So war der „Tatort“ aus HamburgWenn die Polizei zum Täter wird

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Der neue Fall nimmt Julia Grosz (Franziska Weisz) stark mit.  

Der Fall

Nachdem ihre Freundin Ela (Elisabeth Hofmann) verschwindet, schleust sich Kommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) in die linke Szene Hamburgs ein, in der auch Ela als verdeckte Ermittlerin arbeitete. Da Grosz ohne offiziellen Auftrag arbeitet, muss ihr Kollege Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ihr den Rücken decken.

Gleichzeitig versucht er, einen Brandanschlag auf das Haus eines Polizisten aufzuklären, der vermutlich auch mit der linken Szene zusammenhängt. Es bleibt herauszufinden: Was ist mit Ela geschehen? Und wer hat den Brandanschlag verübt? Bald merken die Kommissare, dass ihre jeweiligen Ermittlungen mehr miteinander zu tun haben, als zunächst gedacht.

Die Auflösung

Die Ermittlungen beider Kommissare enden bei Karsten Meier, Elas Ehemann und zudem Mitarbeiter des LKA. Er hatte den Brand gelegt mit der Absicht, ihn der neuen Geliebten von Ela aus der linken Szene, Nana (Gina Haller), anzuhängen. Ela hatte sich nämlich von ihrem Mann scheiden lassen wollen, und Karsten Meier hoffte, so seine Konkurrentin aus dem Weg zu schaffen.

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Wie zu erwarten hat Meier damit keinen Erfolg. „Du hängst Nana den Brand an und ich komm zu dir zurück, ist das, was du gedacht hast?“, schreit Ela ihren Noch-Ehemann in einem letzten Streit an. Ja, genau so scheint er sich das gedacht zu haben. Stattdessen muss dann folgender Plan herhalten: Er ermordet Ela und lässt die Leiche im frischen Beton des Pools verschwinden, den Maier im Garten baute. Nur die Fingerspitzen einer Hand schauen noch aus dem Beton hervor. 

Die Themen

Was der „Tatort: Schattenleben“ nicht an konstanter Spannung aufbringt, kompensiert er mit der differenzierten Beschäftigung mit den Themen Polizeigewalt und verdeckter Ermittlungsarbeit. Eindrucksvoll wird anhand von Kommissar Falkes Storyline gezeigt, wie Gewalt von Polizisten systematisch innerhalb der eigenen Reihen vertuscht wird. Wer, wie Falke, versucht, diese schädlichen Strukturen offenzulegen, darf sich sofort Beschimpfungen wie „Kollegenschwein“ anhören.

Für „Tatort“-Fans

„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.

Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.

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Aber auch auf verdeckte Ermittlungsarbeit wird ein kritisches Licht geworfen. Besonders an der Figur Nana wird deutlich, wie sehr diese Art der Ermittlung mit den Emotionen unschuldiger Menschen spielt. Als nicht nur Ela, sondern auch Julia Grosz als verdeckte Ermittlerinnen auffliegen, bricht für Nana eine Welt zusammen. „Wie könnt ihr so mit Menschen umgehen?“, schreit sie aufgelöst. In diesem Moment wird für Grosz genauso wie für den Zuschauer klar, was die realen Auswirkungen solcher Einsätze sind.

Ein Blick hinter die Kulissen eröffnet ein weiteres wichtiges Thema dieses „Tatorts“: Die Regisseurin Mia Spengler bestand auf einen sogenannten „Inclusion Rider“ bei ihrer Arbeit am Hamburger „Tatort“. Erstmals wurde damit in einer öffentlich-rechtlichen Produktion vertraglich festgelegt, Stab und Cast möglichst divers zu besetzen.

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Schauspielerin Gina Haller, die die Aktivistin Nana spielt und selbst schon viel mit Rassismus in der Schauspielbranche zu kämpfen hatte, berichtet: „Beim „Tatort“ habe ich das erste Mal mit einer Regisseurin gearbeitet, die selber Migrationshintergrund hat. Also musste ich bestimmte Dinge nicht erst erklären. Ich habe auch nie zuvor im Film einen so diversen Cast erlebt.“ Der „Tatort: Schattenleben“ ist somit ein Vorreiter in der deutschen Krimiwelt und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Allgemeinen.

Fazit

Nein, wir haben es hier nicht mit einem hochspannenden Psychothriller zu tun. Den einen mag das langweilen, den anderen endlich mal durchatmen lassen. Dieser „Tatort“ kommt ganz ohne Thriller-Klischees, psychotische Figuren und große Blutlachen aus. Dennoch ist er ausdrucksstark und, wenn auch nicht immer, so doch aber in Teilen sehr spannend.

Mit dem Drehbuch von Lena Fakler wird deutliche und fundierte Kritik an den Strukturen der Polizei geäußert, die sich nahtlos in das restliche Geschehen dieses Krimis einfügt. Und wenn etwa beim Einbruch in Karsten Meiers Haus, in den sich Grosz ungewollt verwickelt, plötzlich Perry Comos 70 Jahre alter Hit „Papa loves Mambo“ eingespielt wird, darf man als Zuschauer zum Glück aber auch bei diesem „Tatort“ mal schmunzeln.

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