Toller „Raub“ bei Schillers „Räubern“

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„Spiegelberg“ nennt sich ein neuer Zusammenschluss freier Künstler, deren Zielsetzung es ist, interdisziplinär Projekte zu entwickeln, bei denen die klassische Arbeitseinteilung traditioneller Theaterproduktionen in Frage gestellt wird. Bei dem Namen bot sich Schillers „Räuber“ als Einstiegsstück geradezu an, obwohl dann von Spiegelberg, wie von den meisten anderen Figuren, nichts zu sehen ist.

Stattdessen gehört die Bühne ganz den beiden Baeck-Brüdern Jonas und Jean Paul. Das Schiller-Drama um die verfeindeten Brüder Karl und Franz Moor wird hier zur Blaupause für Vater-Sohn-Sohn-Dynamiken. Dabei kommt es im Laufe des hochunterhaltsamen Abends zu einer fruchtbaren Grenzüberschreitung zwischen autobiografischen, biografischen und literarischen Momenten. Die Rollenverteilung zwischen den Zwillingen scheint anfangs klar: Jonas im blauen Anzug spielt den idealistischen Rebellen Karl, der im Strudel der Ereignisse zum Räuberhauptmann wird. Jean Paul, mit buntem Outfit, ist die Rolle des heimtückischen Franz zugedacht, der sich mit List gegen Vater und Bruder zu behaupten sucht. Anders als bei Schiller befinden sich die Brüder hier in ständigem Austausch.

Den alten Grafen Moor muss man sich als Zuschauer dazu denken, bei der Premiere saß allerdings der Vater der beiden als Projektionsfläche im Publikum. Auch damit gehen die Brüder virtuos um, wenn sich etwa eine sehr persönlich anmutende Ansprache von Jonas an den Vater als Text von Michael Ende entpuppt. Immer wieder meistern sie den dramaturgischen Drahtseilakt, die Nabelschau auf die eigene Beziehung in einen größeren Kontext zu stellen. Animationsfilme beleuchten amüsant, wie das Abarbeiten am Vater-Sohn-Verhältnis zur Sisyphos-Tätigkeit ausarten kann. Eingebettet im sphärisch schönen Gesang von Sara Youssef, stehen zum Schlussbild die Brüder Arm in Arm auf der Bühne. 25. bis 28.9., Orangerie-Theater

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