Sophie Passmann liest im Gloria„Männer sollen sich für tolle Jobs rechtfertigen“

Lesezeit 8 Minuten
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Schriftstellerin Sophie Passmann

  • Die 25-jährige Kölnerin Sophie Passmann hat für ihr Buch „Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch” mit 16 Männern über Macht und Feminismus diskutiert.
  • Ihr Fazit: „Viele Männer betrachten Feminismus immer noch als lästige Beschäftigung von Frauen ohne Hobby.” Oder haben ein Bild vom „unrasierten, hysterischen” Feminismus im Kopf.
  • Ein Gespräch über Männer in Golfclubs, frauenfeindliche Frauen, reaktionäre Witze im Karneval und den „peinlichsten öffentlichen Nahverkehr aller deutscher Großstädte” – in Köln.
  • Am Mittwoch, 11. September, ist Passmann im Kölner Gloria zu sehen und zu hören – die Lesung ist ausverkauft. Ein Interview aus unserem Archiv.

Köln – Frau Passmann, Sie sind Feministin. Was verstehen Männer gerne falsch, wenn es um Feministinnen geht?

Wir sind nicht humorlos. Wir lachen nur nicht über eure Witze.

Ihr gerade erschienenes Buch heißt „Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch“. Warum sind alte weiße Männer ein Problem?

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Natürlich sind nicht alle ein Problem. Aber der „alte weiße Mann“ ist in einem bestimmten Diskurs zum Feindbild des Fortschritts erhoben worden. Das fand ich interessant. Denn einerseits ist der Begriff total schwammig, andererseits hat jeder sofort irgendwie auch ein Bild im Kopf, wer gemeint sein könnte: jemand wie Horst Seehofer, jemand, der kritikunfähig und paternalistisch ist, in Gesprächen ständig unterbricht, vorzugsweise Frauen.

Auch Frauen können diese negativen Charaktereigenschaften haben.

Stimmt. Allerdings können nur weiße Männer die Erfahrung machen, niemals wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts benachteiligt zu werden. Ihnen stehen alle Türen zur Macht auf.

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Eine weiße Frau kann noch so jovial daherkommen, sie wird niemals so privilegiert sein wie ein weißer Mann, konkret: ein christlicher, heterosexueller Mittelklasse-Akademiker-Mann.

Sie haben sich für das Buch mit 16 Männern getroffen und mit ihnen über Macht und Feminismus diskutiert. Und gefragt, wie man verhindern kann, ein alter weißer Mann zu werden. Welcher Ihrer Gesprächspartner von Politiker bis Sternekoch hat Sie positiv überrascht?

Mein Vater. Er hat schon fast radikalfeministische Parolen losgelassen. Ich habe in dem Moment gemerkt, dass man bei seiner eigenen Familie oft gar nicht weiß, wie sie über Dinge wirklich denken, obwohl man sich ein Leben lang miteinander unterhält.

Wer hat Sie negativ überwältigt?

Ich war verblüfft davon, wie rabiat Rainer Langhans argumentiert. Der ist intellektuell total abgeglitten, hat allen Ernstes behauptet, dass es für eine Schauspielerin doch ein guter Deal ist, wenn man Sex mit dem Regisseur hat und dann die Rolle bekommt. Das war weltfremd, verhärmt und anstrengend.

Was wussten Sie nach den Gesprächen, was Sie nicht vorher schon wussten?

Das Image des Feminismus ist noch viel schlechter, als ich dachte. Viele Dinge, die ich für Konsens hielt, sind keiner. Viele Männer betrachten Feminismus immer noch als lästige Beschäftigung von Frauen ohne Hobby. Überrascht hat mich auch, dass Kai Diekmann, als Ex-„Bild“-Chef gewiss kein Vorreiter für Frauenrechte, aber doch jemand, der feministische Debatten schon qua seines Berufs verfolgt haben muss, ein total frauenfeindliches Klischee im Kopf hat – vom unrasierten, hysterischen Feminismus.

Wie reagieren alte weiße Männer auf Ihr Buch?

Manche Männer sehen das Cover, werden wahnsinnig wütend und schreiben mir eine lange E-Mail, warum das Buch rassistisch, sexistisch und altersdiskriminierend ist. Wer zumindest die ersten zehn Seiten gelesen haben, versteht, worum es mir eigentlich geht.

