Serie am Schauspiel KölnVor Frauen in Machtpositionen wird gewarnt

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Kristin Steffen

Köln – Die letzte Folge kommt mit Warnhinweis versehen daher. Sie enthalte Szenen, die manche Zuschauer als verstörend, wenn nicht gar als traumatisierend empfinden könnten: Gewalt, Blut, Tod und „Darstellungen von Frauen in Machtpositionen“.

Die Regisseurin Pınar Karabulut hat für das Schauspiel Köln Ewald Palmetshofers Nachdichtung von Christopher Marlowes „Edward II.“ als sechsteilige Fernsehserie adaptiert, die Geschichte eines Königs (Alexander Angeletta), der sich weniger dafür interessiert zu herrschen, als vielmehr von den Gefühlen beherrscht zu werden, die er seinem Geliebten Gaveston (Justus Maier) entgegenbringt.

Die Folgen wurden im Wochentakt ausgespielt, wie bei den Serienhighlights der großen Streamingdienste. Und ganz ähnlich wie die Marvel-Serie „WandaVision“, die auf Disney+ zur gleichen Zeit allfreitäglich eine andere Sitcom-Ära herbeizitiert, switcht sich Karabulut auf der Homepage des Schauspiels durch die Genres und  präsentiert die Tragödie des gegen jede Staatsräson männerliebenden Königs mal als Gangster- mal als Horror-, mal als experimentellen Tanzfilm. 

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Popkultureller Fundus

Dabei bedient sich die Regisseurin aus einem weiten (pop-)kulturellen Fundus. Legt Edward die berüchtigte Einschränkung des jungen Prinz Charles auf die Interviewfrage, ob er und Diana verliebt seien, in den Mund („Was auch immer Liebe bedeutet“) und Edwards Gattin Isabella, gespielt von Nicola Gründel,  Robert De Niros weise Worte aus „Casino“: „Wenn du jemanden liebst, musst du ihm vertrauen. Andernfalls wäre das alles sinnlos.“

Oder sie bebildert die Spannungen zwischen dem Paar mit einem Reenactment jener Performance von Marina Abramović und Ulay, bei der ein Pfeil direkt aufs Herz der Künstlerin zielt,  der nur Kraft beider Körper in der Balance gehalten wird, und zerlegt das Bild von der Kleinfamilie, in dem sie Jörg Ratjen als jungen Königsspross Divines weihnachtlichen „Cha Cha Heels“-Ausflipper aus  John Waters „Female Trouble“ nachtoben lässt. Auch sehr schön.

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Das eigentlich Dramatische des Dramas, das unerbittliche Fortschreiten im Rhythmus des Blankverses, geht über dieser vielstimmigen Kunst des Zitats gelegentlich verloren. Wo „WandaVision“, um noch einmal Unvergleichliches zu vergleichen,  nach ein paar parodistischen Folgen eine Erklärung innerhalb der Fiktion nachlieferte, strapaziert „Edward II.“ vor allem die thematische Klammer.

Palmetshofer hat als eigentlichen Schauplatz von Marlowes Königsdrama den Körper des Königs ausgemacht, Karabulut verstärkt das noch, etwa, wenn sie Gavestons gesprochenes Sexvideo („im Mund zwei Königskugeln kreisen“) mit der grauslichen Beschreibung vom Tod des Königs durch eine glühende Eisenstange, die ihn in den After eingeführt wird, kontrastiert.

In Kolumba gedreht

Dazu sehen wir, wie Angeletta  vom Henker der Kopf geschoren wird – die Bilder  symbolisieren eher die Gewalt, als sie zu zeigen. Wir befinden uns immer noch ganz entschieden im Theater: der Text sagt, wo es lang geht. Zugleich verzichtet Karabulut über weite Strecken auf Sprache,  vor allem in einer fast ausschließlich im Kölner Museum Kolumba gedrehten, fast ausschließlich aus Tanz- und Performance-Stücken bestehenden Folge, in der sich vor allem Gründel als ausgebildete Tänzerin hervortut.  

Überhaupt richtet sie ihr Augenmerk verstärkt auf die geschasste Isabella, die schließlich aus Frankreich mit neuen Verbündeten zurückkehrt,  das gemeinsame Kind im Schlepptau, das nun an Stelle des unwilligen Königs auf den Thron gesetzt wird. Ratjen wird in den letzten Szenen zum Mordbuben, rächt sich drastisch an den Verschwörern gegen seinen Vater. 

Buffy und Schiller

Die Geschichte bricht an dieser  Stelle ab, doch als Post-Credit-Szene hat Karabulut  einen Ausblick auf das Ende des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich angefügt, den Edward III. beginnen wird: Kristin Steffen spielt, wie sie es eigentlich auf der  Schauspielbühne getan hätte, wäre nicht der Lockdown dazwischengekommen, die Jungfrau von Orleans als blutgetränkte Rächerin und vermengt den Schiller-Text mit Zitaten aus der letzten Staffel von „Buffy, the Vampire Slayer“,  in der die auserwählte Dämonenjägerin ihre Macht mit vielen anderen jungen Frauen teilt: „Are you ready to be strong?“, fragt Steffen.

Sollten wir sein. Vor Frauen in Machtpositionen hat uns Karabulut ja rechtzeitig gewarnt.

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