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So war der Kölner „Tatort“Reizvoll, böse und ein bisschen plakativ

Lesezeit 3 Minuten
Tatort Der Reiz des Bösen CR WDR -Bavaria Fiction GmbH - Martin Valentin Menke

Ines (Picco von Groote) und „Basso“ (Torben Liebrecht) kommen sich im Tatort am 19.08. gefährlich nah.

Der Fall

Erst vor kurzem hatte Susanne Elvan den Ex-Häftling Tarek geheiratet. Nun lag sie brutal erstochen vor den Kölner Ermittlern. Tochter Mia hatte Angst vor Tarek, wollte aber auch nicht zu dem gewaltsamen Ex-Mann ihrer Mutter.

Beim Kollegen Jütte lösten die Bilder des Mordes einen Schwächeanfall aus und es stellte sich heraus, dass er vor Jahren bereits an der Ermittlung in einem ähnlichen Fall beteiligt war. Damals wurde er noch „Turbo-Jütte“ genannt, was gar nicht zu dem gemütlichen Beamten passt.

Neben den verdächtigen Männern aus Elvans Leben suggerierte der Tatort noch einen Zusammenhang zu Basso. Frisch aus dem Gefängnis entlassen zog dieser zu Ines – eine vergleichbare Geschichte wie die von Susanne und Tarek. Nach und nach wurde gezeigt, wie Basso Ines´ Sohn Lenny misshandelte, ohne dass die Mutter mit der rosaroten Brille das mitbekam.

Die Auflösung

Der Twist von „Der Reiz des Bösen“ wurde über den Verlauf des "Tatort" klassisch mit immer auffälligeren Hinweisen aufgebaut. Die anachronistische Gleichstellung der Handlungsstränge wurde dabei durch Kleinigkeiten angedeutet.

So spielte Lenny mit einem Game Boy (Erscheinungsjahr 1990 in Deutschland – also deutlich aus der Zeit gefallen) und sein böser Stiefvater spielte den Song „Nobody´s gonna hurt you baby“ von den „Cigaretts After Sex“ aus dem Jahr 2012. Das erfand das Rad nicht neu, war aber ansprechend umgesetzt.

Für „Tatort“-Fans

„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.

Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.

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Was den Täter Lenny motivierte, wurde äußerst schlüssig enträtselt. Sowohl das Lied „Nobody´s gonna hurt you baby“, das er beim Morden hörte, als auch das ritualisierte Binden des Gürtels um den Kopf und vor die Augen der Opfer – die alle Mütter mit romantischen Beziehung zu ehemaligen Häftlingen waren - gingen vor der Hintergrundgeschichte auf.

Der Gürtel um die Augen führte dabei einerseits das Trauma Lennys durch die Misshandlung mit Gürtelschlägen und andererseits das Wegsehen der Mutter zusammen, die ihn hätte beschützen müssen.

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Die Visualisierung der Dichotomie von Gut und Böse war zwar etwas plakativ, wurde aber stimmig eingebunden. Jütte schaute wohlwollend einer Schnecke hinterher. Basso hingegen betrachtete den Käfer auf seiner Hand mit manischem Blick a la Norman Bates in Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Psycho".

Das Fazit

Die schwierige Frage wie es mit Beziehungen weitergeht, die  aus einer ursprünglichen Anziehung aufgrund der brutalen Verbrechen einer Person entstanden sind, wurde hier nicht schwarz-weiß beantwortet. Graustufen entstanden durch die unterschiedlichen Resultate der Beziehungen, die im Lauf der Geschichte gezeigt wurden.

Tarek trauerte seiner Frau Susanne liebevoll nach und war um das Wohl ihrer Tochter besorgt. Susannes Ex-Mann benahm sich auch ohne Gefängnisaufenthalt scheußlich gegenüber seiner Familie. Die Gefängnis-Psychologin sagte, dass sie seit Jahren glücklich mit einem ehemaligen Insassen verheiratet sei.

Als Gegengewicht wog die ungesunde Dynamik von Basso und Ines schwer. Er manipulierte und misshandelte sie - Ines ließ sich dennoch auf seine Lügen ein. Die Ehe zerstörte die Beziehung zu ihrem schutzlosen Sohn, was schreckliche, weitreichende Folgen hatte.

Es lässt sich lediglich anmerken, dass das Verhalten von Susanne und Ines etwas reduziert mit dem Helfer-Syndrom begründet wurde. Den Autoren muss aber zugutegehalten werden, dass sie ein derart komplexes Thema in der kurzen Laufzeit nachvollziehbar zeigen wollten.

Die Kölner Ermittler traten souverän auf, wobei Jütte in diesem Fall Schenk und Ballauf ein wenig die Show stahl. Seine Hintergrundgeschichte wäre nicht zwingend notwendig gewesen, aber es war ganz nett, ihn mal von einer anderen Seite zu Gesicht zu bekommen.

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