Schreiben, scheitern, feiern

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Mariana Leky liest in der artothek aus ihrem Band „Bis der Arzt kommt“.

Mariana Leky liest in der artothek aus ihrem Band „Bis der Arzt kommt“.

Mit einer „Geisterstunde“ um 16 Uhr in der „Traumathek“ ging es los. Und mit einer Fuck-up-Night im „Hostel Weltempfänger“, wo sich die Besucher wie zu besten Karnevalszeiten selbst auf den Fensterbänken drängten, ging es um Mitternacht, der wahren Geisterstunde, zu Ende.

Die 1. Kölner Literaturnacht – sie war ein Fest der Szene. Im günstigen Dreiviertelstunden-Takt wanderte man einmal quer durch die Stadt und quer durch die Literatur. Eine Leistungsschau, bei der viele Facetten berücksichtigt wurden: das Schreiben und das „Scheitern“, die Debütanten und die Klassiker, das Übersetzen und das Vertonen. Was fehlte eigentlich?

Wer es darauf anlegte, konnte sich im Idealfall auf sieben Veranstaltungen einlassen. Und das für ein vergleichsweise günstiges Gesamt-Ticket in Höhe von 20 Euro. Die Schwierigkeit: Welche Wahl soll man treffen bei 137 Angeboten an 42 Orten? Wir haben uns für den Start, das ist ja schon verraten, in der „Traumathek“ entschieden, wo Leo Leobald und Dominik Müller in einer großartigen Bild-Klang-Show die Kindergeschichte von Rosa und Luis erzählten, die auf ein paar freundliche Geister treffen, von denen einige schon seit 800 Jahren Wochenende haben.

Danach ein heftiger Temperaturwechsel. In der Kunsthochschule für Medien präsentierten Studierende in Lesung und Poesiefilm ihre Annäherungen an die Literatur. Weiter zur Buchhandlung in der Neußer Straße, wo zwei Koryphäen des literarischen Übersetzens auftraten. Larissa Bender erzählte von den Tücken des Arabischen, Paul Berf von denen der skandinavischen Sprachen. Kompakte Kompetenz – das war lehrreich und kurzweilig.

Knie, Rücken, Zahn, Nebenhöhlen – Arzt-Besuche hielten Mariana Leky eine Weile vom Schreiben ab, bis ihr ein Freund empfahl, genau darüber zu schreiben. Aus dem hoch amüsanten Band „Bis der Arzt kommt“ las die Autorin nun auf Einladung des Kunstsalons in der artothek. „Ich habe Schmerzen“ sagt die Patientin beim Anruf in der Praxis. „Ich auch.“ antwortet die Arzthelferin.

Eine echte Buchpremiere gab es im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Werner Köhler, der seine Kriminalromane unter dem Pseudonym Yann Sola veröffentlicht, stellte den neuen Perez-Fall „Johannisfeuer“ vor, der am 9. Mai erscheint. Darin geht es um eine religiöse Sekte, die ihre tödliche Spur im südfranzösischen Banyuls hinterlässt. Wieder so ein Fall, der viel zu groß scheint für den kleinen Ort und den katalanischen Ermittler mit dem Hang zur Kleinkriminalität.

Ab ins Literaturhaus Köln, das die ersten Wellershoff-Stipendiaten präsentierte: Zunächst Tina Ilse Maria Gintrowski und danach Joachim Geil, dessen Auftritt wir erleben. „Angespannt“ heißt das Romanprojekt um Goethe anno 1819. Ob er sich auf den Giganten eher mit Lust oder mit Skrupel eingelassen habe, fragte Moderator Martin Mittelmeier. „Lust!“ lautete die entschiedene Antwort. „Mein Großvater war Goethe.“ Das war mal eine Information. Die ergänzt wurde durch den Hinweis: Der Großvater habe Goethe verehrt und dem Dichterfürsten im Alter mehr und mehr geähnelt.

Ein fulminantes Finale gab es in der Fuck-up-Night. Eine Idee aus der Business-Welt, wonach Geschäftsleute von ihren gescheiterten Start-ups berichten, wird ins Literarische übertragen. Gunther Geltinger erzählte im Gespräch mit Yannic Han Biao Federer von einem Roman-Projekt, das schließlich als Hörstück („nicht Hörspiel“) unter dem Titel „Riss“ eine Fassung gefunden hat. Allerdings kann nicht so recht vom Scheitern die Rede sein. Immerhin ist das Projekt doch noch zu Kunst geworden. Und vor allem: Ohne diesen Roman, der keiner wurde, so sagte es Geltinger, wäre er nicht der Erzähler geworden, der er jetzt ist.

Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhaus Köln, zieht eine sehr positive Bilanz: „ Mit der 1. Kölner Literaturnacht wollte der Verein Literaturszene Köln die Vielfalt des literarischen Geschehens ins Rampenlicht rücken: Nach allem, was wir bisher von Autoren, Übersetzern, Veranstaltern, Verlagsleuten, Buchhändlern und dem Publikum gehört haben, ist das wunderbar gelungen.“

STADT WILL LITERATUR WEITER FÖRDERN

Kölns Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach eröffnete die 1. Kölner Literaturnacht offiziell um 18 Uhr im Comedia Theater. „Mit voller Berechtigung“ gebe es nun eine weitere Kulturnacht in Köln, worüber sie sich sehr freue.

„Es ist ein Manifest dieser Sparte, die sagt: Wir sind auch da. Köln ist auch eine Literaturstadt.“ Es sei wichtig, dass sich die Szene noch einmal ganz neu aufstelle und auch Räume für den Nachwuchs und kleinere Projekte biete. Sie fühle sich „zu zehn Prozent“ mitverantwortlich an der Literaturnacht, denn diese sei ja auch ein Auswuchs des Kulturentwicklungsplans.

Die Stadt wolle die Szene weiter fördern und ermutigen. „Auf dass noch viele Literaturnächte folgen.“ (amb)

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