Soulsängerin Duffy über Vergewaltigung„Ich fürchtete, dass es mein Tod wäre”

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Duffy bei einem Konzert im britischen Chelmsford 2008 Foto: dpa

Duffy bei einem Konzert im britischen Chelmsford 2008 Foto: dpa

Mit ihrem Album „Rockferry“ und der Single „Mercy“ wurde Duffy 2008 schlagartig berühmt. Die walisische Soul-Sängerin, mit bürgerlichem Namen Aimee Ann Duffy, wurde gar als Nachfolgerin von Amy Winehouse gehandelt, für mehrere Grammys nominiert und mit Preisen, darunter dem Grammy in der Kategorie Bestes Popalbum, ausgezeichnet. Doch nur zwei Jahre nach ihrem rasanten Aufstieg wurde es plötzlich still um die Sängerin. 2010 zog sie sich immer weiter aus der Öffentlichkeit zurück, bis sie schließlich ganz verschwand.

Warum, wusste lange Zeit niemand. Bis Duffy sich Ende Februar mit einem Post auf ihrem Instagram-Profil mit einem Bekenntnis zurückmeldete, das schockierender kaum hätte sein können. Sie sei vor mehreren Jahren – den genauen Zeitpunkt gibt sie nicht an – entführt, unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden. An Musik sei danach nicht zu denken gewesen: „Ich frage mich, wie ich von Herzen singen soll, wenn es gebrochen ist“, schrieb die Sängerin in einem mittlerweile gelöschten Post Ende Februar.

Anfang April wandte sie sich mit einem langen Brief, den sie auf der Website Duffywords.com veröffentlichte, erneut an die Öffentlichkeit. „Es gibt keine größere Qual, als eine unerzählte Geschichte in dir herumzutragen,“ zitiert die Sängerin die Schriftstellerin Maya Angelou, deshalb teile sie die ihre heute mit der Welt. Sie sei müde geworden, sich verstecken zu müssen, ihr Geheimnis habe sie schon zu lange einsam gemacht. Mehr noch: Lange Jahre war es dieses Geheimnis, das ihr einziger Begleiter gewesen sei. Sie sei ständig auf der Flucht gewesen, habe andauernd ihren Wohnort gewechselt, aus Angst, der Täter könne sie finden.

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Denn obwohl der Fall aktenkundig sei, offiziell Anzeige hat Duffy nie erstattet. Zu groß sei die Scham, die Angst, die Unsicherheit gewesen: „Ich fühlte mich nicht sicher genug, um zur Polizei zu gehen. Ich fürchtete, dass es mein Tod wäre, sollte etwas schieflaufen, er hätte mich umgebracht“, schreibt die Sängerin. Viele Jahre und eine intensive Therapie habe es gebraucht, bis sie sich endlich von den schrecklichen Erfahrungen befreien konnte. Doch nun könne sie das letzte Jahrzehnt hinter sich lassen, „wo die Vergangenheit hingehört“.

Wie zum Zeichen für diesen Neuanfang schickte Duffy Mitte März einen neuen Song an die Englische Radiomoderatorin Jo Whiley. „Something Beautiful“, eine ruhige, wehmütige Soulnummer, ist die erste neue Musik der Sängerin seit fünf Jahren. Dennoch soll das Lied nicht kommerziell vermarktet werden, sondern vielmehr eine kleine Aufmerksamkeit für die Menschen sein, die überall auf der Welt aufgrund der Corona-Ausgangssperren isoliert sind. Aktuell ist es allein bei BBC Radio 2 und auf Youtube zu hören.

Traurigkeit in ihrer Musik

Die zurückgenommene Single ist bezeichnend für die Soulsängerin. Schon immer war es besonders ihre ausdrucksstarke Stimme, die die Musikerin ausmachte. Obwohl die Vergleiche mit der Soul-Diva Amy Winehouse nach Veröffentlichung ihres Debütalbums „Rockferry“ nicht lange auf sich warten ließen, hat Duffy mit ihrer blonden Haarkrone und dem unschuldigen Wimpernaufschlag äußerlich nicht viel gemeinsam mit ihrer 2011 verstorbenen Kollegin. Aufgewachsen im beschaulichen walisischen Küstenort Nefyn, beschränkte Duffys Zugang zur Musik sich während ihrer Kindheit auf die Kassettensammlung ihres Vaters – die Beatles, die Stones, die Walker Brothers. Der Popzirkus mit seinen Skandalen und exzessiver Selbstdarstellung bleibt ihr bis heute fremd.

In ihrer Musik klingt heute eine neue Traurigkeit mit, gleichzeitig jedoch auch die Gewissheit, dass sie nun endlich ihre Stimme wiedergefunden hat. Vorerst jedoch, so schreibt sie, werde sie zur Stille zurückkehren. Dennoch schulde sie es sich selber, eines Tages ein neues musikalisches Werk zu veröffentlichen. Wann, wird die Zeit zeigen.

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