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So war der „Tatort“Kommissarin im Gewirr von linker und rechter Stimmungsmache

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Eine Szene, die Martina Bönisch (Anna Schudt) zum Verhängnis wird. Bei der Festnahme eines Verdächtigen entsteht der Eindruck, sie sei rassistisch. Im Netz wird das Bild tausendfach geteilt.

Der Fall

Nach einem Brand im Keller des Gerberzentrums, einer Hochhaus-Siedlung in Dortmund, wurde die verkohlte Leiche einer jungen Frau gefunden. Verdächtig waren vor allem der Hausmeister, der in ihrer Wohnung heimlich Kameras installiert hatte, und ein junger Geflüchteter aus dem Irak, der Sorge hatte, dass seine Drogengeschäfte auffliegen.

Für „Tatort“-Fans

„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.

Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.

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Die Auflösung

Wie so oft im "Tatort" waren es die beiden Hauptverdächtigen dann doch nicht. Thomas Janowski (Jürg Plüss), der erst seinen Computerladen schließen musste und dann seine Wohnung verlor und nun in dem leeren Ladenlokal hauste, hatte die junge Frau in Wut erschlagen, weil er es nicht ertragen hatte, dass sie ihm, dem Beinahe-Obdachlosen, mitleidig eine Camping-Ausrüstung in die Hand gedrückt hatte, nachdem er ihr geholfen hatte. 

Der eigentliche Fall

Der Mord an der jungen Frau wurde in diesem Film fast schon zur Nebensache. Autor Jürgen Werner und Regisseur Sebastian Ko ging es vielmehr darum, aufzuzeigen, dass wir von einer "heilen Welt" weit entfernt sind.

Der erste "Tatort", der während der Corona-Pandemie spielt, beschäftigte sich mit der Frage, wie sehr unsere Gesellschaft schon auseinander gedriftet ist. 

Werner und Ko machten das an den Geschehnissen rund um Martina Bönisch (Anna Schudt) fest. Weil sie bei der Festnahme von Hakim Khaled (Shadi Eck), der mit seinen Eltern aus dem Irak nach Deutschland kam, etwas ruppig vorging, stand sie kurze Zeit am Internet-Pranger.

Fotos und Videos von der Festnahme fluteten bereits kurze Zeit später die sozialen Netzwerke. Die einen feierten Bönisch als Vertreterin einer "Hart durchgreifen"-Linie und beschimpfen den jungen Verdächtigen wegen seiner Herkunft. Die anderen wiederum warfen ihr vor, Rassistin zu sein und sahen in ihr den perfekten Beweis, dass die Polizei ein Problem mit rechtem Gedankengut in den eigenen Reihen hat.

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Die von Anna Schudt wie immer großartig gespielte Kommissarin kam mit den Anschuldigungen, dem Druck und einem gewalttätigen Angriff auf sie kaum klar. Peter Faber (Jörg Hartmann), der ja sonst eigentlich nicht durch große Emotionalität auffällt, bemühte sich plötzlich rührend unbeholfen um die Kollegin, musste aber feststellen, dass diese sich bereits von einem anderen Mann trösten ließ.

Die Neue

Und dann ist da ja auch noch die Neue im Team: Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) trat die Nachfolge von Nora Dalay (Aylin Tezel) an, die in der Jubiläumsfolge die Brocken hinwarf. Zwar war so viel los in diesem Fall aus Dortmund, dass die neue Kommissarin relativ wenig Raum erhält, doch Rosa Herzog scheint ein interessanter und ausbaufähiger Charakter zu sein, zumal sie gleich auf Augenhöhe zu den Kollegen einstieg und selbstbewusst ihren Platz einforderte. 

Fazit

Der Krimi von Autor Jürgen Werner und Regisseur Sebastian Ko zeigte eindringlich, welche Wirkmacht die sozialen Medien haben und wie leicht man im Gewirr von linker und rechter Stimmungsmache verloren gehen kann. Dagegen war Heinrich Bölls Katharina Blum eine eher harmloser Fall. 

Am Ende eskalierte die aufgestaute Wut und mündete in ein fulminantes Finale, das die Straßenschlachten mit eindrucksvollen Bildern (Kamera: Philipp Kirsamer) einfing. Einzig die Rede, die Bönisch im Vorfeld der Krawalle hielt, war doch sehr von "Lasst euch nicht aufhetzen"-Floskeln geprägt. Aber alles in allem ein guter, intensiver "Tatort", der auf der Höhe der Zeit war.

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