Sie wollen platten Verallgemeinerungen und dummen Witzen etwas entgegensetzen, schreiben Sie im Vorwort. Den Witz von Bernd Stelter über Doppelnamen bei der ARD-Karnevals-Sitzung fanden Sie dumm, wie zu lesen war.

Es war ja noch nicht mal ein Witz, weil er sich gar nicht die Mühe gemacht hat, eine Pointe einzubauen. Das waren einfach nur faule zwei Minuten. Und mit so etwas verdient der sein Geld? Karneval stand ja ursprünglich mal dafür, den Ohnmächtigen Macht zu verleihen. Man machte sich lustig über das Militär, die da oben.

Wenn Bernd Stelter sich als weißer Mann über eine Frau mit einem Doppelnamen lustig macht, sagt er aber nur vermeintlich etwas über die CDU-Parteivorsitzende. Eigentlich geht es ja darum, dass Frauen bis zu den 90er Jahren in einer Ehe nur mit Hilfe eines Doppelnamens ihren Nachnamen behalten durften.

Zur Person und zum Buch

Sophie Passmann ist 25 Jahre alt und lebt in Köln. Sie arbeitet als Radiomoderatorin bei Eins-Live, ist Kolumnistin für die „Zeit“ und  gehört  zum Ensemble von Jan Böhmermann im „Neo Magazin Royale“.  Sie ist als Poetry Slammerin in ganz Deutschland aufgetreten.  Ihr zweites Buch „Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch“ ist  bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Am 11. September liest sie aus ihrem Buch im Kölner Gloria-Theater. (sbs) 

Annegret Kramp-Karrenbauer hat kurz darauf während einer Karnevals-Sitzung ebenfalls einen Witz gemacht – über Intersexuelle.

Und dieser Witz war einfach reaktionär, und nach der berechtigten Kritik daran schien sie sogar noch überrascht. Vor 30 Jahren haben im Karneval Männer Witze für Männer gemacht. Da war natürlich ganz viel frauenfeindlicher Mist dabei, aber damals war wenigstens klar: Die Elite macht Witze für die Elite. Heute kann diese Elite nicht mehr damit umgehen, dass auch andere Menschen zuhören und ab und zu sagen: Ähm, das war jetzt aber echt sexistisch.

Sie haben während Ihrer Gespräche öfter den Satz gehört: Feministinnen sind humorlos, doof, anstrengend – aber Sie sind ja gar nicht so. Ein Kompliment?

Nein. Wenn Männer das sagen, bedeutet das ja: Ich gebe zu, dass mein Klischeebild totaler Quatsch ist, bin aber nicht bereit, davon abzurücken. Es hat aber auch noch eine zutiefst frauenfeindliche Komponente, denn das vermeintliche Kompliment zieht mein Geschlecht insgesamt in den Dreck. Es gibt übrigens auch Frauen, die gerne betonen, dass sie viel lieber mit Männern rumhängen, weil die ja so viel entspannter sind. Oder dass sie keine von den Frauen sind, die immer „XY“ tun. Solche Frauen wollen sich durch Abgrenzung interessant machen und adressieren dabei eine männliche Zuhörerschaft, von der sie sich Anerkennung erhoffen. Auch das finde ich zutiefst frauenverachtend.

„Unbestechlichen Feminismus gibt es auch in lustig!“ Mit diesem Statement der Moderatorin Anne Will wird Ihr Buch beworben. War es Ihnen also doch wichtig, auch lustig zu sein?

Feminismus ist erstmal kein Humorwettbewerb. Wir wollen Gerechtigkeit in der Gesellschaft erreichen, und das ist meistens ein eher humorbefreiter Prozess. Ich konnte nur deshalb ein humorvolles Buch über Feminismus schreiben, weil es so viele ernsthafte, aufrichtige Feministinnen gibt. Wir stehen alle auf den Schultern von Riesen, was die Frauenbewegung angeht.

Ein Top-Feministinnen-Thema: die Frauenquote. Sie sind dafür. Warum?

