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SZ, NDR und WDRWarum der Rechercheverbund viele Fragen aufwirft

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Die Panama Papers sorgten weltweit für Schlagzeilen

  • Der Rechercheverbund zwischen der Süddeutschen Zeitung und Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten deckte zuletzt brisante Details auf.
  • Aber die Kooperation wirft viel Fragen auf - auch weil nicht gerne über die Art und Weise der Zusammenarbeit gesprochen wird.

Köln – Erst Panama Papiere, jetzt TTIP. Der Rechercheverbund von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ hat es in den letzten Wochen häufig in die Schlagzeilen geschafft. Den beteiligten Redaktionen geht es bei den investigativen Recherchen darum, öffentlich zu machen, was andere lieber geheim halten würden. Doch die Offenheit, die sie in ihren Veröffentlichungen einfordern, ist schnell vergessen, wenn es um die Zusammenarbeit zwischen den drei Partnern geht.

Bestes Beispiel ist der WDR, der Anfang 2014 zu der schon existierenden Kooperation von NDR und „SZ“ kam. Welchen Anteil der Sender genau an den Recherchen hat, wieviel Geld er im Jahr für den Verbund ausgibt, wie genau die Zusammenarbeit mit dessen Leiter Georg Mascolo, dem früheren „Spiegel“-Chefredakteur, aussieht – das alles lässt man in Köln offen. WDR-Sprecherin Ingrid Schmitz sagt lediglich, dass NDR und WDR beim Projekt Panama Papiere sehr eng zusammengearbeitet haben: „Gemeinsam haben in der Schlussphase zehn Kollegen intensiv an dem Projekt gearbeitet. Das Rechercheteam wurde nach und nach ausgebaut, unmittelbar beteiligt waren zwei Kolleginnen des WDR.“ Was erstaunlich wenig ist, wenn man bedenkt, wie umfangreich die Recherchen waren. Es passt allerdings ins Bild, denn das Herz des Zusammenschlusses schlägt von ARD-Seite in Hamburg. Dort sitzt das intern als „Recherche-Planet“ bezeichnete NDR-Investigativteam.

Wer zahlt was?

„Die Partner der Recherchekooperation übernehmen jeweils selbst die Ausgaben für Produktionen im Rahmen der Kooperation. Georg Mascolo hat einen Vertrag mit dem NDR“, so Ingrid Schmitz. Der WDR zahle ihm nichts. Das hört sich in Hamburg allerdings anders an. „Einen Teil des Honorars erstattet uns der WDR“, teilt NDR-Sprecher Martin Gartzke mit. Zu individuellen Vertragsinhalten will auch er sich nicht äußern.

Nun ist allerdings aus gut informierten Kreisen zu hören, dass der WDR sich die Zusammenarbeit trotz des ja augenscheinlich geringen eigenen Inputs einiges kosten lässt. Es kursiert eine Zahl von rund 400 000 Euro im Jahr, außerdem soll der Verbund „lang und breit“ im Verwaltungsrat des Senders besprochen worden sein. Der WDR bestreitet dies. Der Verbund sei nie Thema im dem Gremium gewesen, die genannte Summe falsch.

Keine Verträge

Auch der NDR, der ebenso wie die Kollegen in Köln von einer Kooperation spricht, betont, es gebe keine Verträge zwischen den Beteiligten: „Eine förmliche Vereinbarung über die Kooperation haben NDR, WDR und SZ nicht geschlossen, und sie haben dies auch nicht vor“, so Gartzke. Vielmehr sei es eine themenbezogene Zusammenarbeit investigativer Redaktionen des NDR, des WDR und der „SZ“. Einen gemeinsamen Etat gebe es nicht. Jeder Partner komme für seine eigenen Kosten auf. „Welche Themen recherchiert werden, hängt von den einzelnen Projekten ab – die Verantwortung für eine Veröffentlichung bleibt bei dem jeweiligen Medium. Im Vordergrund der gemeinsamen Arbeit steht das Bestreben, den Qualitätsjournalismus durch Vernetzung bei bedeutenden Recherchen zu stärken“, so der NDR-Sprecher.

Der Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann sagt, man müsse mögliche Finanzflüsse transparent machen. Doch selbst wenn kein Geld zwischen den Beteiligten fließen sollte, ist die Konstruktion umstritten. Die Zusammenarbeit sei vom öffentlichen Funktionsauftrag nicht gedeckt, sagt Schwartmann. Privater Wettbewerb werde zugunsten der „Süddeutschen“ verzerrt. Die ständigen Nennung der Zeitung in den Nachrichtensendungen der ARD sei „ein wunderschöner Werbeslot“. Der Beitragszahler finanziere so Recherchen der „Süddeutschen“ mit. Sie erhalte einen erheblichen Marktvorteil. Eine Argumentation, der sich viele Medienrechtler anschließen.

Kritik vom Zeitungsverlegerverband NRW

So argumentierte auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) vor gut einem Jahr, als er eine Beschwerde gegen den Rechercheverbund bei der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen einreichte. Als Folge dieser und und anderer Proteste fanden Zusammenschlüsse mit Dritten Eingang in die Neufassung des WDR-Gesetzes. Demnach hat der WDR „im Rahmen seiner Programmfreiheit den Zielen der Meinungsvielfalt Rechnung zu tragen und diskriminierungsfrei vorzugehen.“ Zu Rahmenbedingen und vertraglichen Ausgestaltungen muss der Kölner Sender auf Vorschlag des Intendanten Richtlinien erlassen, die zu veröffentlichen sind. Eine Regelung, die vielen nicht weit genug geht.

So kritisierte der Zeitungsverlegerverband NRW in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf, diese Regelung schaffe keine ausreichende Transparenz. Ein Vorwurf, den der Verband auf Nachfrage auch heute aufrecht erhält. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) wollte sich auf Anfrage nicht zu der Kooperation äußern. Fragt man den WDR nach den geforderten Richtlinien, bleibt die Antwort so vage wie bei allen anderen Aussagen zu diesem Thema. Die Richtlinien würden zurzeit in Arbeitsgruppen erarbeitet und dann dem Rundfunkrat vorgelegt.

Doch auch innerhalb der ARD ist der Zusammenschluss nicht unumstritten. So verfügt etwa der SWR mit dem „Report Mainz“, der gerade 50. Geburtstag gefeiert hat, über eine sehr anerkannte Redaktion für investigative Recherchen. Warum nun also ausgerechnet WDR und NDR zur Speerspitze des ARD-Investigativjournalismus werden sollten, erschließt sich daher manchen nicht. Die ARD will sich auf Anfrage nicht zu diesem Thema äußern, da es nicht die gesamte ARD betreffe.

Viele offene Fragen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Aufdecker erstaunlich verschlossen sind, wenn es um sie selbst geht.

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