Sexismus in RTL-ShowNoch nie war „Der Bachelor” so ehrlich

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Sebastian und Leah küssen sich beim Homedate

  • Der neue „Bachelor" wird von RTL als geläuterter Verbrecher inszeniert. Aber eigentlich ist er vor allem sexistisch.
  • Mittlerweile wird der Kölner Sender immer massiver dafür kritisiert, dass er seinen Hauptdarsteller weiterhin als Traummann ausgibt.
  • Dabei müssen wir RTL dankbar sein: Dieser „Bachelor" ist die Manifestation all dessen, was in der Genderdebatte noch immer falsch läuft.

Köln – Diana versucht es mit einem Kuss-Verbot. Nachdem sie in der neuen Folge „Der Bachelor“, die RTL an diesem Mittwochabend um 20.15 Uhr ausstrahlt, mit Sebastian rumgeknutscht hat, macht sie ihm eine klare Ansage: „Wenn du mich heute küsst, dann brauchst du keine andere mehr hier zu küssen!“ Das müsse nicht sein. „Fertig. Ende. Aus. Da muss ich auch keine Begründung für abgeben.“ Die Antwort ist allerdings maximal ausweichend: „Das kann ich nicht versprechen.“ 22 Frauen hat RTL für diese Staffel seiner Kuppelshow „Der Bachelor“ gecastet, die alle um einen Junggesellen buhlen, der vorgibt, die große Liebe zu suchen. In der aktuellen Folge sind noch fünf Kandidatinnen übrig. Und die vergangenen Wochen haben alle eines gelehrt: Wer nicht küsst, fliegt!

Die Batida-de-Coco-getränkte Inszenierung in dieser mexikanischen Palmenwelt folgt strengen Regeln: Der Bachelor wurde als der ultimative Traummann eingeführt. Man sah ihm zu Beginn dabei zu, wie er mit sehnsüchtigem Blick herumlief, wie das Wasser von seinen gestählten Muskeln perlte, als er aus dem Meer stieg wie die schaumgeborene Aphrodite. Man lauschte seinen Beschwörungen, im Rahmen der Show die große Liebe zu suchen, eine Familie gründen zu wollen.

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Danach ging RTL allerdings einen etwas anderen Weg als früher. Der 29 Jahre alte Sebastian Preuss wird als Geläuterter inszeniert. Denn in seiner Jugend saß der Kickbox-Weltmeister wegen Körperverletzung im Knast. Angeblich soll er am Ufer der Isar an seinem 18. Geburtstag einen Widersacher mit einem lebendigen Schwan verprügelt haben. Eins wisse man also sicher, schrieb jemand bei Twitter: Gut zu Vögeln sei der Bachelor dieses Jahr nicht. Das lassen wir mal so stehen.

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Schwan drüber

Schwan drüber, dachte sich auf jeden Fall RTL und erzählt nun also konsequent die Geschichte des einst bösen Buben, der nun alles richtig machen will. Das einzige Problem: Sebastian präsentiert sich leider in fast jeder Szene als das Gegenteil eines Traummanns. Er zeigt kein echtes Interesse an den Frauen, er nennt sie konsequent Mädchen, er äußert nichts anders als Floskeln, und seine Kenntnisse der deutschen Grammatik sind – vorsichtig formuliert – ausbaufähig. Vor allem aber setzt er die Kandidatinnen massiv unter Druck.

Zu bestaunen war das besonders gut vor zwei Wochen bei seiner damaligen Lieblingskandidatin Linda. „Die Linda hat mir ein bisschen den Kopf verdreht“, „Es tut gut, in ihrer Nähe zu sein“, „Alles war sehr schön“ – so und ähnlich säuselte er über das Date mit der Kölnerin in einem Hotelpool. Um dann mit der sehr subtilen Frage „Wie wichtig ist dir Küssen in einer Beziehung?“ zu seinem eigentlichen Anliegen zu kommen. Das Problem war nur: Linda wollte ihn nicht küssen. Sie habe keine Lust, eine von vielen zu sein. Eine selten geäußerte Entscheidung in einer Kuppelshow, aber natürlich ihr gutes Recht.

Kollektive Fremdscham

Aus der gemeinsamen Übernachtung wurde daraufhin nichts, man schlief in getrennten Zimmern. Und Sebastian setzte ihr deshalb am nächsten Morgen zu. Er habe schlecht geschlafen wegen des verpassten Kusses. „Fand ich sehr traurig. Das hat mich ein bisschen belastet.“ Sie hätte sich doch denken können, dass bei einem Date in einem Hotel eine Übernachtung eingeplant sei. „Du bist doch ein kluges Mädchen.“ In seinen Augen aber eben nicht klug genug – und deshalb flog sie raus. Zugunsten einer Kandidatin, mit der die Chemie so offensichtlich nicht stimmte, dass sich die Zuschauer vor dem Fernseher vermutlich kollektiv vor Fremdscham wanden.

Und auch seine Entscheidung, in der vergangene Woche ausgestrahlten Folge drei Frauen nacheinander an denselben Ort für ein Date zu bestellen, trug nicht gerade dazu bei, seine Popularitätswerte zu steigern. Schon ist im Netz zu lesen, dieser Bachelor sei der unsympathischste in der Geschichte der Show. Dagegen lässt sich nicht viel sagen. Sein vorgestriges, sexistisches, misogynes Frauenbild, das sich vor allem in seiner mangelnde Bereitschaft, Nein als Nein zu akzeptieren, manifestiert, ist schwer zu ertragen. Und erinnert in seiner toxischen Wirkung arg an Heidi Klums Castingshow „Germany’s Next Topmodel“, in der junge Frauen vor allem lernen, dass Erfolg nur die haben kann, die zu allem Ja sagt und nie Widerworte gibt.

Schon prügeln in den sozialen Netzwerken viele auf RTL ein. Es sei unverantwortlich, Sebastian weiterhin konsequent als Traummann zu inszenieren. Der erste Impuls ist, dem zuzustimmen. Doch die Wahrheit ist eine andere: Wir sollten RTL dankbar sein. Der Privatsender ist nur ehrlich und treibt auf die Spitze, was das Publikum zu lange verdrängen konnte: „Der Bachelor“ ist kein harmloser Guilty-Pleasure-Zeitvertreib. Er ist die Manifestation all dessen, was in der Genderdebatte noch immer falsch läuft. Wir müssen uns nicht wundern, wenn kleine Mädchen rosarote Träume von passiven Prinzessinnen träumen, die darauf warten, gerettet zu werden, wenn ein Kerl mit diesem Frauenbild als Traummann dargestellt werden kann.

Diese Erkenntnis tut vielleicht weh, aber sie ist wichtig. Und noch ein Gutes hat dieser Bachelor, wenn auch unfreiwillig, bewirkt. Anders als in früheren Staffeln, in denen im Netz häufig über die Frauen gelästert wurde, steht nun endlich mal derjenige im Mittelpunkt der Kritik, der sie verdient: Der Bachelor selbst. Und dafür möchte man ihn fast küssen. Aber auch nur fast.

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