So war der „Polizeiruf 110“Ein Fall, den erst die Zuschauer lösen konnten

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Bessie Eyckhoff (r, Verena Altenberger) befragt Stefanie Reither (Zoë Valks) 

Der Fall

In einem Park wurde die Leiche der 16-jährigen Laura Schmidt entdeckt. Schnell war für Kommissarin Eyckhoff (Verena Altenberger) klar, dass es Parallelen zu dem Vermisstenfall der ebenfalls 16-jährigen Anne Ludwig gibt. Das auffällige Verhalten von Caroline Ludwig (Anna Grisebach), der Mutter von Anne, machte sie bald zur Tatverdächtigen. So verfolgte sie etwa die junge Dealerin Steffi (Zoë Valks), die schließlich zur Polizei ging, um gegen ihre Stalkerin auszusagen. Damit wurde sie jedoch selbst zur Verdächtigen.

Die Auflösung

Wer gehofft hatte, dass die Auflösung dieses Münchener „Polizeiruf“ endlich alle Fragen beantworten würde, die sich im Verlauf dieser Folge ergaben, lag falsch. Als Eyckhoff erkannte, dass es eigentlich Steffi war, die, verkleidet als Anne, auf dem vermeintlich letzten Video von Anne vor ihrem Verschwinden zu sehen war, fügten sich langsam die einzelnen Handlungsstränge dieser Folge zu einem Ganzen.

Doch als die Kommissarin Steffi damit konfrontierte, fing sie an, nicht von sich, sondern von ihrem Freund Patrick zu erzählen, der, wie sich herausstellte, ihr Halbbruder ist – eine Tatsache, die seltsamerweise auch im weiteren Verlauf der Folge unkommentiert bleibt. Er jedenfalls habe Laura und auch die vermisste Anne umgebracht, er habe sie manipuliert, benutzt, und als ihm langweilig war, „ja, dann hat er sie umgebracht.“

Das Weiterrätseln

Bis auf wenige kurze Szenen endet damit die Folge „Das Licht, das die Toten sehen“. Dem Drehbuch gelingt es allerdings auf beeindruckende Weise, dass die Folge nach der letzten Szene weiterläuft – nicht auf dem Bildschirm, sondern in den Gedanken der Zuschauer. Jetzt beginnt die eigene Ermittlungsarbeit, denn alle Indizien, die man in der Folge über Steffi und Patrick sammeln konnte, weisen darauf hin, dass Steffi im Verhörzimmer eigentlich sich selbst beschrieben hat.

Sie war die Manipulative, sie konnte selbst Eykhoff mühelos aus der Fassung bringen, wie sich bei ihrem letzten Verhör zeigte. Die bedrohlich stille Nahaufnahme ihres Gesichts, während sie ihr „Geständnis“ abgab, war wohl die letzte Bestätigung dafür, dass Steffi sich in einem psychotischen Zustand befand. Wie so oft in dieser Folge wurde die Kamera (Ralph Netzer) hier zum Erzähler.

Aber damit sind bei weitem noch nicht alle Fragen geklärt. Was hat es etwa damit auf sich, dass Steffi und Patrick, die im ganzen Verlauf der Folge als junges Pärchen inszeniert wurden, schließlich als Halbgeschwister „geoutet“ werden? Und warum wird nie geklärt, ob Caroline Ludwig nun eine brutale Mutter ist, die ihre Tochter geschlagen hat, oder nicht?

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Diese Handlungsstränge scheinen nur der Verunsicherung der Zuschauer zu dienen und führen letztlich ins Leere. Schade eigentlich, denn die vieles andere wurde am Ende schlüssig zusammengefügt. Doch dieser „Polizeiruf“, so erklärt es jedenfalls der Regisseur Filippos Tsitos, spricht mehr mit Blicken als mit Dialogen. Die Ungewissheit bleibt also bis zum Schluss der Kern dieses Krimis. Damit fällt die zufriedenstellende Auflösung, in der sich alle Einzelteile in ein glasklares Gesamtbild fügen, zwar weg. Aber das ist der Preis, den man für den Verzicht auf platte Dialoge und durchschaubare Charaktere zahlt.

„Das Licht, das die Toten sehen“ ist ein außergewöhnlicher „Polizeiruf“, keine Frage. Es liegt wenig Fokus auf den Kommissaren, Dennis Eden müsste eigentlich kaum Teil dieser Folge sein. Stattdessen steht die Psyche des Menschen im Vordergrund. Wodurch die Zuschauer gezwungen werden, alles zu hinterfragen, was zunächst eindeutig schien.

Das Fazit

Dieser Versuch eines Krimis mit verwirrendem Psychothriller-Charakter erweist sich als überwiegend gelungenes Experiment mit überzeugenden schauspielerischen Leistungen. Insbesondere von Anna Griesebach (Caroline Ludwig), die ihre Rolle mit gekonnter Schlichtheit spielte, wird eine zunächst undurchsichtige Geschichte erzählt, die sich erst nach Ende der Folge in den Gedanken der Zuschauer komplett entfaltet. Damit fordert dieser „Polizeiruf“ seine Zuschauer, über die 90 Minuten Spielzeit hinaus.

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