So war der „Tatort“Wenn der Hass gegen Frauen eskaliert

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Stehen noch vor Rätseln: Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik)

Der Fall

Eine junge Frau wurde in der Nähe des Clubs „Paradise“ in Kiel tot aufgefunden. Schon die Spurensicherung stellte schwere Misshandlungen fest. Die Rechtsmedizinerin bestätigte das. Fußtritte hatten für schwere innere Verletzungen gesorgt. Zudem wurde eine Überdosis von K.O.-Tropfen festgestellt. Die Todesursache: Herzstillstand.

Die Auflösung

Überwachungsvideos führten die Ermittler zu Mario Lohse (Joseph Bundschuh), der im Club das Opfer angesprochen und ihr einen Drink ausgegeben hatte. Zuvor beugte er sich seltsam über das Getränk, was die Kommissare vermuten lässt, dass er ihr die Drogen verabreicht hatte.

Von ihm angesehene Videos von Hank Massmann (Arnd Klawitter) – ein Experte fürs Mannsein – und sein Verhalten gegenüber Kommissarin Mila Sahin (Almila Bagriacik) machten den Ermittlern schnell deutlich, dass Lohse ein Problem mit Frauen hat.

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Doch dann kam die Wendung. Eine Freundin des Opfers gestand, dass sie ihr die Tropfen verabreicht hatte. Die Polizei musste Lohse gehen lassen.

Der „Tatort“ verlor dann den ursprünglichen Fall aus den Augen. Das Geständnis von Mario Lohse, die Tote nach ihrem Zusammenbruch getreten zu haben, fand nur für die Zuschauer statt. Die Frage, ob die Freundinnen der Toten schuldig waren, wurde nicht weiter behandelt.

Der eigentliche Fall

Gleich zu Beginn erkannte Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) am Fundort der Toten Sandspuren, die wie die Zahl 14 aussahen und schloß auf einen ideologischen Hintergrund, einen rechten Code: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“

Doch der Cybercop Paulig (Jan-Peter Kampwirth) schloß das aus, weil das Opfer weder einen Migrationshintergrund hatte, noch der Antifa angehörte. Borowski brachte das Thema auf den Punkt: „Vielleicht genügt es, dass sie eine Frau ist?“

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Über den später beschlagnahmten Computer von Mario Lohse stießen die Ermittler auf eine Liste: „14 words – 400 women“ – ein Online-Pranger mit Frauennamen, die sich nach Meinung der rechten Gruppierung falsch verhalten haben. Der Staatsschutz wurde eingeschaltet.

Bei dieser radikalen Gruppierung fand Lohse, nachdem er ein Bild der Toten mit der 14 im Sand im Dark-Net hochgeladen hatte, Anerkennung. Er sollte Teil ihrer Gewaltaktionen am Internationalen Frauentag werden. Lohse wollte als Selbstmordattentäter den Club stürmen.

Das Thema

Das Erste zeigt den „Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“ anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März. Das Thema nahm daher die Hauptrolle des Films ein. Und das erfolgreich – das Thema war stark genug, es trägt den Film.

Die Geschichte thematisierte das Phänomen der „Incels“ – eine Abkürzung für „involuntary celibate“, sprich: unfreiwilliges Zölibat. Einsame Männer, die von Frauen zurückgewiesen worden sind und sich im Netz radikalisieren.

Borowski berichtete, dass die Attentäter von Halle, Hanau und Christchurch sowie der Norweger Anders Breivik, zu den Incels gehörten. Und nach der Meinung der Kommissare passte Mario Lohse genau in dieses Profil.

Das Fazit

Trotz eines zweiten Erzählstranges, der am Ende mit dem Hauptstrang verwoben wurde, war dem Krimi von Autor Peter Probst und Regisseurin Nicole Weegmann gut zu folgen. Der erste  Überfall zu Beginn des „Tatorts“ auf Duschanka Tomi (Vidina Popov) gehörte zunächst nicht zu der Haupterzählung und blieb vorerst unaufgeklärt. Tomi und ihre Chefin, die Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel), wurden im Verlauf des Films immer wieder gezeigt, wobei der Zusammenhang zur Ermittlung erst deutlich wurde, als die Liste der 400 Frauen auftauchte.

Tomi genauso wie Reimers standen auf der Liste. Auch die Politikerin wurde später zum Anschlagsopfer. Die Täter trugen dabei weiße Schutzanzüge, wie man sie von der Spurensicherung kennt, und gaben dem „Tatort“ damit auf mehreren Ebenen seinen Titel.

Die Kommissare traten in diesem „Tatort“ komplett in den Hintergrund, wären für die Ermittlungen quasi austauschbar gewesen. Bis auf eine Szene, in der Sahins Bekanntschaft mit Herrn Götze vom Staatsschutz aus früheren Zeiten in Berlin deutlich wurde.

Sahin ist auch die Figur, an der die Frauenanfeindungen im Alltag deutlich wurden. Sie wurde von Götze „Liebste“ genannt und von Lohse beschimpft. Die Kommissarin, die bisher selbstbewusst und zielstrebig aufgetreten ist, ließ sich auch von den Anfeindungen nicht unterkriegen und reagierte schlagfertig.

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Immer wieder wurden im Verlauf des Films Chatnachrichten von Männern, wie Mantras aus dem Off, eingesprochen – sie gaben nicht nur Einblick in die Chatverläufe radikaler Gruppierungen, sondern unterstützen auch die Stimmung des Films. Der „Tatort“ spitzte sich immer weiter zu, bis zu einem spannenden Finale.

Am Ende ging es um viel mehr als um das erste Todesopfer. Es ging um rechte Gruppen, die den Hass gegen Frauen im Internet instrumentalisieren. Es ging um Taten, die vom Hass gegen Frauen motiviert sind. Es ging um die weißen Männer. Und das Ende machte deutlich: Die Welt ist für Frauen, ein Tag vor dem internationalen Frauentag, nicht in Ordnung. 

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