, aber auch mit ihrem damals aktuellen Werk: In der raffiniert erzählten Tragikomödie „Vivere“ besteht ihre Größe nicht zuletzt darin, den Nachwuchsschauspielerinnen Esther Zimmering und Kim Schnitzer unter der Regie von Angelina Maccarone Raum für eindrucksvolle Leistungen zu bieten.

Wenige Jahre zuvor war Hannelore Elsner nach längerer Pause auf die Kinoleinwand zurückgekehrt, und vielleicht begann von da an die Zeit ihrer größten Triumphe. Sie spielte in Filmen von Oskar Roehler mit, gewann für ihre Rolle in Oliver Hirschbiegels „Mein letzter Film“ den Deutschen Filmpreis – ihren zweiten –, und war in Doris Dörries bewegendem Drama „Kirschblüten – Hanami“ in der Rolle der Trudi Angermeier zu sehen, die nach einer ärztlichen Untersuchung erfahren muss, dass ihr Ehemann schwer krank ist. Charakterrollen waren dies allesamt, die die früher oft so aufgekratzte Hannelore Elsner als lebenserfahrene, von einer Aura der Ruhe umgebene Frau zeigten, die mit dem zunehmenden Alter außerordentlich souverän umgeht.

Sie wurde 1942 im bayerischen Burghausen geboren und wuchs in München auf. Familiäre Verluste prägten ihre Kindheit: Der um zwei Jahre ältere Bruder starb bei einem Fliegerangriff, den Vater verlor sie, als sie acht Jahre alt war. Sie war ein hübsches Kind, aus dem eine schöne Frau wurde, und sie hat das nicht allein als Vorteil gesehen. „Ich behaupte, dass ich durch mein Hübschsein, wofür ich nichts konnte, viel zu wenig gute Rollen gekriegt habe“, sagte sie im Gespräch mit Alice Schwarzer, und ein Blick in ihre Filmografie zeigt, wie sehr sie mit dieser Einschätzung Recht hatte: In den frühen Jahren ihrer Karriere war sie das Gesicht des deutschen Fräuleinwunders, die Stimme der sektseligen guten Wirtschaftswunderlaune, sie trat als „Mädchen mit den schmalen Hüften“ auf und sorgte für „Allotria in Zell am See“. Das Fernsehen hielt in immer mehr Haushalte Einzug, und mit ihm Hannelore Elsner – auch in Serien wie dem „Kriminalmuseum“, „Funkstreife Isar 12“ und später von 1994 bis 2006 als Lea Sommer in der ARD in „Die Kommissarin“.

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Vor allem aber feierten seit dem Ende der 50er Jahre der deutsche Musikfilm und die Komödie fröhliche Urständ, und Hannelore Elsner war das weibliche Pendant zu Freddy Quinn (in „Freddy unter fremden Sternen“), Peter Alexander (in „Zum Teufel mit der Penne“), Hansi Kraus (in „Die Lümmel von der ersten Bank“ und „Pepe, der Paukerschreck“) und Georg Thomalla (in „Hurra, wir sind mal wieder Junggesellen!“). Auch die Kölner lernten sie damals kennen, und zwar leibhaftig auf der Bühne des Millowitsch-Theaters. Hier spielte sie neben Peter René Körner, Willy Millowitsch und Elsa Scholten in „Tante Jutta aus Kalkutta“.

Hannelore Elsner war witzig und charmant, schlagfertig und dabei bodenständig, durchaus eine Volksschauspielerin, die aber das Zeug zur Diva besaß. Und sie war schon damals eine Darstellerin, die sich durch das Image der jungen, ewig vergnügten Schönen nicht ihre Ambitionen nehmen lassen wollte: 1963 war sie Teil des Ensembles in Will Trempers „Die endlose Nacht“, der vor der Kulisse des im Nebel liegenden Flughafens Berlin-Tempelhof eine Art europäisches Sittenbild malt – ein Klassiker des deutschen Films jenseits des Mainstreams, ein Juwel, auch dank Elsners magnetischem Auftritt als elegante Hysterikerin, die fasziniert und irritiert.

Glamour und Lebensfreude

Auf Galas, bei Preisverleihungen und an der Seite von Ehemännern und Partnern wie Dieter Wedel und Bernd Eichinger verstand sie es, die oft so piefige deutsche Szene mit Glamour und einer gehörigen Portion Lebensfreude aufzumischen. Hannelore gehörte auch deshalb zu den wenigen wirklichen Stars, die dieses Land hervorgebracht hat, weil sie sich ihren selbstbewussten, oft unangepassten Elan nicht nehmen ließ.

Nicht lange vor ihrem Tod war sie in der Fortsetzung von „Hanami“ zu sehen, die den Titel „Kirschblüten und Dämonen“ trägt. Das Schöne und das Abgründige, das Anmutige und das Verstörende – zwischen diesen Polen war sie ja selbst zeit ihres Lebens unterwegs. Hannelore Elsner wurde 76 Jahre alt.

TATORT

Der neue Frankfurter Tatort „Die Guten und die Bösen“ wird am Sonntag zu Ehren von Hannelore Elsners Todestag ausgestrahlt. Elsner spielt die pensionierte Ermittlerin Elsa Bronski. Ihrer Pensionierung zum Trotz zieht es sie Tag für Tag in den Keller des Präsidiums, wo sie Akten ungelöster Fälle studiert. Es war eine der letzten Rollen, die Elsner vor ihrem Tod spielte. Sie erfüllt diese Aufgabe mit außerordentlicher Klarheit. (ReL)

Foto: ARD Degeto

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