Solange es keine Quote gibt, werde ich dafür kämpfen, dass wir eine Kultur etablieren, in der sich Männer dafür rechtfertigen müssen, warum sie eigentlich ihre tollen Jobs haben. Quote bedeutet Unfreiheit, so wird oft argumentiert. Gleichzeitig tut man so, als sei der Zustand vor der Frauenquote Freiheit. Wir leben aber doch nicht freier, weil es keine Quote gibt. Wir lassen eben einfach niedere Instinkte, Klischees und Frauenfeindlichkeit unser marktwirtschaftliches Zusammenleben regieren. Männer werden immer gerne hysterisch angesichts der Quotendebatte und sagen, dass Frauen so ja gar nicht das Privileg erfahren können, wie es ist, sich irgendwo ehrlich hochzuarbeiten. Da kann ich nur erwidern: Lieber Jürgen oder Karlheinz, das habt ihr auch nie getan. Weiße Männer arbeiten sich nicht in der CEO-Etage hoch. Die werden in den Golfclub mitgenommen und kriegen da samstags ihren Job zugesagt. So läuft das. Und zwar überall.

Aber eine Frau, die super in ihrem Job ist, schafft es doch ohne Quote nach oben. Kein gutes Argument?

Es stimmt vor allem nicht. Ich bin überzeugt, dass es gute Frauen gibt, die es nicht nach oben schaffen. Natürlich steigt auch mal eine Frau ohne die grundsätzliche Gerechtigkeit, die ihr zusteht, beruflich auf. Aber es ist doch total gaga, mit der einen oder anderen „guten Frau“ zu argumentieren, wenn wir versuchen, eine moralische Frage zu beantworten. Und die lautet: Ist es in Ordnung, dass Frauen strukturell diskriminiert werden?

Sie sind 25 Jahre alt. Ist es in Ihrer Generation cool, Feministin zu sein?

Nicht unbedingt. Aber wir haben im Gegensatz zu früher gute Vorbilder wie Beyonce, Taylor Swift oder Lena Dunham. Frauen, die über die sozialen Netzwerke eine unfassbare Reichweite haben auf der ganzen Welt und sich als Feministinnen bezeichnen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein extrem konservatives Frauenbild, das etwa auf Instagram propagiert wird: unreflektiert, hübsch, harmlos, blondiert, gelockt. Interessantes Spannungsfeld.

Bemerken viele Frauen den Mangel an Gleichberechtigung erst, wenn sie älter werden? Wenn Kinder ins Spiel kommen?

Auf jeden Fall. Der Moment, in dem man in ein System geworfen wird, in dem man sich ohnmächtig fühlt, weil man eine Frau ist: Das politisiert und radikalisiert ungemein. Also: Kollege XY ist schlechter als ich, unterbricht mich ständig im Meeting und kriegt trotzdem den Job, den ich verdient hätte. Oder sobald man ernsthafte Beziehungen führt. Mir fällt auf Anhieb nur ein Paar ein, von dem ich sagen würde: Die sind wirklich gleichberechtigt. Sogar, wenn Frauen gewisse Arbeiten nicht mehr alleine machen, sind sie doch oft diejenigen, die daran denken, dass sie erledigt werden. Das ist diese immaterielle Ressource des Sich-Kümmerns, auf der ein riesiger Teil unseres gesamten sozialen Lebens basiert.

Warum hören Frauen nicht damit auf?

Sehr interessante Frage. Auch ich gefalle mir oft zu sehr in der Rolle derjenigen, die gebraucht wird und alles nebenher erledigt.

Sie leben jetzt seit einem Jahr in Köln. Was wünschen Sie sich dringend von der OB erledigt?

Sie sollte bitte endlich den öffentlichen Personennahverkehr auf die Reihe kriegen. Es kann nicht sein, dass man in einer Stadt wie Köln 25 Minuten auf die Bahn wartet, die dann entweder gar nicht kommt, rückwärts oder in eine andere falsche Richtung fährt. Das ist der peinlichste öffentliche Nahverkehr, den ich in einer deutschen Großstadt erlebt habe. Manchmal möchte ich am liebsten auf dem Bahnhofsvorplatz zelten, weil ich nicht nach Hause komme.

Ist Köln eine gute Stadt für Feministinnen?

Diese Frage möchte ich erst dann beantworten, wenn es endlich mal so viele „Köbinnen“ gibt wie Köbesse. Also etwa im Jahr 2029.

Das Gespräch führte Sarah Brasack

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